Am See der Könige
Die Landschaft sieht hier schon wieder anders aus als vorher, hier ist
alles grün und bewaldet. Das Klima wird wärmer und die
Luftfeuchtigkeit nimmt zu, wenn das überhaupt noch möglich ist. Frank
ist nicht entzückt. Die kurvigen Bergstraßen tragen nicht zu einer
Besserung der (Magen-) Stimmung bei. Es regnet fast die ganze Fahrt
über. In Antsampanana (=Kreuzung) machen wir eine Pause;
Patrick kriegt Frühstück und wir was kaltes zu trinken. Dieser Ort ist
eine wichtige Taxi Brousse Zwischenstation zwischen Tana und
Toamasina. Das Restaurant hat ein sehr interessantes Plumpsklo, es
fehlt nämlich der Teil mit dem Plumps: es gibt nur einen großen
Haufen, auf den man (frau) sich hocken muß. Deswegen hat
Patrick zwei mal nachgefragt, ob ich mich nicht lieber unterwegs
irgendwo hinhocken möchte...
Kurz bevor wir Brickaville erreichen, eine mehr oder
weniger große Stadt in der Nähe der Küste des indischen Ozeans, kommen
wir an die Abzweigung nach Manambato und biegen nach
Süden von der Hauptstraße in einen Sandweg ab, der insbesondere bei
diesem nassen Wetter wirklich (mehr wirklich als alle anderen) wie
eine Piste aussieht, die man lieber nur mit Allradantrieb befahren
sollte. Alles ist matschig und glitschig und überall sind riesige
wassergefüllte Schlaglöcher – oder sollte man sagen, zwischen den
Schlaglöchern ist ab und zu noch ein Rest der Straße zu
sehen. Spannend wird es, als wir an einer Stelle die Auswahl haben
zwischen einerWakligen Holzbrücke und einer sandigen Furt. Die Brücke
besteht praktisch nur aus 2 Balken, die im Radabstand nebeneinander
liegen und mit dünnen Querbalken verbunden sind. Patrick erinnert sich
vom letzten Besuch her an die Brücke und entscheidet sich diesmal für
die Furt. Langsam fährt er zum Fluß hinunter und bleibt prompt mit den
Vorderrädern im nassen Sand stecken. Die Räder drehen durch und das
Auto bewegt sich weder vor- noch rückwärts. Alle Versuche,
verschiedene Gegenstände unter die Räder zu legen, scheitern. Erst als
ein paar Leute aus der Umgebung herbeilaufen, schaffen wir es, das
Auto weiter vorwärts durch die Furt zu schieben. Frank ist "not
amused", daß wir als zahlende Touristen aussteigen und schieben
müssen, aber was soll's: "Welcome to Africa".
Unsere Hütte am Lac Rasoabe.
Auf dem weiteren Weg kommen wir ohne Aussteigen und schieben weiter,
aber es gibt genügend Anlaß zur Sorge bezüglich der Rückfahrt, zumal
der Dauerregen die Sache nicht verbessert. Schließlich erreichen wir
das Dorf
Manambato mit dem Hotel
Les Acacias, unserem Ziel. Unser Häuschen
liegt keine 30m vom Stand des Lac Rasoabe (See der Könige) entfernt
zwischen Bäumen. Das Dach ist aus Palmblättern und die Wände aus
dünnen Holzstangen. Wie immer ist hinten Klo und Dusche und vorn ein
großer Raum mit dem Bett. Vorn hat's reingeregnet, da die Tür
offensteht und der Wind vom See her den Regen hereinpustet. Da der
Fußboden aber nur aus Brettern besteht, läuft das Wasser einfach
durch die Ritzen ab. Handtücher haben wir keine im Zimmer, die müssen
erst noch trocknen. Gut, daß wir eigene dabei haben. Mittagessen?
Fehlanzeige, heute Abend ist Silvesterparty und wegen der
Vorbereitungen hat niemand Zeit, zwischendurch zu kochen. Wir bekommen
immerhin einen Teller mit frischem Obst, das ist auch ganz lecker.
Ein Gammel-Nachmittag liegt vor uns, denn es gibt nichts weiter zu
tun, als auf die Silvesterfeier zu warten. Der See hat beinahe
Badewannentemparatur und ist absolut ungeeignet, um sich bei dem
schwülen Wetter abzukühlen. Frank verschläft den frühen Abend, und ich
gehe irgendwann, als es schon dunkel ist, ins Restaurant rüber, damit
ich Frank nicht störe. Gerade als ich mich auf den Weg mache, fängt es
derartig an zu gießen, daß ich trotz Regenjacke ziemlich durchweicht
ankomme. Patrick ist auch da, und wir essen gemeinsam ein paar Sambos
(Maultaschen-artige Snacks, die sehr lecker sind) und trinken Rum mit
Vanille-Geschmack. Die Mädels aus dem Restaurant tanzen zu ein paar
Musikvideos, und die Jüngste, etwa zwei Jahre, ist eifrig mit dabei,
das ist echt süß.
Rechtzeitig zum Dinner um 21 Uhr wecke ich Frank
auf. Für das Dinner ist auf der überdachten Terasse gedeckt, und in
der Mitte steht ein Wassereimer unter einem Loch im Dach. Es ist
rappelvoll. Leider sind die Stühle ziemlich unbequem. Als Vorspeise
gibt es Meeresfrüchte-Cocktail, dann, etwa eine Stunde später, eine
Pastete mit undefinierbarer Füllung. Pasteten scheinen hier nicht so
üblich zu sein, denn alle Malegassen beäugen sie sehr mißtrauisch (die
Restaurantbesitzer haben europäische Vorfahren). Zwischen den
einzelnen Gängen tanzt die Chefin mit dem Küchenpersonal und den
mutigeren Gästen ausgelassen auf der Terasse zu der sehr ausgefallenen
Musikmischung. Als Hauptgang gibt es
Gans mit Reis, leider nicht mehr gans warm und die Gans besteht
überwiegend aus Knorpel und Glibber. Aber was soll's, welcome to
Africa! Der Nachtisch ist wieder sehr lecker, Obstsalat und ein Stück
Kuchen. Inzwischen ist es kurz vor Mitternacht und es wird für jeden
ein Glas Sekt eingeschenkt. Irgendwann ruft der Hausherr Bonne Annee!
und alle umarmen sich und küssen sich einmal links, einmal rechts (und
optional noch einmal links). Patrick ist nach den vielen Gläsern
Vanille-Rum schon recht schläfrig und zieht sich zurück, um mit seiner
Familie zu telefonieren. Er ist traurig, Silvester nicht bei ihnen
verbringen zu können.
Wir schlafen am nächsten Morgen bis neun Uhr, und abgesehen davon, daß
es auch bei uns durch's Dach tropft, genau auf Frank, und daß
gegenüber am anderen See-Ufer die ganze Nacht laut Musik läuft,
schlafen wir sogar recht gut. Zum Frühstück gibt's Baguette, Marmelade
und Omlette. Die Chefin erkundigt sich persönlich, wie wir geschlafen
haben, und erklärt dann, daß wir, wenn's durch's Dach tropft, eben das
Bett woanders hinstellen müßten, so mache man das hier. Sie könnten da
nichts machen, denn je nach Windrichtung würde es woanders tropfen, da
der Wind die Palmblätter verschiebt. Nagut. Die Handtücher sind immer
noch nicht trocken, wundert mich inzwischen gar nicht mehr.
Wir planen für den Vormittag einen Strandspaziergang. Wir gehen nach
Nordosten. Es ist sonnig und noch wärmer als gestern. Das Wasser des
Sees ist direkt am Strand definitv wärmer als meine Füße, also nix mit
abkühlen durch barfuß laufen. Als wir ein Stück gelaufen sind, macht
der Strand eine Linkskurve, und dahinter liegt ein ewig langes, leeres
Stück Strand ohne Boote, Restaurants, oder sonstige Hütten. Es ist
menschenleer. Mittendrin steht ein Baum, der genug Äste hat, um auch
in der fast senkrecht stehenden Mittagssonne noch einen Schatten zu
werfen. Da sitzen wir nun und gucken den Wellen zu, die an den Strand
plätschern. Das Wasser hat wie gestern die Temperatur einer heißen
Badewanne. Es ist sehr flach - man kann sehr weit rausgehen und guckt
immer noch zur Hälfte raus. Handtuch vergessen? Kein Problem,
Luftfeuchtigkeit ist sowieso 100% und alles fühlt sich feucht an.
Panther-Chamälein (Furcifer
pardalys).
Schließlich kriegen wir Hunger und gehen gemütlich zurück. Nach einem
kurzen Blick auf die Speisekarte des Les Acacias entscheiden wir,
lieber zu Chez Luigi zu gehen, einem italienischen Rstaurant, daß wir
gerstern bei der Herfahrt gesehen haben. Chez Luigi hat zwar einen
Pizzaofen, aber keine Pizza, und auch nur ein einziges Gericht im
Angebot: in Fett gekochte Calamari mit in Fett gekochten
Kartoffeln. Sautiert statt frittiert, d.h. fettig aber nicht
knusprig. Wir warten fast eine Stunde darauf. Anschließend gehen wir
zurück zum Les Acacias für einen weiteren
Strand-Gammel-Nachmittag. Patrick hat ein Chamäleon-Pärchen erspäht,
findet aber nur noch das Männchen wieder. Normalerweise sind
Chamäleons Einzelgänger, es war also Zufall, daß beide gerade zusammen
waren. Jedenfalls noch eine gute Gelegenheit für Fotos.
Die Viecher könne sich sehr lang
machen, wenn sie den nächsten Ast erreichen wollen.
Nach Anbruch der Dunkelheit machen wir mit
Patrick noch eine Exkursion die Straße entlang, um noch ein paar
nachtaktive Chamäleons zu sehen. Die halten sich aber bedekt; statt
dessen sehen wir einen Baumfrosch und ein paar leuchtend blaue Beeren,
die zu einer Art wildem Kaffee gehören. Bis dahin verbingen wir die
Zeit beim Billardspiel; der Tisch ist so uneben, daß es ein ziemliches
Glücksspiel wird.
Die nervige Musik, die hier den
ganzen Tag läuft, stellen wir ab, indem wir das Kabel aus dem
Lautsprecher ziehen. Anschließend essen Patrick
und ich noch eine Portion Spaghetti. Die Portion ist natürlich viel zu
groß, zumal wir am frühen Abend schon einen Teller Obst gegessen
haben. Sie heben den Rest aber gern für den nächsten Tag auf.
Da es abends wieder durch's Dach tropft, schlafe ich diesmal auf der
Regenseite und hänge zusätzlich meinen Rucksack-Regenschutz über das
Moskitonetz.
Heute müssen wir mal wieder früh aufstehen, denn Patrick hat für uns
eine Bootstour über den See und durch den Pangalanes-Kanal
organisiert. Es geht um 7:30 Uhr los. Das Motorboot hat gerade Platz
für vier Leute, und wir bekommen extra noch ein Tuck auf die Sitze
gelegt. Hilft nicht viel, unbequem ist es trotzdem, aber der gute
wille zählt. Wir brausen los, mit etwa 30 km/h quer über den See und
dann nach Norden in den nächsten See,
Lac Rasoamasay. Beide sind durch eine flache Stelle verbunden, an der
viele Holzstäbe reusenförmig im Wasser stecken – hier wird Fischfang
betrieben.
Durch den Pangalanes-Kanal.
Nach dem Lac Rasoamasay folgt ein Stück des
Pangalanes-Kanals, etwa 20m breit. Dieser Kanal wurde von den
Franzosen als Transportweg mit Hilfe von Sklavenarbeitern angelegt. Am
Ufer sehen wir gelegentlich Hütten und Einbaum-Boote
liegen. Schließlich erreichen wir den Lac Ampitabe, an dessen anderem
Ufer Ankanin'ny Nofy bzw. auf Englisch das
Hotel Palmarium liegt (Webseite). Das Hotel kann nur per Boot über den
Kanal erreicht werden. Es sind rehct viele (reiche) Touristen
hier. Zum Hotel gehört ein Pflanzen- und Lemuren-Park. Leider spricht
unser lokaler Führer diesmal kein Englisch und weiß auch nur die Namen
ausgewählter Pflanzen. Die reichenTouristen interessiert offenbar
nicht, wie das Zeug heißt, was da im Gebüsch so schön blüht. Dafür
hat er aber was besonderes zu zeigen: Lemuren, die einem aus der Hand
fressen.
Die erste Gruppe, die wir treffen, besteht aus mehreren
Arten, die von der Größe her gleich sind, darunter auch einige
Hybride.
Ein Stück
weiter treffen wir auf eine Familie Sifakas, ein Weibchen sogar mit Kind
auf dem Rücken. Auch sie sind ganz zahm, und das Weibchen ohne Kind
läßt sich sogar kraulen. Die Indris, die wir natürlich schon von
weitem hören, haben heute wohl schon genug Bananen gefressen und
bleiben auf ihren Bäumen sitzen.
Kannenpflanze (Nepenthes sp.).
Wir gehen also weiter zu den groß angekündigten fleischfressenden
Pflanzen. Zugegeben, diese Kannenpflanzen sind etwas größer als die
zuhause im Terrarium. Leider ist ausgerechnet hier der Weg
überschwemmt und wir komme nicht richtig nah dran, um gute Fotos zu
machen. Die Flora und Fauna in diesem Park ist wirklich recht
interessant.
Peucetia madagascariensis, die
Grüne Luchsspinne.
Am Ende unsers Rundganges setzen wir uns ins Restaurant des Hotels und
bestellen Zebu bzw. Huhn mit Reis. Nach langem Warten wird
uns langsam klar, warum Patrick uns geraten hatte, das
Essen vor dem Rundgang zu bestellen. Was wir natürlich nicht
gemacht haben: "Wer weiß, wieviel Hunger wir später haben." In der
Zwischenzeit machen wir noch ein paar Fotos unserer Umgebung, vor
allem eine Katze mit zwei verschiedenfarbigen Augen eignet sich als
Motiv.
Nach etwa 90 Minuten kommt unser Essen.
Der indische Ozean hat ganz schön große
Wellen, kaltes Wasser und Haifische. Trotzdem fahren die Fischer mit
ihren kleinen Einbäumen dort hinaus.
Bald danach machen wir uns
wieder auf den Rückweg. Irgendwann am Ostufer des Kanals legen wir
nochmal an, um das Fischerdorf Ampanotoamaizina zu
besuchen. Welch Attraktion: gerade als wir ankommen, hält am Bahnhof
des Ortes ein Zug, eine echte Eisenbahn mit funktionierender
Lokomotive, zwei Güterwagen und einem Personenwagen! Das halbe Dorf
ist auf den Beinen. Als der Zug abfährt, verläuft sich die Menge recht
schnell. Praktisch auf der anderen Seite der Schienen, keine 200m vom
Kanal entfernt, beginnt der indische Ozean. Hier am Strand sehen wir
wohl das erste Mal überhaupt in diesem Urlaub spielende Kinder – sie
laufen in den Wellen am Ufer herum und sammeln kleine Muscheln.
Das Rauschen der Wellen ist noch bis auf die andere Seite des Lac
Rasoabe in unserem Hotel zu hören.
Die Wellen auf dem Lac Rasoabe sind inzwischen durch den
auffrischenden Wind auch größer geworden, und wir werden ganz schön
durchgeschüttelt. Vorteil meiner Frisur: die Haare können trotz des
Windes nicht noch mehr verknoten.
Wir verbringen noch einen gemütlichen Nachmittag im See, in der
Dusche und im Restaurant. Patrick zeigt uns noch ein paar Videos von
anderen Touren, die Tanala Horizon anbietet, darunter eine Kanutour auf
dem Pangalanes-Kanal. Die Tour verläuft südlich von hier, da soll es
im Durchschnitt noch wärmer sein als hier.
Ach ja, diesen Nachmittag haben wir endlich die Handtücher bekommen.
Dies wird unsere letzte Nacht in Madagaskar, morgen geht's zurück nach
Tana und morgen Abend werden wir schon am Flughafen in AntananaRivo sein.
Einige Fotos (c) Frank Spychaslki.