Helvellyn
Im Lake District
11. - 14. Juni 2011.
Nachdem Vince mit etwas Verspätung am 10. Juni abends endlich in Durham angekommen ist, gibt's erst mal Abendessen von Balti Spice. Dann quatschen wir noch eine ganze Weile mit Hendrick, einem alten Bekannten von Vince und Physi. Deswegen haben wir es am Samstag nicht besonders eilig mit dem Aufstehen. Nach einem gemütlichen Frühstück geht's erst mal zu Tesco, die restliche Verpflegung einkaufen. Reichlich mit Eiern, Käse, Wurst, und Wasser ausgestattet — Nutella in der Tube gibt's leider nicht — fahren wir zurück nach Hause und verstauen alles in den Rucksäcken und dann im Auto. Als wir endlich los kommen, fragt Vince schon nach dem Mittagessen. Das gibt's dann im Llama Karma Kafe an der A66 in der Nähe von Penrith. Das Essen ist gar nicht schlecht, und es gibt sogar frisch gepressten Orangensaft. Nur das Lama, das direkt neben uns steht (durch eine Fensterscheibe getrennt) und uns die ganze Zeit seinen Allerwertesten entgegensreckt, irritiert einen etwas...
Kurze Zeit später haben wir unser Ziel, Glennridding am Ullswater, erreicht und das Auto in einer Seitenstraße abgestellt. Der offizielle Touri-Parkplatz soll 28 Pfund kosten!
Rückblick ins Tal auf dem Weg zum Sticks Pass.
Gegen 16 Uhr machen wir uns auf dem Weg und laufen an der alten Mine vorbei zum Sticks Pass. Bevor wir den erreichen, zelten wir aber im Tal, weil es, sobald wir einmal da oben sein werden, für eine ganze Weile keine windgeschützten Plätze mehr geben wird. Dieser Platz ist keine 300m von dem weg, wo ich vor ein paar Jahren schon mal mit Physi war.
Das Wetter hat bisher ganz gut mitgespielt, aber man weiß ja nie, was noch kommt. Es war bisher heiter bis wolkig, aber kaum haben wir den Zeltplatz ausgeguckt, fängt es an zu regnen. Nagut, beeilen wir uns eben mit dem Aufbauen. Dann schnell noch einen Tee mit dem Wasser aus dem Bach nebenann gekocht, und ab in den Schlafsack! Eine kurze Unterbrechung noch, als plötzlich ein lautes Rauschen ertönt — eine Schlammlawine? Nee, doch nicht. Wir verbringen eine ruhige Nacht.
Am nächsten Morgen scheint die Sonne auf's Zelt und es ist schon richtig warm. Haferflocken mit Kakao und Wasser, und noch ein Nutellabrot zum Frühstück. Das Geschirrtuch muß als Zeltschwamm herhalten, da das Zelt vom Regen noch naß ist.
Munter geht's die letzten Höhenmeter zum Stick's Pass und von da aus südlich über den Raise zum Lower Man, knapp unterhalb von Helvellyn. Hier gibt's ein zünftiges zweites Frühstück mit Brot und Ei. Dann geht's weiter zum Helvellyn, wo und zwei Jungs geschäftstüchtig zwei Tassen heißen Tee für 4 Pfund verkaufen — sie sammeln für eine Reise nach Südamerika. Der Hund von unseren Sitznachbarn — hier gibt es sogar richtige Steinbänke mit Windschutz — verteidigt sein Frühstück — matschiger Toast mit Wurst — wehement gegen alle anderen Hunde.
Am Grisedale Tarn vorbei,über Fairfield und Dove Crag geht's weiter. Inzwischen hat starker Regen eingesetzt, und auf den Gipfeln weht ein starker Wind. Beim Anstieg zum Red Screes, da kommt uns ein Pärchen entgegen. Sie erzählen, dort oben sei es zu windig zum zelten, und der Anstieg auf der anderen Seite wäre steil und bei Wind kein Vergnügen. Na gut, es ist erst 16 Uhr und eigentlich noch zu früh, um das Zelt aufzuschlagen, aber es wird tatsächlich immer windiger, je höher wir kommen. Es ist auch nicht klar, ob es auf der anderen Seite dieses Berges einen tollen Zeltplatz gibt, denn das Gebiet ist nicht mehr auf der Karte drauf, und die andere Karte hab ich im Auto liegen gelassen.
Es regnet wie Sau. Wir bauen das Zelt an einer vermeintlich windgeschützten Stelle auf. Aber der Wind ist hier trotzdem so stark, daß wir trotz des Regens beschließen, nochmal umzuziehen. Also schnell alles wieder einpacken, jetzt ist das Zelt natürlich innen und außen patschnaß. Dann wieder talwärts, dahin, wo wir hergekommen sind. Neben einer dieser vielen steinmauern und schon fast wieder am niedirgsten Punkt des Scandale Pass finden wir schließlich ein ebenes, nicht zu sumpfiges Plätzchen. In null komma nichts steht das Zelt wieder, und während ich Wasser koche, trocknet Vince das Zelt ab. Das Wasser läßt sich wirklich Zeit, obwohl die Kartusche ganz frisch ist, die haben wir gestern Abend erst gewechselt. Der Wind stört wohl. Schnell zwei Trockenmahlzeiten aufgegossen und aus dem restlichen Wasser einen Pfefferminztee, und dann ab ins Zelt! Unsere Regenjacken sind tropfnass und müssen leider draußen bleiben. Das warme Essen tut gut. Dann schnell ind die Schlafsäcke und wieder auftauen! Ich habe so gezittert, daß ich die tasse kaum ruhig genug halten konnte beim Trinken. Kann ja nur besser werden für morgen! Wir machen zwei Pläne, einen für gutes und einen für schlechtes Wetter.
Das Zelt hat die Nacht wesentlich besser überstanden als Vince, der
sich im heftigen Sturm Sorgen um dessen Haltbarkeit gemacht
hatte. Wir sind zwar ausgeschlafen, aber nicht unternehmungslustiger
als gestern, denn alles, was man aus den kleinen Zeltfensterchen
sieht, ist Nebel. Immerhin regnet es nicht mehr, so daß wir das Zelt
nicht vollständig tropfnass einpacken müssen. Wir beschließen, die
High Street High Street sein zu lassen und lieber runter ins Tal zu
gehen — die High Street heißt so, weil die Römer vor 2000
Jahren lieber auf den Bergen unterwegs waren als im Tal, weil sie im
Tal ständig Hinterhalte der lokalen Bevölkerung befürchten mußten,
während sie auf der Hochebene immer alle Angreifer von weitem sehen
konnten (außer bei Nebel, natürlich).
Je tiefer wir kommen, desto besser wird das Wetter. Wir halten nochmal
kurz an, um Wasser zu filtern; unsere Vorräte sind inzwischen
aufgebraucht. Unglücklicherweise verdreht sich Vinc auf dem weiteren
Weg den Knöchel, aber Glück im Unglück, wir laufen an einem Bach
entlang und er kann den Fuß gleich kühlen und dann sogar ganz gut
weiterlaufen. Die baumlose Landschaft der Berge ändert sich jetzt, und
wir überqueren eine gemischte Kuh- und Schafweide mit Bäumen und
Büschen drauf. Und mit Kühen und einem Bullen — gut, daß wir
rote Rucksack-Regenhüllen haben. Zum Glück ist das Vieh aber eher an
seinen Artgenossinnen interessiert.
Über eine Farm am Rand von
Patterdale kommen wir dann an den See Brother's Water, wo wir Mittagspause
machen. Ob man das Seewasser trotzt Gänse- und was-weiß-ich-was noch für
Rückständen trinken kann? Wir lassen es diesmal etwas länger
kochen. Der (von Frank) selbstgemachte Kartoffelbrei schmeckt
hervorragend, besser jedenfalls als der
Pilz-Soja-Nudel-Mansch... allerdings hat letzterer den Vorteil, daß er
in einem wiederverschließbaren Beutel ist, den man sich zum Warmhalten
unter's Hemd an den Bauch halten kann. Beim Essen können wir eine
Graugans-Familie mit 5 Gösseln beobachten, die ein paar Meter entfernt
im Wasser und am Ufer herumplanschen (leider ein paar Meter zuviel für die Kamera).
Schönes Wetter im Tal, aber Wolken auf den Gipfeln.
Weiter geht's das Tal runter, immer am Bach entlang, durch eine üppige
grüne Landschaft. Das Wetter wird so gut, daß ich sogar meine
Regenhose wieder ausziehen kann. Die sonne kommt raus und es wird
warm. Der Blick zurück zeigt aber: die Gipfel sind noch in den Wolken,
und bei der Geschwindigkeit, mit der die vorbeiziehen, haben wir
nichts verpaßt.
Am oberen Ende des Ullswater gibt es ein paar schöne blühende Wiesen. Hier gilt offenbar Schaf-Verbot.
Schließlich erreichen wir Glenridding und machen eine ausgedehnte
Schokoladen-Pause am Pier. Die Kuhflecken-Schokolade heißt übrigens in
England "Happy Cows". Hat schon mal jemand darüber nachgedacht (oder
nachgeprüft), ob das Kuhflecken-Muster auf jeder Tafel dasselbe ist,
und wenn ja, ob das eine Marketing-Entscheidung ist, wo da die Flecken
hinkommen?
Natürlich müssen wir auch noch ein paar Postkarten kaufen,
und dabei begegnen wir Florentine, die wir natürlich
nicht so einfach da sitzen lassen können. Noch schnell eine Tasse Tee und
einer Tasse heiße Schokolade im Café... das macht schon beinahe zu,
aber natürlich gebietet die englische Höflichkeit, daß wir nicht nur
in Ruhe austrinken dürfen, sondern sogar noch durch netten Small-Talk
unterhalten werden. Schließlich machen wir uns auf den Rückweg nach
Durham. Immer wieder erstaunlich, wieviel Benzin in den Tank dieses kleinen Autos paßt, wir kommen noch glücklich bis zur Scotch
Corner, und dann sind wir auch schon wieder in Durham. Abendessen im
Fallen Angel — dummerweise sind die Burger hier abends ungefähr
doppelt so teuer wie tagsüber, und man hat auch nicht so viel Auswahl,
aber was soll's. Ziegenkäse als Vorspeise und Chocolate Toffee Pudding
entschädigen dafür.
Das Gewächshaus von Mary Eleanor Bowes.
Dem aufmerksamen Leser wird nicht entgangen sein, daß ganz oben "11.-14. Juni" steht, im Text bisher aber nur 3 Tage beschrieben sind... das liegt am Regen. Am 4. Tage ruhte der Herr nicht, trotz des verstauchten Fußes, sondern machte einen Ausflug nach Gibside. Das war der Wohnsitz der Familie Bowes, mit riesigem Park, mehrereren Häusern, Stallungen, und mitten drin einer "Freiheitssäule".
Fotos (c) Vincent Spallek 2011