Trekkingtour zum Jbel Sirwa
Los geht's!
Mahfoud (vorne links) überwacht das Beladen des Maultiers. Vorn der Maultierführer Mohamed, rechts hinten der Bergführer Mohamed.
Duschen, anziehen, Geld holen — der Automat redet nicht mit jedem. Dann zum Frühstück ins restaurant. Jeden Tag sind (andere) europäische Touristen hier. Das Maultier für unsere Tour steht auch schon bereit. Der Treiber ist wohl nachts um drei losmarschiert, um heute morgen rechtzeitig hier anzukommen. Wir bringen unsere Sachen herunter und stellen sie zu dem beeindruckenden Stapel an Zeugs, den der Bergführer Mohamed und Mahfouds Bruder und Cousin schon zusammengetragen haben. Mahfoud hat streng verboten, daß wir unsere eigenen Isomatten mitnehmen; die Matratzen, die er für uns mitnehme, wären viel bequemer. Es sind Riesendinger aus Schaumstoff. Genauso entsetzt hatte er von Touristen berichtet, die sich nur von Trekkingmalzeiten aus der Tüte ernähren würden, also haben wir unsere Notfallrationen ganz tief unten in dem Rucksack versteckt, den wir hier lassen. Das arme Maultier guckt nicht sehr glücklich, während es beladen wird, aber das gehört wohl so. Mahfoud drückt uns beiden noch je eine große Tüte mit frischen Datteln in die Hand (wozu genau haben wir eigentlich Nüsse usw. gekauft?), und schon geht's los. Während Maultier und Treiber (der Treiber heißt ebenfalls Mohamed) der Straße am Fluß entlang folgen, verlassen wir diese bald und gehen auf kleinen Pfaden querfeldein. Das Wetter ist mittelmäßig, grau mit einer Tendenz zu Regen, aber außer ein paar Tropfen passiert nix.
Gegen 12 Uhr machen wir Mittagspause auf einer frischen grünen Wiese in
Tabia-n-Ighil. Zuerst mal müssen wir auf das Maultier warten, das schon nach kurzer Zeit eintrifft. Es freut sich sehr über das frische Gras. Alles Gepäck wird abgeladen, eine Bastmatte (allerdings aus Plastik, wie man an den durch Hitze geschmolzenen Stellen sieht) ausgebreitet und unsere Matratzen darauf zum Sitzen bereit gelegt. Das Geschirr wird ausgepackt und frisches Gemüse und Dosenfisch hervorgeholt. Nicht zu vergesen natürlich eine Kollektion an Wasserkesseln, mit denen zuerst mal Tee zubereitet wird. Ungläubig beobachten wir die Prozedur. Dann beeilen wir uns, beim Salat schneiden zu helfen, kommen wir uns doch rehct albern vor, uns von vorn bis hinten bedienen zu lassen. Tomaten, Gurken, Paprika, alles in kleine Würfelchen, dann eine Dose Mais, ein paar Deko-Oliven und nicht zu vergessen eine Limette, denn der Salat muß natürlich mit Limettenscheiben garniert werden. Dazu gibt's dann Berber-Fladenbrot und Sardinen in Öl und in Tomatensoße und Thunfisch. Marokko ist der weltgrößte Exporteur von Ölsardinen, und anscheinend werden sie auch vor Ort gern gegessen, zumindest auf Trekkingtouren. Zum Glück kann Esther die beiden Mohameds überreden, gemeinsam mit uns zu essen, statt zu warten, bis wir fertig sind — das hätte uns noch gefehlt! Die beiden können Fisch und Salat nur mit dem Brot und den Fingern essen; wir nehmen die Gabel zu Hilfe, damit wir überhaupt mal was in den Mund kriegen.
Reichlich vollgestopft verschmähen wir dann den Nachtisch, Äpfel und Grapefruits, der wiederum extra für uns bereitgestellt wird.
Safran-Krokus und Feigenkaktus.
Mahfoud kommt mit dem Auto vorbei; er hat unseren Rucksack und einigen anderen Kram, den das Maultier wegen Überlastung nicht mehr tragen konnte, in das Dorf gebracht, in dem wir heute Abend übernachten werden. Morgen werden wir ein zweites Maultier dazu kriegen. es stellt sich raus, daß diese grüne Wiese, das Land darumherum, einschließlich eines halbfertigen Hauses, eines Wasserspeicher-Beckens und der Safran-Felder, alles Mahfoud gehört. Naja, irgendwie logisch, man kann sich ja nicht mit einem Maultier und einem Haufen Touristen auf einer Wiese breitmachen, die einem gar nicht gehört. Bewässerte, grüne Flächen sind ja trotz des Regens der letzten Tage eher selten hier.
Reste eines Agadirs = Kornspeichers.
Esther mit einer Berberfrau in typischer Kleidung.
Nach etwa zwei Stunden haben Mohamed und Mohamed alles wieder auf dem Maultier verstaut und es geht weiter. Ab jetzt führt der Weg immer die Straße entlang, parallel zum Fluß, überquert schließlich das stellenweise komplett ausgetrocknete Flußbett (bzw. führt direkt darin entlang) und führt am Südufer den Hand hinauf durch Felder und an Häusern vorbei. Hier sind überall Häuser, von wegen unberührte Wildnis. Wir sehen auch zwei Agadirs: befestigte Kornspeicher, die schwer zugänglich auf Hügeln gebaut wurden. Weitere Sehenswürdigkeit ist ein Johannisbrotbaum (franz. Caroubier ?), dessen Früchte laut Mohamed als Vorbild für die Gewichtseinheit Unze dienten.
Schließlich erreichen wir unser Ziel für heute, das Haus des Dorfvorstehers von Akhfamane. Seine Schwester Aischa, die für die Küche zuständig ist, heißt uns willkommen; sie spricht leider kein französisch. Wir werden in ein Empfangszimmer geführt, daß mit Teppichen und dicken Polstern ausgelegt ist, und es werden Tee, Kekse und Mandeln serviert. Hier werden Esther und ich auch schlafen. Das Zimmer liegt an einem Innenhof, in dessen Mitte ein Baum wächst. Hinten raus geht's zum Plumpsklo, das sich in einem Anbau befindet. Hier gibt's, wie in Marokko allgemein üblich, statt Klopapier einen Eimer mit Wasser zum Spülen und Händewaschen (die linke Hand wird zum Hintern abwischen verwendet, und die rechte zum Essen). Und es gibt elektrisches Licht, was ganz nützlich ist, da der Raum keine Fenster hat. In einem weiteren, unmöblierten Zimmer stellt Mohamed den Kocher auf und beginnt unter Aischas strengen Blicken mit den Vorbereitungen für's Abendessen. Es gibt wohl ein Problem mit einer der Gaskartuschen; der Kochaufsatz läßt sich nicht dranschrauben. Nach einigem Hin und Her ist das aber scheinbar gelöst, und uns wird zuerst eine Harira-Suppe serviert und dann Tajine mit Fleisch. In dem Raum, der nur ein Fenster (ohne Glas) zum Innenhof hin hat, gibt es ebenfalls elektrisches Licht.
Nach dem Essen gehen wir bald ins Bett; die dicken Polster werden zur Seite geräumt, damit Platz für unsere Schaumstoff-Matratzen ist (auf die Mohamed, der Maultiertreiber, beim Abendessen Suppe gekleckert hat). Im Zimmer riecht es deutlich nach Ziege, aber egal. Wir machen trotzdem alle Fensterläden zu, denn es zieht doch recht kalt herein von draußen. Die Nacht ist sehr ruhig.
Von Akhfamane nach Ti-n-Iddr
Frühstück um acht. Wir sind immer wieder überrascht von der Menge Zucker, die in eine Teekanne paßt. Zusätzlich gibt es Brot, Marmelade und einen speziellen französischen Frischkäse, der überall in Afrika verbreitet zu sein scheint. Außerdem ein Schälchen Ölivenöl und löslichen Kaffee. Es wurde in der Tat ein zweites Maultier beschafft, oder vielleicht ist es ein Esel, jedenfalls grau und kleiner als "unser" Maultier. Namen haben die Viecher nicht. Unser Gepäck aufzuladen dauert einige Zeit, Aischa mischt natürlich kräftig mit, und auch Fatima, eine andere Frau aus dem Haus, ist beteiligt. Dann geht's los, wieder die Straße entlang, mit einigen Abschneidern in den Kurven. Die haben hier offenbar, anders als in den Alpen, keine Schilder "Abschneider zerstören die Vegetation". Aber es wächst ja auch nicht viel, das zerstört werden könnte. Fatima kommt ein Stück mit, um auf das zweite Maultier aufzupassen. Sie und Mohamed (der Treiber) sind die ganze Zeit am Quatschen; vor allem Mohamed redet gern und viel. Worüber Maultiertreiber unter sich wohl so sprechen?
Rosmarin wächst hier überall.
Das Wetter ist bedeckt und diesig, die Gipfel und Grate um uns herum sind in den Wolken. Dennoch ist die Landschaft sehr schön. Wir sehen eine ganze Weile keine anderen Menschen und schließlich verschwindet auch die Stromleitung, die uns bisher begleitet hat. Ein Stück geht's wieder im Flußtal entlang. Kurze Pause unter einem Pistazienbaum. Die frischen Datteln sind wirlich lecker, dennoch wird es eine Herausforderung werden, alle bis zum Ende der Tour aufzuessen.
Mit Sofia und Saina beim Safran zupfen.
Wir treffen Achmed, einen alten Freund von Mohameds (der Führer) Vater. Er saß einfach so am Wegrand und kommt jetzt mit, um mit dem zweiten Maultier zu helfen, denn Fatima ist inzwischen wieder umgekehrt. Nach etwa drei Stunden erreichen wir das Dorf
Mazwad. Auf irgendeine Weise landen wir da bei einer Gruppe Frauen, die gerade am Safran zupfen sind und unbedingt Fotos mit uns machen wollen. Mohamed setzt sich und uns dazu, und dann läßt er uns dort, während er sich davonmacht, um sich um das Mittagessen zu kümmern. Wir werden in Kopftücher gewickelt, abgeküßt und immer wieder genötigt, alles zu fotografieren; uns werden Tee und Mandeln angeboten, und natürlich helfen wir mit dem Safran. Nach einer gefühlten Ewigkeit, unsere Füße sind schon lange vom Sitzen am niedrigen Tisch eingeschlafen, kommt Mohamed zurück und holt uns zum Essen ab.
Wir folgen einem ausgetrockneten, vermüllten Bachlauf Richtung Fluß. Die Bastmatte wartet auf einer Terrasse oberhalb des Flusses auf uns; das Gelände sieht recht instabil aus, als würde es beim nächsten Hochwasser weggespült (insbesondere, weil ein kleiner Junge sich einen Spaß daraus macht, am Rand herumzuklettern und Stücke herunterzutreten). Da sage noch mal einer, ich wäre dekadent, weil ich gelegentlich beim Wandern ein Sitzkissen einpacke: wir haben diese riesige Bastmatte und drei Schaumstoffmatratzen, in deren Mitte wie auf einem richtigen Tisch gedeckt wird: Salat, Ölsardinen, Reis und Brot, und vornehm in Servietten eingewickeltes Besteck. Und das frisch gewaschene Obst zum Nachtisch, und den Tee nicht zu vergessen, der stets reichlich nachgeschenkt wird. Gut, daß wir außer dem Wort "sta" (essen) auch das Wort "safi" (genug) gelernt haben! Schade nur, daß die Bastmatte im Schatten unter den Bäumen liegt — um diese Jahreszeit wäre es doch in der Sonne angenehmer, aber es wird wohl davon ausgegangen, daß man diesen bleichen Europäern die pralle Sonne nicht zumuten kann. Die Reste des viel zu reichlichen Essens werden an den kleinen Jungen verschenkt.
Nach insgesamt über drei Stunden Mittagspause geht es wieder den Bachlauf hinauf zurück zur Straße, und dann weiter die Sandpiste entlang, die große Schlucht aufwärts in die Berge. Überall sieht man Spuren von Erdrutschen und Schlammlawinen, die teilweise auch die Straße zerstört haben. Diese wurde dann mit Hilfe unbefestigter Steinmauern wieder aufgebaut. Gegen 16:30 Uhr erreichen wir das Dorf
Ti-n-Iddr, wo wir die Nacht verbringen werden. Außerdem soll hier der kleine Esel gegen ein größeres Maultier getauscht werden. Wie wir uns ja gewünscht hatten, werden wir hier zelten statt im Haus eines Dorfbewohners zu übernachten. Was wir uns nicht gewünscht hatten, ist, daß der Zeltplatz mitten im Dorf liegt, mit hartem, steinigem Untergrund (auf einem Dreschplatz) und direkt neben dem brummenden Generator. Zuerst mal werden wir aber wieder in ein Haus gebeten (das dem Besitzer des nächsten, größeren Maultieres gehört, der ebenfalls Mohamed heißt) und kriegen Tee und Nüsse serviert. Bevor es ganz dunkel ist, beschließen wir noch auf eigene Faust das Dorf zu erkunden und vielleicht eine Gelegenheit zu finden, im Fluß zu baden. Ein steiler Pfad führt zum Wasser hinunter, das eiskalt und sehr erfrischend ist. Da aber ständig Leute vorbeikommen, können wir kein Bad nehmen, sondern bechränken uns darauf, Füße und Gesicht zu waschen. Wir füllen auch eine Flasche mit Wasser, das wir zum Händewaschen und Zähneputzen benutzen wollen, denn laut Mohamed ist die Toilette heute Abend "à la nature". (Was ja auch für abends im Dunkeln okay ist, aber morgens kann dann das ganze Dorf zuschauen... gut, daß es in Mohameds Haus auch noch ein Plumpsklo mit Tür gibt, das wir morgens benutzen dürfen). Wir bauen vor dem Abendessen noch die Zelte auf; Mohamed, der Führer, schläft auch in einem Zelt. Der Dreschplatz ist dem Projekt, Heringe einzuschlagen, nicht sehr zugetan; gut, daß unser Kuppelzelt auch so steht und es nicht windig ist.
Gegen 18 Uhr wird es dunkel, was in dem fensterlosen Raum in Mohameds (der zweite Maultiertreiber) Haus, in dem gekocht werden soll, etwas unpraktisch ist, weil anfangs ständig der Strom ausfällt. Mohamed (der Führer) beschafft schließlich eine Kerze und macht sich daran, das Abendessen zuzubereiten. Soviel zu Mahfouds Abneigung gegenüber Touristen, die sich von Tütenessen ernähren: die traditionelle marokkanische Kichererbsensuppe, Harira, ist von Maggi und kommt auch aus der Tüte. Hinterher gibt es Omelett mit Tomaten, und natürlich Obst zum Nachtisch. Wir haben inzwischen Übung und schaffen drei der vier Früchte.
Die Berber (Mohamed, Mohamed, Mohamed und Achmed) unterhalten sich den ganzen Abend über angeregt, und Achmed, der etwas französisch spricht, gibt sich alle Mühe, uns und insbesondere Esther ein paar Worte der Berbersprache beizubringen. Akijout und Takijout, männliches und weibliches Hühnerküken, und Afulys und Tafulys, Hahn und Henne. Eqrain, die Dattel — man spricht das Q wie ein K, nur daß man dabei gleichzeitig husten muß, ohne wirklich zu husten. Achmed lachst sich kaputt über unsere Ausspracheversuche!
Es stellt sich raus, daß der Generator zu allem Überfluß auch noch beleuchtet ist. Er brummelt uns in den Schlaf. Es ist recht kalt, aber nicht sternklar, da nach einem sonnigen Nachmittag abends Wolken aufzogen.
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