Antsirabe
Endlich wieder mit meinem eigenen Duschgel duschen! Wieder geht's früh
raus, um 7:30 Uhr Frühstück, um 8 geht's los. Heute ist es bewölkt und
etwas kühler, was dem leichten Sonnenbrand in meinem Nacken sicher
guttut. Mit allem Gepäck sind wir jetzt wirklich auf dem Weg, auf
unserer großen Rundreise in den Süden.
Zuerst fahren wir zum Flughafen, um die Tickets für unseren Rückflug
(von Toliara nach Antananarivo, damit wir nicht das ganze Stück mit
dem Auto zurückfahren müssen) zu kaufen. Das geht bei Air Madagaskar
problemlos, der Flug kostet weniger als 150 Euro pro Person.
Dann durchqueren wir nochmal halb Antananarivo, denn es gibt keine
Umgehungsstraße, und die Nationalstraße 7 Richtung Süden fängt auf der
anderen Seite der Stadt an. Etwas später halten wir am Straßenrand an
ein paar Ständen, an denen Gegenstände aus Raphia-Palmblättern
verkauft werden (Raphia Souvenirs): Chamäleons und Makis, aber auch Giraffen, Krokodile
und alles mögliche andere. Außerdem gibt es aus Sisal gemachte Taschen
und Hüte. Eine alte Frau sitzt im Hintergrund und arbeitet gerade an
einer Tasche. Die Händler sind wie immer sehr gut im Verhandeln, sie
können die 10000-Ariary-Scheine nicht wechseln und geben uns dafür
noch ein paar Dinge mehr mit, als wir eigentlich haben
wollen. Jedenfalls haben wir jetzt jeder einen Sonnenhut und eine
große Tasche, um alle noch zu kaufenden Souvenirs landestypisch
transportieren zu können.
Tip für alle zukünftigen Madagaskar-Touristen: Kauft die
Raphia-Souvenirs hier, wo sie gemacht werden, denn überall anders sind
sie teurer und nicht halb so schön.
Das Auto, obwohl repariert, macht immer noch Schwierigkeiten. Die
Kühlwassertemperatur ist ständig über 100°C, wir müssen öfter
anhalten, um Wasser nachzufüllen. Dann wieder beschwert sich die
Bordelektronik, daß der Deckel des Kühlwassertanks nicht richtig zu
wäre. Patrick telefoniert mit verschiedenen Leuten in Tana, und es
wird beschlossen, daß ein Mechaniker uns mit dem Taxi Brousse
hinterher fährt, um sich das Auto anzusehen; außerdem wird sich ein
weiteres Fahrzeug auf den Weg machen, falls dieses hier sich nicht
reparieren läßt. Taxi Brousse ist hier der öffentliche
Personen-Nahverkehr, es sind Kleinbusse, die etwa einmal am Tag
zwischen den größeren Städten verkehren. Oft sind sie so vollgestopft,
daß die Leute hinten zur Tür raushängen, und auf den Dächern stapelt
sich das Gepäck (Waren für den Markt) meterhoch. Dennoch empfehlen
viele Reiseführer das Taxi Brousse auch für Touristen (wenn man
rechtzeitig den Platz vorn neben dem Fahrer reserviert).
Der nächste Halt ist Ambatolampy. Dort
gibt es eine Aluminium-Topf-Manufaktur, sämtliche Töpfe im ganzen Land
stammen daher. Alt-Aluminium wird zunächst sortiert und mechanisch
zerkleinert, dann in Tiegeln geschmolzen. Anhand
eines fertigen Topfes wird eine Form aus feuchtem Sand hergestellt
(der Topf wird praktisch eingebuddelt).
Der Holzrahmen mit dem äußeren/oberen Teil der Sandform
kann schichtweise abgenommen werden, bis der Vorlagen-Topf wieder
sichtbar ist. Dann wird der Topf ebenfalls
weggenommen und die Sandform Stück für Stück wieder
zusammengesetzt.
Durch die am Rand vorgesehenen
Löcher wird das flüssige Aluminium hineingeschüttet. Anschließend wird der fertige Topf ausgebuddelt, und
das ganze geht von vorne los. Für einen Tof brauchen die Arbeiter zu
zweit knapp 10 Minuten. Sie laufen barfuß
zwischen den Tiegeln mit flüssigem Aluminium herum und haben auch
keine Handschuhe. Die Luft ist heiß und staubig. In einem kleinen
Laden verkaufen sie Mini-Töpfe als Souvenirs.
Bevor wir weiterfahren, füllen wir nochmal das
Kühlwasser auf. In einem kleinen Restaurant am Ortsrand wollen wir
eigentlich Mittag essen, nur leider wird gerade renoviert. Da Patrick
die Besitzer kennt, bekommen wir hier nochmal reichlich Wasser, unsere
aktuelle Theorie zum Zustand des Autos ist, daß der Tabak eventuell
die Pumpe verstopft hat, und deswegen spülen wir alles gründlich
durch. Es hilft aber nichts. In
Ambohimandroso finden wir ein anderes
Restaurant, das Hotel Finaritra, in dem wir Gurkensalat und Zebu mit Reis essen. Inzwischen
haben wir gelernt, entweder Wasser oder Cola zu trinken statt
Limonade.
Am Nachmittag erreichen wir
Antsirabe, eine Stadt mit etwa 10.000
Einwohnern. Unser Hotel "La Retrait" sieht sehr nobel aus. Es ist von
einer hohen Mauer umgeben und hat ein großes massives Tor, das hinter
unserem Auto geschlossen wird. Das Gepäck wird uns auf's Zimmer
getragen.
Antsirabe ist bekannt für seine Halbedelstein-Werkstätten,
und so fahren wir am Nachmittag mit dem Auto in die Stadt (man könnte
wohl auch zu Fuß gehen, aber der Regen macht es ausgesprochen
ungemütlich) zu einer solchen Werkstatt. Wir werden höflich empfangen
und man zeigt uns eine Ausstellung prächtiger Kristalle
. Auf dem Hof (der einfach nur mit Steinen gepflaster
ist) laufen ein paar arme madagasische Strahlenschilkröten
(
Geochelone radiata) herum, die stolz präsentiert werden: die
Weibchen mit flachem Bauch, die Männchen mit konkavem Bauch zwecks
besserer Andock-Möglichkeit. Außerdem gibt es einen großen Haufen
ungeschliffener Steine, wo wir uns mehrere aussuchen dürfen zum
mitnehmen; als wir zögern, sucht unser Gastgeber kruzerhand ein paar
schöne Exemplare aus. Außerdem bekommen wir jeder einen geschliffenen
Stein als Gastgeschenk. Natürlich wird uns dann auch der Verkaufsraum
gezeigt, sie haben eine reiche Auswahl an Halbedelsteinen und auch
versteinertem Holz. Es gibt z.B. das Brettspiel Solitaire mit Kugeln
aus 32 verschiedenen Gesteinsarten. Ich möchte einen Anhänger kaufen,
der 300.000 Ariary kosten soll; als ich entschlossen feststelle, daß
ich mir das nicht leisten kann, gehen sie sofort auf 150.000 Ariary
runter und schenken mir (nachdem ich schon bezahlt habe) noch einen
anderen wunderschön schillernden Stein dazu, für den ich vorher
Interesse gezeigt hatte. Also hab ich wohl immer noch zuviel
gezahlt. Na egal, verglichen mit dem Reisepreis sind das alles
Peanuts.
Am Auto werden wir schon von einem Haufen Kinder erwartet, die nach
Bonbons betteln. Zurück im Hotel holen wir erst mal unseren
Mittagsschlaf nach. Hier in Madagaskar geht alles mora mora --
langsam und gemütlich zu. Wir haben generell viel Zeit, uns
auszuruhen. Zum Abendessen fahren wir wieder mit dem Auto in die Stadt
in ein vornehmes Restaurant mit dem abenteuerlichen Namen "Resto Bar
Grill". Endlich mal was anderes außer Reis mit Zebu. Ich wähle ein
chinesisches Gericht: Min Tsao, Nudeln mit Gemüse (und Zebu), und
Frank ißt Huhn mit Bambus. Eine Live-Band spielt dazu. An mehreren
Tischen um uns herum sitzen alte Männer, die leider auch wie aus einem
(schlechten) Film aussehen: fett und häßlich und offenbar nur mit
einem Ziel: sich mit den jungen einheimischen Mädchen in ihrer
Begleitung zu amüsieren. Eine Gruppe davon wohnt sogar in unserem
Hotel. Patrick ist zurecht wütend und schimpft auf "the stupid French"
-- allerdings fürchte ich, daß auch andere Ausländer hier wären, wenn
die Einheimischen außer Französisch auch mehr Englisch könnten.
Beim Frühstück am nächsten Morgen treffen wir die "fucking French"
wieder an, die aber wenigstens den Anstand haben, ob dieser
Bezeichnung ein Stück von den Mädchen wegzurücken und ihre fetten
Hände von deren Schenkeln zu nehmen. Es wird ein ziemlich
ungemütliches Frühstück, da hilft es auch nicht, daß es hier mehr
Auswahl gibt als sonst: Omlette oder (Glibber)-Spiegelei zu dem
Baguette mit Marmelade.
Der Mechaniker ist gestern Abend eingetroffen und er und Patrick sind
heute morgen um fünf Uhr aufgestanden und haben das Auto repariert,
indem sie, wenn ich das richtig verstanden habe, den
Kühlwasser-Temperaturfühler ausgebaut haben. Sie haben eine 40km
Probefahrt gemacht und alles hat funktioniert. Also brechen wir
hoffnungsvoll auf. Zuerst gibt's eine kleine Stadtrundfahrt, heute
scheint wieder die Sonne und da sieht alles gleich viel freundlicher
aus. Antsirabe war ganz offensichtlich eine Kolonie-Stadt der
Franzosen, das sieht man heute noch an den Häusern.
Der Bahnhof sieht prächtig aus, wird aber zur Zeit nicht benutzt, da
es keine funktionierenden Lokomotiven gibt. Vor dem Bahnhof gibt es
einen großen Platz, auf dem ein Denkmal mit den Symbolen der 18 Stämme
Madagaskars steht.
Die riesige Kathedrale paßt gar
nicht richtig auf ein Foto und außerdem steht ihr sozusagen die Sonne
im Rücken. Man kann auch nicht in Ruhe fotografieren, da überall
bettelnde Menschen herumlaufen und Patrick deutlich vor Taschendieben
gewarnt hat.
Das Hauptverkehrsmittel in der Stadt sind Rikschas, die von jungen
Männern gezogen werden. Sie verstopfen die Straßen oder warten am
Straßenrand auf Fahrgäste.
Als nächstes besichtigen wir ein Atelier für Gegenstände aus
Zebu-Horn.
Wir kriegen eine Vorführung,
wie die Arbeit vor sich geht. Die Zebu-Hörner werden zunächst über
den Feuer erwärmt, bis das Innere sich lockert und
herausfällt. Anschließend wird mit einer Säge und einer Art Beil die
grobe Form vorbereitet. Um das Horn verbiegen zu können, wird es
nochmals im Feuer erwärmt, dann geboden und dann in Wasser
abgekühlt. Anschließend wird mit einer Glasscherbe die verkohlte
oberste Schicht abgeschabt. Unser Beispiel-Objekt wird ein Vogel, und
mit einer Säge wird der Schnabel aufgesägt. Die Oberfläche wird
nacheinander mit Hilfe einer Schleifscheibe, einer Feile und
Schmirgelpapier geglättet, dann werden letzte Verzierungen (Auge)
angebracht. Außer Tierfiguren und Schmuckstücken stellen sie auch
unheimlich viele nützliche Gegenstände her, von Kämmen und Haarspangen
bis zum Salatbesteck. Natürlich wird erwartet, daß wir als
Gegenleistung für die Vorführung etwas kaufen, aber da kommen wir
immer noch billiger weg als wenn wir in Deutschland Eintritt gezahlt
hätten. Ein Reiher kostet 10.000 Ariary.
Nachdem Patrick sich an einem kleinen Laden sein
Frühstück, ein paar Reiskuchen oder Mofogasi, geholt hat – er
frühstückt nie vor neun Uhr – fahren wir aus der Stadt raus, um zwei
Seen zu besichtigen. Die Straße ist mal wieder sehr
vierradantrieb-geeignet. Zuerst kommen wir am
Andraikiba-See vorbei,
ein künstlicher See, den die Franzosen zur Bewässerung der umliegenden
Reisfelder angelegt haben. Wir steigen erst mal nicht aus, da es
regnet. Der zweite See,
Tritriva, ist ein Kratersee in einem
ehemaligen Vulkankegel.
Die Kinder, die uns hier Zeug
verkaufen wollen, sind etwas geschäftstüchtiger als die am
Lily-Wasserfall, denn sie bieten zuerst kostenlose kleine Geschenke
an, in diesem Fall aus Sisal geflochtene Armreifen, so daß man sich
verpflichtet fühlt, etwas zu kaufen. Oder man gibt ihnen im Tausch
einen Kugelschreiber. Patrick wartet am Auto, während wir uns in
Gesellschaft von Celestine, Clara und Bertine und einem Jungen auf den
Rundweg um den See machen. Die Kinder können genug Englisch, um uns
etwas über den See zu erzählen, z.B. daß Jacques-Yves Cousteau hier
getaucht ist und die Tiefe des Sees gemessen hat: 147m. Angeblich
kommunizieren die beiden Seen unterirdisch miteinander, denn wenn der
eine viel Wasser hat, hat der andere besonders wenig. Das Wasser des
Sees ist so sauber, daß man es trinken kann, und gelegentlich springen
verrückte Touristen von den 20m hohen Klippen am Ufer ins Wasser. An
einem durschnittlichen Tag kommen fünf Touristen hierher. Sie zeigen
uns auch interessante Pflanzen und Tiere am Ufer, z.B. riesige
Tausendfüßler.
Vom oberen Rand des Kraters aus hat man
einen einen tollen Ausblick über die umliegende Landschaft. Über dem
nächsten Hügel geht gerade ein Regenguß nieder. Zurück am Parkplatz
verteilen wir ein paar Kulis und ein T-Shirt an unsere Begleiter.
Dann machen wir uns auf den Rückweg. Auch hier mußten wir Eintritt
zahlen, und Patrick gibt das Ticket am Eingang zurück, damit der
Parkwächter es nochmal verkaufen kann.
Was hier etwas unpraktisch ist, ist, daß es zwischen zwei Orten immer
nur genau eine Straße gibt, d.h. man muß immer genau da zurückfahren,
wo man hergekommen ist. Andererseits gibt uns das die Gelegenheit, am
Andraikiba-See nochmal auszusteigen.
Hier war zur
Zeit der Kolonialherren eine reger Badebetrieb, im See steht noch ein
alter Sprungturm und am Ufer gibt es eine Art Strandpromenade. Auch
heute, wo nun wirklich kein Badewetter ist, warten Verkäufer in ihren
Läden auf Kundschaft, sie verkaufen hier vor allem
Halbedelsteine.
Auf dem Weg holt uns der Regen
ein. Die Leute tragen hier durchaus Regenkleidung, oder sie ziehen
sich irgendwelche Kleidungsstücke über den Kopf. Die Rikscha-Fahrer
zum Beispiel haben Plastik-Regenponchos. Es ist nicht unbedingt so
warm, daß man naß herumlaufen wollte, und für die Einheimischen ist es
sogar eher ein kalter Tag, sie tragen mehrere Schichten Kleidung
übereinander.
Weiter Richtung AmboSitra...