Genußtour auf die Zugspitze
29./30. Oktober 2011
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Da dachte ich, nach einem Jahr in England weiß ich alles über Schafe, und dann das! Habe jetzt gelernt, es gibt Winterschafe, die im Herbst ihre Lämmer kriegen.
Wenn ich nun schon mal in der Gegend bin, sollte ich ja die Gelegenheit nutzen, mal auf die Zugspitze zu laufen. Wenn dazu noch so ein phantastisches Herbstwetter ist, umso besser. Ich hab mal gehört, daß es ganz nützlich ist, wenn man in den Bergen eine Wanderkarte dabei hat, also noch schnell zum Buchladen (sowas gibt's hier auf dem Dorf sogar auch!). Allerdings muß er die Karte erst bestellen, kann ich Samstag um 11 Uhr abholen. Na dann kann ich wenigstens ausschlafen und in Ruhe meine Sachen packen.
Herbststimmung im Partnachtal.
Am Samstag geht's also bei strahlendem Sonnenschein zunächst mit dem Auto nach Garmisch-Partenkirchen, wo es einen Bezahl-Übernacht-Parkplatz gibt. Und einen Wechselautomaten, aus dem man das nötige Kleingeld für den Parkplatz kriegt. Hier ist halt an alles gedacht
Da ich die Partnachklamm schon kenne, geht's außen dran vorbei über die Partnachalm, und dann das Reintal aufwärts. Da es schon nachmittag ist, scheint die Sonne hier nicht mehr hinein, aber die Landschaft ist trotzdem phantastisch.
Ob man nach unten in die Schlucht oder nach oben zu den Felswänden guckt, die Landschaft ist beeindruckend.
Bald bin ich an der
Bockhütte, die ist aber (wie alle anderen auch) zu und ich gehe gleich weiter. Es sind nicht gerade viele Leute unterwegs. Und die wenigen sind wesentlich bessere Gesellschaft als der durchschnittliche Schwarzwald-Wanderer: nicht einer fragt, ob ich nicht Angst hätte alleine, sie sind höchstens besorgt, daß es mir nachts zu kalt werden könnte. Ich erfahre, daß sowohl die Reintalangerhütte als auch die Knorrhütte einen Winterraum haben (auf die Idee bin ich gar nicht gekommen - wozu gibt's denn Biwaksäcke!). Die Leute, die schon in der
Reintalangerhütte einquartiert sind, fragen dreimal nach, ob ich nicht doch lieber bleiben wolle, und sagen, daß ich, falls ich es mir auf dem weiteren Weg anders überlegen sollte, ich jederzeit auch nachts noch reinkommen könnte. Allerdings ist es da erst 17 Uhr und ich will noch ein Stück weiter - was Du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen, wahrscheinlich nicht die schlechteste Idee, wenn man noch 1600 Höhenmeter vor sich hat! Sie empfehlen mir, noch im Tal zu biwakieren, da es auf dem Steig dann keine guten Möglichkeiten mehr gäbe. Aber so ein Biwaksack paßt immer noch, denke ich mir, und mache mich an den Aufstieg.
Erdrutsche gibt's auch (links, ein Prachtexemplar, die großen Felsblocken ganz vorne und das kleinere Geröll weiter hinten, wie es sich gehört), und vom Wasser erodierter 'Talus', Geröllhaufen am Fuß einer Felswand (rechts).
Außerdem ist auf der zugegebenen einladend aussehenden Ebene am Ende des Tals mitten drauf dieser
schöne Erdrutsch, der dann wieder doch nicht so einladend aussieht zum übernachten...
Perfekter Biwakplatz mit Felsen-Regalen rechts und links zum Abstellen der persönlichen Gegenstände. Rucksack als Windschutz.
Und nach etwa einer Stunde Aufstieg finde ich dann auch den perfekten Biwakplatz: eine kleine Grasfläche mitten zwischen den Felsen. Gerade breit genug für den Biwaksack und den Kocher, nach Osten — zur Morgensonne hin — offen und mit einem wundervollen Panoramablick beim Abendessen. Es gibt Tomatensuppe, belegte Brote und ein paar Stückchen echte Schweizer Schokolade, die Esther und James mir geschickt haben. Karamell und mit wellenfärmig-rundlichen Stücken statt viereckig, denn die Form beeinflußt den Geschmack ja auch, wie die Packung mich aufklärt. Jammi!
Die Nacht wird phantastisch. Es weht ein leichter Wind, der manchmal etwas an der Nasenspitze
kitzelt, aber ansonsten ist es eher zu warm als zu kalt. Kaum habe ich mich zurückgelehnt, sehe ich den Sternenhimmel und die Milchstraße über mir, und im Laufe der Nacht sehe ich jede Menge Sternschnuppen und auch Satelliten vorbeifliegen. Der Mond ist schon abends untergegangen und es ist trotzdem nicht richtig dunkel, weil die Sterne leuchten. Jedes Mal, wenn ich aufwache, fällt es mir schwer, wieder einzuschlafen, weil die Aussicht so schön ist. Und im Gegensatz zum Schwarzwald fürchte ich tatsächlich nicht, hier überfallen zu werden.
Am nächsten Morgen bin ich ganz überrascht, als ich auf die Uhr schaue, daß es noch so früh ist — Zeitumstellung! Wie praktisch, habe ich eine Stunde länger Zeit. Der Plan, mich von der Sonne wecken zu lassen oder wenigstens in der Sonne zu frühstücken, geht nicht so ganz auf, dafür bin ich trotzdem noch zu früh dran, aber dafür kann ich den Sonnenaufgang und die rosa Wolken über den Bergen beobachten.
Der Tee in der Thermoskanne ist noch warm, also beschließe ich, den Kocher erst mal nicht anzuwerfen und dafür später nach guter Hobbit-Manier eine zweite Frühstückspause einzulegen. Der restliche Aufstieg bis zur
Knorrhütte kommt mir nicht mehr sehr lang vor. Dort treffe ich auf zwei junge Männer, die auch zur Zugspitze wollen. Wie stellen Vermutungen an, wie der weitere Weg aussieht, denn keiner von uns kennt die Strecke, die noch vor uns liegt.
Das Plateau der Zugspitze: 'Auf dem Platt'. Die Zugspitze selber ist noch nicht zu sehen.
Alpenschneehuhn (Lagopus muta).
Auf dem Zugspitzplateau angekommen, wird der Schnee, der bisher nur in einzelnen Flecken auftrat, dicker und es gibt über weite Strecken eine zusammenhängende Schneedecke. Den Weg kann ich noch gut erkennen, weil es ausgetretene Spuren gibt, die das Gehen allerdings auch nur bedingt einfacher machen. Denn inzwischen hat die Sonne schon ganz schön Kraft, so daß der Schnee angetaut und etwas matschig ist und ich ab und zu bis zum Knie einsacke. Außerdem scheint sie mir auf den Hintern, der sich dadurch ziemlich aufwärmt. Ein komisches Gefühl. Aber beim zweiten Frühstück definitiv sehr praktisch, die Wärme! Ich koche Tee, um die Thermoskanne wieder aufzufüllen, und esse mein zweites gekochtes Ei.
Ein weiterer Höhepunkt dieser Tour ist die Begegnung mit einem Schneehuhn. Da das Vieh sehr nervös ist, mache ich einen kleinen Umweg, um es nicht unnötig aufzuscheuchen (trotz des matschigen Schnees).
Der angetaute Schnee glänzt in der Sonne.
Hier soll es dann hochgehen. Bis zum Ende des Schneefeldes sind es ungefähr 200 Höhenmeter. Danach kommt dann ein Steig. Das Gebäude ist eine meteorologische Station.
Dann kommen mir zwei Jungs entgegen, die heute früh schon auf dem Gipfel waren. Sie sehen ziemlich fit aus. Unvorsichtigerweise frage ich sie "Wie weit ist es noch?". Und sie sagen, da käme noch ein verdammt kraftraubender Anstieg über ein Schneefeld... meine Lieblingslandschaft. Und kraftraubend? - ich schnaufe jetzt schon! Nagut. Irgendwie kann ich die Spur der Jungs nicht finden, sie ist wohl durch die Sonne schon wieder aufgetaut. Jedenfalls muß ich meine eigenen Stufen treten, eine wahrlich kraftraubende Sache! Der Rucksack zerrt an meinen Schultern. Zwei Schritte, schauf, noch zwei Schritte, schnauf-schnauf. Einmal sacke ich beim Auftreten bis zum Oberschenkel ein und verliere das Gleichgewicht, ich liege Kopf bergabwärts auf dem Rücken und es fühlt sich an, als würde nur mein im Schnee feststeckender Fuß mich noch auf dem Berg halten. Zum Glück habe ich die Stöcke dabei (Danke für den Tipp, Frank) und kann mich wieder hochwurschteln. Endlich erreiche ich das Ende des Schneefeldes und nutze den ersten kleinen Felsvorsprung, um mich hinzusetzen und auszuruhen.
Und so sieht das Schneefeld von oben aus. Der kleine schwarze Punkt am unteren Ende ist ein Mann, der auch aufsteigt.
Das tue ich ausgiebig. Nach mir kommt ein älterer Mann hochgestapft, der immer wieder betont, wie sehr er sich darüber freut, daß ich schon die Spur getreten habe! Und dann erzählt er beiläufig, daß er heute morgen um die gleiche Zeit losgegangen sei wie ich, nur eben direkt in Partenkirchen statt auf halber Strecke... seinen Vorschlag, daß ich weiter vorangehen dürfe, lehne ich dankend ab. Dann bietet er an, mir mit dem Rucksack zu helfen, aber das kann ich natürlich — schnauf — auch nicht annehmen. Und tatsächlich wird es jetzt besser, hier fängt so eine Art Klettersteig oder gesicherter Steig an und die schon fertig getretene Spur erleichtert mir die Sache erheblich. Nur nicht runtergucken. Das Stahlseil ist ab und an im Schnee vergraben, nicht so praktisch, aber die Spuren sagen mir ja, wo ich hintreten muß, um nicht runterzufallen.
Auf den Fotos sieht es nie so steil aus, wie es war.
Und dann kommt so ein Grat. 10m lang oder mehr. Gerade eine Fußspur breit. Ohne Stahlseil. Aber was hilft's — über das Schneefeld gehe ich bestimmt nicht zurück! Also fest die Spuren im Blick und drüber. Hier sind jetzt schon mehr Leute unterwegs, sie kommen oft von der anderen Seite herauf, mit Steigeisen und Pickeln. Einige wollen weiter zur Knorrhütte und erkundigen sich nach dem Weg. Jetzt kann ich auch die beiden Jungs aus der Knorrhütte sehen, sie haben es sich wohl anders überlegt und gehen "nur" bis zum Zugspitzplatt, von wo aus dann die Zahnradbahn runterfährt.
Und dann bin ich oben auf der Zugspitze. Was für ein Touristenrummel! Deswegen sagt man, "Der Weg ist das Ziel." Das Ziel ist nämlich irgendwie ernüchternd. Den Plan, hier in Ruhe eine Apfelschorle zu trinken, gebe ich auf, ich komme mir vor wie ein Alien mit dem riesigen Rucksack und den Bergstiefeln zwischen all den Turnschuh-und-Skibrillen-Trägern. Also nur schnell ein paar Panoramafotos in alle Richtungen geschossen. Die Sichtweite soll heute ~100km betragen. Ich bin noch nicht mal richtig oben, es fehlen noch ein paar Meter, hinter einer Tür, an der "Achtung! Sie verlassen den gesicherten Bereich!" steht. Der Weg sieht vereist aus und endet an einer Treppe aus Stahlkrampen, die in den Berg geschlagen sind. Muß ich jetzt nicht unbedingt haben, ich hab zwar Grödel dabei, aber keine Lust, auf den letzten 20 Metern doch noch abzustürzen. Und, davon abgesehen, mit dem Rucksack da rüberzukrabbeln, oder den Rucksack hier mitten im Touri-Rummel stehen zu lassen.
Rückblick von der Talstation zum Gipfel.
Also dann wieder runter. Seilbahnfahrt 24 Euro. Irgendwie macht mich das mißtrauisch, daß die Fahrkartenverkäuferin sagt, die Talstation wäre 4km vom Bahnhof der Zugspitzbahn entfernt, obwohl es auf der Karte doch ganz dicht ausgesehen hat? Aber ich bin k.o. genug, daß mich das nicht wirklich interessiert. Erst als ich schon unterwegs bin, kommt mir die Idee, daß ich in der falschen Seilbahn sitze, nach
Ehrwald statt zum Eibsee. Dafür bietet diese hier nochmal einen schönen seitlichen Blick auf den Grat, über den ich da tatsächlich rübergelaufen bin!
Naja, was sind schon 4km? Ganz schön lang, wenn da noch der Bergrücken zum Nachbartal mit 250 Höhenmetern bis zur
Hochthörlehütte dazwischen ist! Da ist nochmal eine gemütliche Pause angesagt, während der ich in der Sonne fast einschlafe. Immerhin schaffe ich es rechtzeitig zum vorletzen Zug zum Bahnhof
Eibsee (der tatsächlich dicht an der Talstation der Eibsee-Seilbahn liegt) und muß nichtmal lange warten — die Zugspitzbahn fährt nämlich nur stündlich, aber ich bin gerade mal 10 Minuten vor der Abfahrtszeit da. Es ist ein echter Bummelzug, so daß ich erst um halb sieben in Garmisch-Partenkirchen am
Parkplatz ankomme. Erschöpft, aber glücklich und zufrieden.