Griechenland 2004 — Πινδoς und Oλυμπoς
Anreise — Dienstag, der 8. Juni 2004
Wir — Physi, Vincent und Ute — treffen uns um viertel vor neun auf
dem Flughafen Stuttgart. Interessant, daß alle fast gleichzeitig
losgefahren sind aus Untergrombach, Heidelberg, und Schwieberdingen
und auch gleichzeitig hier eintreffen — es lebe der stuttgarter
ÖPNV.
Der Flug nach Θεσσαλoνικη verläuft
ereignislos, außer daß die Passagiere bei der Landung alle anfangen,
zu klatschen — Touristen eben und keine Geschäftsreisenden. Die
Bushaltestelle am Flughafen
Θεσσαλoνικη ist direkt vor dem Gebäude, und während wir auf den Bus
warten, wird zunächst das GPS getestet, es scheint zu
funktionieren. Die Busfahrt vom Flughafen quer durch die Stadt zum
Fernbusbahnhof dauert fast eine Stunde, der Bus ist ziemlich voll und
nicht klimatisiert. Da ist es gut, daß wir dann noch eine halbe Stunde
Zeit haben, um uns mit Cola (Ute) und Chips (für Vincent) zu
versorgen.
Der Fernreisebus nach Iωαννινα ist klimatisiert. Die Fahrt dauert 6
Stunden und geht über Λαρισα. In Kαλαμβακα bei den Mετεoρα-Klöstern
gibt es eine kurze Pause, die gerade ausreicht, um einen warmen
Blätterteigfladen mit Käse zu futtern. Der Busfahrer, der auf der
Autobahn noch sehr zivilisiert fuhr, überholt in den Serpentinen die
langsameren LKWs. Es geht über einen Paß, von dem aus man den Quellsee
des Aωoς sehen können müßte, und dann sind wir mitten im
Πινδoς-Gebirge. Das GPS funktioiert auch im Bus und zeigt die
wahnwitzige Geschwindigkeit von 80 km/h an.
In Iωαννινα kommen wir um 21.40 Uhr an und finden recht
schnell das Hotel Paris, denn Felix hat aus dem Lonely Planet den
entsprechenden Teil des Stadplans (zwischen Busbahnhof und Hotel)
abgezeichnet. Es ist ein Budget-Hotel und wird als sauber beschrieben,
abgesehen davon, daß die Klospülung in der Damentoilette nur nach
gutem Zureden funktioniert. Wir zahlen 35 Euro für ein
Dreibettzimmer.
Natürlich wollen wir ein zünftiges griechisches Abendessen, am Besten
einen Salat. Damit wir den Rückweg finden, markieren wir per GPS die
Position des Hotels und machen uns dann munter auf den Weg Richtung
Innenstadt. Da gibt es allerhand Läden und massenhaft Tραπεζαs, aber
kein einziges gemütliches und günstiges Restaurant. Nachdem wir in
einem Take-Away jeder einen Γυρoς-Πιτα bestellt und auf einer Bank nebendran verzehrt
haben (unterbrochen von einer Kakerlake und einem großen Viech in Utes
Haaren), wollen wir noch einen Blick auf die historische Altstadt
werfen. Die sieht bei Nacht nicht besonders einladend und belebt
aus. Also machen wir uns — GPS-gesteuert — auf den Rückweg. Und
siehe da, rasch erreichen wir den See, den wir schon auf der Hinfahrt
vom Bus aus betrachten konnten und an den wir eigentlich sowieso
wollten, den wir aber nicht finden konnten. Außerdem gibt's da jede
Menge interessant aussehender Restaurants, wenn auch alles sehr
touristisch. Schade, daß wir schon gegessen haben. Und schade auch,
daß das GPS behauptet, das Hotel liege ungefähr 150 m vor der Küste des
Sees im Wasser ... Also wird das manuelle Navigationssystem
angeschaltet: Physi und Vincent gemeinsam schaffen es, sich an unseren
Her-Weg zu erinnern und by backtracking erreichen wir sicher wieder
unser Hotel. 2 Minuten vor Mitternacht sind wir schließlich in der
Falle.
Weiterreise und erster Wandertag — Mittwoch, 9. Juni
Abgesehen von einer Mücke, die Physi und Vincent veranlaßt, ihre
Autan-Flaschen auszupacken, verläuft die Nacht ungestört und wir
machen uns am nächsten Morgen auf, unsere Vorräte zu ergänzen und
Frühstück zu besorgen. Im Supermarkt finden wir auch auf Anhieb
Gaskartuschen in allen Formen und Farben — nur schade, daß wir einen
Benzinkocher haben, denn Benzin gibt es hier nicht. Gegenüber im
Rasenmäher-Laden allerdings füllt uns der Besitzer unsere
Benzinflasche ganz umsonst, obwohl wir einige Überzeugungskunst
aufbringen mußten, um ihm dazu zu bringen, zu glauben, daß wir
tatsächlich ganz normales Benzin haben wollen. Das Frühstück besorgen
wir in einer Bäckerei, wo jeder von uns einzeln ein Schokocroissant
bestellt (bzw. ein Nutella-bestrichenes normales Croissant).
Um 10.30 Uhr geht's mit dem Bus weiter nach Koνιτσα, wo wir
gegen 12.30 Uhr eintreffen. Unser Versuch, sicherzustellen, daß am Sonntag
von Moνoδενδρι aus ein Bus zurück nach Iωαννινα fährt,
schlägt fehl, obwohl ein englischsprachiger
Busgesellschafts-Mitarbeiter und zwei ältere ehemalige deutsche
Gastarbeiter uns helfen wollen — weil sie nicht kapieren, daß wir
nicht von Koνιτσα, sondern von Moνoδενδρι aus zurück
nach Iωαννινα wollen und zu Fuß von Koνιτσα nach
Moνoδενδρι.
Naja, macht nix, wir marschieren los, nachdem wir
Koνιτσα per GPS markiert haben. Auf der alten
Steinbrücke (eine von der Sorte, für die diese Gegend so bekannt ist),
die gleich hinter dem Dorf den Aωoς überquert, machen wir
das erste mal Rast — das Ende der Zivilisation wird eingeläutet,
indem die Hüllen (T-Shirts, Hemden, Hosenbeine) fallen. Entlang des
Flusses marschieren wir in die Aωoς -Schlucht und zum
Kloster Στoμιo. An einem Trinkwasserbrunnen vor
dem Tor zum Klostergelände machen wir ausgiebig Rast und kühlen uns
ab, indem wir die Köpfe ins Wasser halten und die T-Shirts auch
gleich. Das Kloster-eigene Maultier (oder was immer es ist) frißt mit
Genuß eine der Möhren, obwohl Vincent sie als arm an Vitaminen,
Kohlenhydraten und Eiweißen und deswegen als nahrungstechnisch wertlos
bezeichnet (aber trotzdem ißt). Das Kloster liegt auf ca. 700 m Höhe,
Koνιτσα auf etwa 400.
Weiter geht's, nicht mehr am Aωoς entlang, sondern ziemlich steil und
auf allem Vieren den Hang rauf (wo der Weg ist, den wir statt dessen
eigentlich hätten nehmen sollen, wissen wohl nur die Götter, die aber
heute wohl gerade auf dem Oλυμπoς sind und nicht im Πινδoς). An einem
Wildbach rasten wir erneut, und Vincent perfektioniert das Abkühlen,
indem er sich mitsamt seiner Universal-Badehose mitten hinein
legt. Wir befinden uns auf 900 m. Das GPS und das Lineal an Physis
Kompaß lassen uns unsere Position auf der Karte so genau bestimmen,
daß wir (auch wenn wir es nicht so schon gesehen hätten) feststellen können,
daß der Weg genau an dieser Stelle den Bach überquert.
Während Vincent munter von hinten einen Vortrag darüber hält, daß man
die Landschaft viel besser genießen kann, wenn man sich nicht bis an
die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit verausgabt, schnauft Ute mühsam
hinter Felix den steilen Weg hinauf, bis wir schließlich an einem Paß
ankommen. Nachdem wir die Rucksäcke ins Gras geworfen und etwas
getrunken haben, machen wir einen kleinen Abstecher zu einem erhöhten
Aussichtspunkt mit Felsblock zum Bouldern.
Der von Felix versprochene mehr oder weniger Höhenlinien-parallele Weg
führt uns dann von 1.300 m auf 1.450 m und zu einer Bergwiese, die einen
See (bzw. einen künstlichen Tümpel, der als Viehtränke dient und
ziemlich unappetitlich aussieht) und einen Haufen Disteln und Fliegen
für uns bereit hält, aber trotzdem für diese Nacht unser Zeltplatz
sein wird. Die Frage, ob wir heute noch 400 m weiter aufsteigen und
200 wieder absteigen wollten, um noch einen anderen See zu erreichen,
wurde sehr schnell abgelehnt. Nach einigem guten Zureden (und ohne daß
jemandem was weggebrutzelt worden wäre) kriegen wir den Benzinkocher in
Gang und kochen Chicken Curry zum Abendessen. Während das köchelt,
bauen wir schon mal die Zelte auf, um den dunklen Wolken und dem
möglichen Berggewitter vorzubeugen (das dann allerdings
ausbleibt). Nach dem Essen machen sich Felix und Vincent auf die Suche
nach dem weiteren Weg, den wir morgen nehmen wollen. Wegen der Fliegen
verkrümeln wir uns recht schnell in die Zelte. Das GPS bescheinigt
uns, eine Strecke von 12,3 km zurückgelegt zu haben.
Der Kαμηλα — Donnerstag, 10. Juni
Zum Frühstück gibt es keinen Tee, weil niemand die mit
Viehtränken-Wasser ausgewaschenen Töpfen benutzen möchte, abgekocht
oder nicht. Dafür gibt es kalten Zitronentee und Haferflocken mit
Rosinen und wasserlöslichem Kakao (Vincent und Physi bevorzugen zarte
Haferflocken, Vincent dabei natürlich nur die echten von Kölln, und
Ute kernige). Noch bevor die Sonne unseren Zeltplatz erreicht hat,
haben wir ihn schon wieder verlassen. Der Weg, oder was danach
aussieht, führt steil das Tal hinauf. Mit den hoch beladenen
Rucksäcken bleiben wir oft in den niedrigen Zweigen hängen, besonders
Ute, die — obwohl die kleinste — ihren Rucksack am höchsten, und
wie sich noch zeigen wird, auch mit sehr schlechter Gewichtsverteilung beladen hat.
Bald können wir aus 2.000 m Höhe auf die Viehtränke
zurückblicken. Oberhalb der Baumgrenze (Ute hat sich kurz vorher noch
einen Wanderstock organisiert) ist der Weg als solcher praktisch nicht
mehr zu erkennen und führt über Geröll- und Schneefelder den steep gully hinauf, wie auf der Karte eingezeichnet. Nur daß die
Sache in Wirklichkeit noch ein bißchen steiler ist als sie auf der
Karte aussieht. Während Physi souverän voranmarschiert, klettert Ute
schwankend hinterher und Vincent, zum Glück als letzter, löst durch
losgetretene Steine bisweilen kleine Geröllrutsche aus. Das große
Schneefeld war auf der Karte auch nicht eingezeichnet. Und es kommt,
wie es kommen mußte: ungefähr auf halber Strecke in dem Schneefeld
rutscht Ute aus und — Zeugenaussagen zufolge in Zeitlupe, aber
subjektiv auf alle Fälle viel zu schnell — das Schneefeld wieder
hinunter. Alle Versuche, sich mit Händen, Füßen oder dem Stock
abzubremsen oder festzuhalten, schlagen fehl. Die Aussicht, knapp zwei
Meter an einem rettenden Felsblock vorbei zu rutschen, sich sämtliche
Knochen zu brechen und dann auch noch alles nochmal hoch laufen zu
dürfen, bringt Ute ziemlich aus der Fassung, und es ist nur Vincents
raschem Zugreifen zu verdanken, daß es so weit nicht kommt! Vincent
hatte von weiter unten in Ruhe beobachtet, ob Ute von selber wieder
anhält, und dann sich einen festen Stehplatz gesucht, um sie
aufzuhalten. Hilflos wie ein Käfer auf dem Rücken liegt Ute im Schnee,
bei jeder Bewegung rutscht sie ein Stückchen weiter, und Felix ruft
von oben: ``Dann halt sie doch mal fest, verdammt noch mal!'' – Tut
Vincent ja zum Glück auch, und als Ute den Rucksack abgesetzt hat,
kann sie sich aufrappeln und zu Felix auf den Felsblock klettern (der
allerdings mit Felix und seinem Rucksack schon so gut wie voll ist).
Nachdem Vincent ebenfalls den Felsblock erreicht hat, Felix mit Utes
Rucksack zurückgekehrt ist, Ute sich halbwegs beruhigt hat und das
hinderliche Zelt von Utes auf Felix' Rucksack umgeladen wurde, machen
wir uns wieder auf den Weg, wobei zunächst nur noch ein kleines Stück
Schneefeld zu überqueren ist. Eine Kletterpartie entlang der
Felswand am Rande des Schneefeldes ist doch wesentlich angenehmer als
eine Schneefeld-Überquerung, denkt sich Ute, während Vincent und Felix
die Sache ganz andern sehen. Der weitere Aufstieg wird daher getrennt
zurückgelegt: Ute trennt sich von ihrem Rucksack und von Felix und
Vincent, denn keine zehn Pferde (und Vincent und Felix auch nicht)
können sie überzeugen, nochmals dieses hinterhältige Gelände zu
betreten. Nachdem Felix sogar 2x gegangen ist, um Utes Rucksack zu
holen, haben schließlich alle wohlbehalten den Kαρτερoς-Paß
erreicht. Von oben zurückblickend, läßt sich nur eins mit Sicherheit
sagen: von dieser Seite aus kommend, hätte keiner von uns versucht, da
runterzugehen! Dementsprechend kriegt die Stelle im GPS ein
Totenkopf-Icon. Die Rast — wohlweislich nicht in Sichtweite des
Abgrundes gemacht — haben sich alle redlich verdient. Es werden
Käsebrote mit Senf gegessen und Schnee geschmolzen und gefiltert. Da
der Schnee, den wir am Vormittag in eine Flasche gestopft hatten,
bisher noch nicht mal zur Hälfte geschmolzen ist, nehmen wir den
Kocher zu Hilfe, der nach eingehendem Studium der Betriebsanleitung
durch Vincent auch relativ flott anspringt. Noch herrscht
allgemeine Übereinstimmung darüber, daß Schnee nicht anbrennen
kann.
Nach der Pause geht es ganz gemütlich zum Gipfel des Kαμηλα, es liegt
nur ein kleineres Schneefeld auf dem Weg. Von dieser, der
Aωoς-Schlucht abgewandten Seite, sieht er ganz harmlos aus, eine
leicht ansteigende Bergwiese eben. Kurz unterhalb des Gipfels lassen
wir unsere Rucksäcke an einer Quelle auf der Wiese stehen und
markieren die Position mit dem GPS. Mit nur einer Flasche Wasser und
einer Tafel Schokolade und natürlich der Japanerausrüstung bewaffnet
erreichen wir rasch den Gipfel. Die Aussicht ist grandios, man kann
alle Stationen unserer bisherigen Reise sehen: Koνιτσα, das Kloster
Στoμιo, die Viehtränke (wenn es einem nichts ausmacht, sich über den
Abgrund zu beugen, wo es 1.000 m senkrecht runtergeht). Vom Kαμηλα
aus kann man gut den Gipfel des Aστρακα sehen, der auch nach einem lohnenden
Ziel aussieht, aber der nicht ganz auf unserem Weg liegt.
Der Rückweg erfolgt, ganz im Gegensatz zur Bergsteiger-Tradition, die
Serpentinen vorschreibt, GPS-gesteuert und in direkter Luftlinie zu
den Rucksäcken, das GPS sagt sogar die Ankunftszeit voraus, die wir
natürlich mit Leichtigkeit unterbieten. Der Sand im Quellwasser stört
keinen, und sogar Vincents Pfirsich-Mineraltabletten kriegen damit
einen Geschmack, der sich positiv von dem WC-Stein-Aroma, das mit dem
Wasser von der Quelle beim Kloster erreicht wurde, abhebt.
Ein
gemütlicher Fußmarsch über blumenbestandene Hochwiesen und ein paar
Geröllfelder führt uns zu unserem nächsten Zeltplatz, wo wir inmitten
von Krokussen in einem fast leeren Bachbett unsere Zelte aufbauen und
Spaghetti mit Tomatensoße und Cambozola-Brote essen (man achte darauf,
das Brot nicht mit dem Käse-Messer zu schneiden, da sonst die
Schimmelpilze auf das Brot übergreifen könnten). Eine Gemse schaut vom
Rand einer Felswand zu uns herunter. Entgegen unseren
Erwartungen wird die Nacht auf 2.000 m nicht kälter als die vorige (und
nein, es gibt keinen Wolkenbruch, der den Bach mit Hochwasser füllen
und unsere Zelte wegspülen könnte).
Schluchtgummibärchen — Freitag, der 11. Juni
Zum Frühstück begeben wir uns auf ein kleines Hochplateau über unserem
Zeltplatz, wo schon die Sonne hin scheint, während unsere Zelte weiter
unten noch im Schatten liegen. Grüner Tee, Haferflocken und
Nutellabrote sind eine gute Vorbereitung auf den heutigen Tag. Wir
schmelzen noch ein bißchen Schnee, und er brennt eben doch an! Der
Topf sieht jedenfalls hinterher deutlich dunkler aus als vorher.
Über ein paar Hügel gelangen wir zum Poμπoζι-See, und was sehen wir?
Einen japanischen Touristen, der die darum herum grasenden Kühe
fotographiert! Seit zwei Tagen haben wir keinen Menschen gesehen, und
der erste ist ein japanischer Tourist! Bei näherer Betrachtung stellt
sich heraus, daß es wohl kein Japaner ist, aber ein Tourist auf alle
Fälle. Hier in der Nähe beginnt die Mεγασλακoς-Schlucht, die größte
Seitenschlucht der Bικoς-Schlucht. Dort nutzen wir die Quelle
Kρoυνα, welche unter einer überhängenden Felswand im Schatten liegt,
um genug Wasser zu filtern, um uns zu sättigen und die Flaschen zu
füllen. Der Ausblick auf die Schlucht ist beeindruckend, aber es soll
noch besser werden — Schluchtgummibärchen, jetzt noch schluchtiger!
Seitlich verlassen wir die Mεγασλακoς-Schlucht, marschieren durch ein
paar Hügel und treffen dann am Beginn einer Schotterstraße an einer
Viehtränke einen Jeep voller Griechen, die hier irgendwelche
Küchenkräuter sammeln. Eine davon spricht sogar gut deutsch und ist
angemessen beeindruckt, als wir erzählen, daß wir auch noch auf den
Oλυμπoς wollen. Dies ist für die nächste Zeit das letzte Mal, wo wir
einigermaßen genau wissen, wo wir sind und wo wir hinwollen, denn
trotz GPS, Kompass und Karte ist einfach der weitere Straßenverlauf
nicht so, wie er sein sollte, und der erwartete Fußweg ist nicht
aufzufinden. Von dem Marsch entlang der Straße etwas erschöpft rasten
wir unter einem Baum, kurz bevor die Schotterstraße auf eine
Asphaltstraße trifft.
Der Umstand, daß ein monegassischer Arzt den
Asphalt erfunden hat, um der Staubentwicklung auf Schotterstraßen und
den damit verbundenen Atemwegserkrankungen vorzubeugen, tröstet uns
auch nicht. Wir wählen die nächste Fußweg-Abzweigung. Der Weg wird
allerdings gut bewacht: durch einen Bullen (den Ute in der Annahme, er
(nicht sie!) sei eine Kuh, noch durch zurückmuhen provoziert) und
durch ein Rudel Hirtenhunde, die laut kläffend und knurrend um uns
herum laufen und durchaus nicht damit einverstanden sind, daß wir an
ihrer Schafherde vorbei wollen. Erstaunlich, wie irrelevant plötzlich
die Brennesseln am Wegrand werden ... Nach einem Stück querfeldein
(nein, die Hunde haben uns nicht vom Weg abgebracht) sind wir
schließlich wieder auf dem richtigen Weg, nämlich dem zum
Aussichtspunkt Mβελoη über der Bικoς-Schlucht. Da steht man am Rand
und kann 1.000 m in die Tiefe gucken, aber wenn man nicht wüßte, daß
es 1.000 m sind, würde man es kaum glauben. Weil kein Seil verfügbar
ist, verzichtet Felix ausnahmsweise darauf, näher an den Rand oder
sogar ein Stück runter zu klettern, obwohl die Felswände wirklich
einladend aussehen (wenn man schwindelfrei ist und klettern kann).
Ein Stück den Weg zurück und dann eine Schotterstraße lang wandern wir
nach Bραδετo, einem Dorf, das hauptsächlich aus zerfallen Häusern
besteht, aber auch einen Brunnen hat (sogar mit Wasserhahn) und wo
drei alte Leute auf einem Hof unter einem Baum sizten. Von hier aus
geht es runter über die Σκαλα Bραδετoυ . Diese Treppe wurde als
Handelsweg gebaut, um zwei Dörfer auf verschiedenen Seiten einer
Schlucht (einer Seitenschlucht des Bικoς , zum Glück) zu
verbinden. Weil es nur eine Seitenschlucht ist, geht es nur von 1.330 m
auf 1.155 runter und auf der anderen Seite wieder hoch nach
Kαπησoβo. In Kαπησoβo erwarten wir einen Touristen-überlaufenen
Ferienort, aber wir können schon froh sein, daß wir auf zwei Athener
treffen, die Englisch sprechen und sich für uns bei den Eingeborenen
nach einem Gästehaus erkundigen. Wir wollen eine Nacht lang die
typisch griechische Bergdorf-Atmosphäre geniessen. Eine muntere ältere
Dame hat eins und ist geschäftstüchtig genüg, uns zu dritt ein
Zweibett-Zimmer für 70 Euro anzudrehen (nachdem sie erst versucht hat,
Ute für 40 Euro extra unterzubringen). Während sie die Zimmer
herrichtet, sehen wir uns im Dorf um. Wir sind eigentlich auf der
Suche nach einem typisch griechischen Restaurant, aber in den
typischen griechischen Bergdörfern scheint es solche nicht zu
geben. Also trinken wir in dem Cafe Platea jeder nur ein
Lustigwasser. Da der Wirt, Dimitri, nach Auskunft unserer Wirtin heute
abend kein Abendessen anbietet, kocht unsere Wirtin für uns:
Spaghetti, aber immerhin mit griechischem Salat und Feta.
Wir genießen den Luxus einer eigenen
Dusche auf dem Zimmer. Während des Essens unterhält uns die Wirtin mit
ihren Reiseberichten aus Südamerika. Anschließend waschen wir noch
unsere Wäsche (zumindest riecht sie hinterher nicht mehr nach Schweiß,
sondern nach Rei, aber die Farbe bzw. die Verfärbungen haben sich
nicht wesentlich verbessert). Das traditionell und fast schon kitschig
eingerichtete Zimmer wird entweiht, indem wir mitten durch Vincents
Allzweck-Wäscheleine spannen. Trotz des
geöffneten Fensters bleibt die Nacht mückenfrei und die Wäsche
feucht ...
In der Bικoς -Schlucht — 12. Juni
Das Frühstück besteht nur aus 2 Scheiben Weißbrot, selbstgemachter
Marmelade und Kaffee, weshalb Vincent kurz nach dem Aufbruch einen
seiner Astronauten-Riegel verzehrt. Die feuchte Wäsche wird angezogen
oder zum trocknen außen an die Rucksäcke gehängt, was sich auf dem
zugewachsenen Weg aber als ungünstig und dem gewaschenen Zustand nicht
förderlich erweist. Apropos überwachsen: die Wirtin hatte uns bereits
darauf hingewiesen, daß der direkt hinunter in die Bικoς-Schlucht führende Weg
zugewachsen sei und daß wir über Koυκoυλι gehen sollten, aber wir
hatten gelacht und "no problem" gesagt. Bevor wir aus dem Dorf raus
sind, versperrt auch schon ein Gitter den Weg, das aber von einem
freundlichen Einwohner, der mal Gastarbeiter in Wuppertal war,
geöffnet wird. Der Weg danach wird offensichtlich als Misthaufen und Jauchegrube
benutzt. Der Weg ist er zwar mit roten Punkten markiert, die Punkte
aber so weit voneinander entfernt, daß wir mehr als einmal wieder
zurück zum letzten Punkt laufen müssen, um den Weg
wiederzufinden. ``Laufen'' ist übrigens zuviel gesagt, es ist mehr ein
``sich-durchs-Gebüsch-winden''. Richtig schwierig wird es erst, als
auf den Felsen rote Flechten wachsen, die ungefähr den gleichen
Farbton haben wie die Wegmarkierungen. Schließlich hat auch noch ein
Geröll-Rutsch einen Teil des Hanges getroffen und sämtliche
Markierungen verdeckt. Aber da sind wir auch schon fast unten, und als
erstes nehmen wir natürlich ein Bad im Boιδoματης, dem Fluß, der durch
die Bικoς-Schlucht fließt. Das Wasser ist kalt, aber man kann sich ja
zum Trocknen in die Sonne legen.
Da der Weg laut Karte am linken Ufer weiter geht, balancieren Physi
und Ute, die Schuhe in der Hand oder um den Hals gehängt, ihre
Rucksäcke über den reissenden Gebirgsfluß und haben es gerade
geschafft, als Vincent vom anderen Ufer aus verkündet, es sähe aber
auf seinem, dem rechten Ufer, eher nach Weg aus. Also wieder
zurück ... Verglichen mit dem Abstieg in die Schlucht ist der Weg
jetzt sehr gut begehbar und wir marschieren eine ganze Weile, bis wir
wieder so durchgeschwitzt sind, daß wir uns gleich mit Hemd (Ute) und
Hose (Physi) ins Wasser stürzen — wenn man noch schwitzt, kommt es
einem nicht so kalt vor. Für die Mittagspause suchen wir uns noch ein
schöneres Plätzchen, denn hier gibt es überall Bremsen, von denen wir
uns nicht unbedingt stechen lassen wollen. Und um während des ganzen
Essens bis zum Hals im Wasser zu sitzen, ist es dann doch ein bißchen zu
kalt. Ein Stück flußabwärts setzen wir uns auf ein paar große
Felsblöcke im Fluß. Vincent stellt fest, daß seine Wurst verschimmelt
ist, aber damit haben wir wenigstens eine neue Mülltüte (nachdem wir
die letzte in Bραδετo entsorgt haben). Physi ergänzt den Inhalt dann
kreativ, indem er beim Zurück-ans-Ufer-Klettern sein Brot ins Wasser
fallen läßt, und natürlich kann man sowas im Nationalpark nicht
einfach weiterschwimmen lassen. Dafür darf er als erster die Tüte
tragen: ``Es riecht von rechts nach Wurst''. Es ist übrigens recht
schwierig, sein Hinterteil im Fluß zu waschen, ohne die Füße naß zu
machen.
Beim Essen werden wir vom Ufer aus von einer Kuh beobachtet ---
überhaupt sind die Wege hier voller Kuhfladen, obwohl sich keiner von
uns erklären kann, wie die Viecher (die Kühe, nicht die Fladen) die
steilen Pfade lang kommen. Inzwischen geht der Weg tatsächlich auf der
linken Flußseite weiter. Schon fast am Ende der Schlucht erreichen wir
die Quellen Πηγες Boιδoματης , an denen der
angeblich schon vor einigen Kilometern versickerte Fluß wieder an die
Oberfläche kommt. Da der Fluß aber nicht versickert war, ist es nur
ein recht interessantes Bade-Erlebnis, oberhalb der Quellen
hineinzugehen (mehr oder weniger warmes Wasser) und sich ein Stück
runtertreiben zu lassen, 9 Grad – das ist kalt!
Hier soll es eine Weg-Abzweigung zu einer Kapelle geben, die aber
unauffindbar ist, statt dessen erreichen wir nur einen Felsüberhang,
der offenbar oft von Kühen frequentiert wird. Wir wechseln daher, dem
Weg nach Παπιγκo folgend, auf das andere Flußufer, füllen an den
Quellen unsere Wasserflaschen wieder auf und steigen 300 m auf, den
Rand der Schlucht hinauf und in eine Seitenschlucht hinein. Da ebene
(nicht-schräge) Zeltplätze hier am Schluchtrand Mangelware sind, geben
wir uns mit einem kleinen Felsplateau unter einem Überhang zufrieden,
das noch von der Abendsonne beschienen wird. Es liegt sehr exponiert,
von dem Dorf Bικoς und von einem Aussichtspunkt am gegenüberliegenden
Schluchtrand gut zu sehen, aber wer spaziert schon so spät noch hier
herum? Das Abendessen besteht aus Gemüserisotto und ist sehr lecker
und auch nur leicht angebrannt, im Gegensatz zu dem Schnee von neulich.
Gegen etwaige Moskitos und anderes Ungeziefer bauen wir – sehr weise,
wie sich zeigen wird – unsere Innenzelte auf, und damit man das helle
Gewebe nicht so weit leuchten sieht, die Überzelte drüber. Durch die
darunterliegenden aufgeheizten Felsen die perfekte Sauna. Mit Hilfe
von vorher zurechtgelegten Steinen gelingt es sogar, auf den Felsen
einigermaßen bequeme Schlafplätze einzurichten. Während Physis Zelt
ohne Heringe prima steht, mußten bei Utes Zelt die Heringe in
Grasbüscheln und Felsspalten befestigt werden, aber es steht auch
(soweit man das von einem Zelt, dessen eine Hälfte zusammengekrumpelt
an der Felswand liegt, weil nur für die halbe Breite Platz ist, sagen
kann).
Die halbe Macchia — Sonntag, 13. Juni
Ausnahmsweise müssen wir die Zelte vor dem Frühstück abbauen, weil
sonst kein Platz zum Sitzen da ist. Felix und Ute sind schon viel zu
früh wach (so um halb acht). Vincent findet einen Skorpion in seinem
Rucksack, woraufhin Physi ganz entrüstet feststellt: ``Im Lonely
Planet hat nur was von Bären und Wölfen gestanden!'' (von denen wir im
übrigen nichts gesehen oder gehört haben). Wir machen uns auf Richtung Mηγαλo
Παπιγκo und füllen zunächst an einer Quelle unsere Wasservorräte auf,
die über Nacht doch ziemlich geschrumpft sind. Nach einigem Verhandeln
(``Was? Du willst nicht feilschen?'') einigen wir uns darauf, den
kleinen Umweg über Mικρo Παπιγκo zu nehmen, der uns noch über eine
typische Steinbrücke führen wird, und dafür auf den großen Umweg über
den Höhenweg zu verzichten, und direkt nach Kλειδωνιας zur Bushaltestelle
zu gehen. An den Plateas von Mικρo und Mηγαλo Παπιγκo machen wir
jeweils Pause, und in Aνω Kλειδωνια essen wir ein Eis. Als der eifrige Wirt
uns dazu gleich Ouzo und Süßigkeiten serviert und sich auch noch
herausstellt, daß er griechischen Salat anbietet, beschließen wir,
dort Mittag zu essen. Wir sitzen auf einem mit Platanen bestandenen
Platz im Schatten und blicken auf das Dorf, das außer dem Gasthaus nur
wenige intakte Häuser zu besitzen scheint, und im Hintergrund auf den
Aστρακα, wobei der Blick allerdings durch den Funkmast im Vordergrund
etwas beeinträchtigt wird. Das Angebot der Wirtes, uns nach Kλειδωνιας
mitzunehmen, lehnen wir ab und machen uns zu Fuß auf den Weg. Wie
schon zuvor ist der Weg immer dann durch rote Punkte gut markiert, wenn
sowieso offensichtlich ist, wo er verläuft. Aber dann haben wir ihn
verloren und schlagen uns, im Glauben, sowieso schon fast unten zu
sein, so durch's Gebüsch. Das entwickelt sich zu einer ziemlichen
Kletterpartie, zusätzlich erschwert durch dichtes Gebüsch. Ständig
krümeln einem kleine Zweige, Blätter und anderes in den Nacken (Physi:
``Ich habe die halbe Macchia im Nacken''), die
Rucksäcke bleiben überall hängen. Das Finale ist eine ca. 6m hohe
sehr schräge Felsplatte, wo wir zunächst die Rucksäcke runterrutschen
lassen und dann selbst hinterher klettern. Dann haben wir eine Straße
erreicht, an der auch prompt wieder die rote Wegmarkierung zu sehen
ist (allerdings aus einer anderen Richtung kommend als wir). Na
bitte. Am Ende der Straße ist die Hauptstraße und eine Tankstelle,
die gleichzeitig die Bushaltestelle ist. Wir haben noch Zeit für das
zweite Eis des Tages. Ein Blick zurück auf den Berg zeigt fast überall
senkrechte Felsklippen – da sind wir runtergeklettert?
Der Bus kommt kurz nach 16 Uhr und bringt uns nach Iωαννινα. Dort
springt Physi quasi aus dem fahrenden Bus und weckt erst in letzter
Sekunde Ute auf. Grund: er hat ein Campingplatz-Hinweisschild erspäht
und kurz entschlossen auf die ``Haltewunsch'' Taste im Bus
gedrückt. Schlaftrunken trottet Ute hinter Felix und Vincent auf der
Suche nach dem Zeltplatz her. Für 21 Euro können wir direkt am See das
Zelt aufstellen, ein Feature, daß sich noch als Bug bzw. Frog
herausstellen wird. Zuerst Wäsche waschen und aufhängen, dann machen
wir einen Stadtbummel durch Iωαννινα, an der Seepromenade entlang zum
Kastell. Leider sind das Museum und die Moschee bis einschließlich
heute geschlossen. Dafür kaufen wir eine große Flasche Fanta Zitrone,
setzen uns an der Seepromenade auf eine Bank in die Sonne und warten
darauf, daß es spät genug für's Abendessen wird. Bald wird der
Seeblick durch ein anlegendes Schiff versperrt – dafür können wir uns
in den Fensterscheiben spiegeln und sehen, daß hinter uns ein
Rosenbeet ist. Zum Essen gehen wir ins Ithaki, nehmen einen Tisch
direkt am See. Als Vorspeise gibt es mit Käse überbackene
Auberginen. Sogar Ute läßt sich überreden, etwas Wein zu trinken, und
-- im Hinblick auf die zu erwartende Lärmbelästigung durch die in der
Nähe des Campingplatzes gelegene Techno-Disco, die unser Platznachbar
angekündigt hat – schenkt sie sich sogar freiwillig nach. Das Essen
ist sehr gut. Als wir zum Zeltplatz zurückkehren, haben die am Seeufer
wohnenden Frösche mit einem lauten Quaak-Konzert begonnen,
wahrscheinlich, damit man durch die ca. am Mitternacht einsetzende
Disco-Musik nicht aus dem Schlaf gerissen wird. Außerdem ist der
Zeltplatz-Untergrund auch nicht viel bequemer als der Fels letzte
Nacht (und da konnte man, wie von Felix gezeigt, durch geschicktes
Zurechtlegen von Steinen sich wenigstens eine ergonomische Liegefläche
einrichten).
Weiter Richtung Oλυμπoς und Aegaeis — Montag, der 14.6.
Ute ist mal wieder viel zu früh wach, aber kann dafür in Ruhe die
Postkarten schreiben, die sie gestern gekauft hat, und auch
duschen. Zur geplanten Weck-Zeit von 8 Uhr ist auch Vincent auf (Felix
sowieso) und wir frühstücken am See. Unsere gewaschene Wäsche ist, wie
erwartet, noch nicht gaanz trocken, aber wa soll's. Dafür gibt's
frisches, noch warmes Brot und Osaft zum Frühstück. Gerade rechtzeitig
kurz vor 10 erreichen wir die Bushaltestelle, nicht ohne uns für die
Fahrt mit 1 Flasche Wasser und Vincent mit zwei Tüten Chips
ausgerüstet zu haben. Der Bus nach Λαρισα braucht etwa 4 Stunden, die
Strecke kennen wir ja schon von der Herfahrt. An einem Cafe oberhalb
von Mετσoβo wird Pinkelpause gemacht, und da das Schlafen im Bus bei
der Fahrt auf der kurvigen Bergstraße sowas wie ein Schleudertrauma
hervorruft, putschen sich Ute und Physi vor der Weiterfahrt mit je
einem Eiskaffee auf. Leider fällt uns erst bei der Abfahrt auf, daß
man hier Berghonig und -käse hätte kaufen können.
Stunden später, so gegen viertel nach 2, treffen wir in Λαρισα ein,
wo wir in einem netten griechischen Restaurant Oργιατικι und
frittierte Mελιτζανες essen. Viertel vor vier geht's weiter Richtung
Λιτoχωρo (die Toilettenfrauen verkaufen am Busbahnhof in Λαρισα
übrigens für 20 Cent 2 Stück Klopapier). Nachdem Vincent per Internet
die Route nach Πλακα Λιτoχωρoυ bestimmt hat, wissen wir immerhin, wo
wir aussteigen müssen, und wir werden an der Autobahnausfahrt
abgesetzt. Nachdem wir in einer Ψαρoταβερνα nach dem ruhigsten
Campingplatz gefragt haben, bauen wir dort rasch die Zelte auf und
begeben uns für ein Bad an die Aegaeis. Nachdem sich auch Vincent nach
langem Zögern entschlossen hat, tiefer als bis zu den Knien ins Wasser
zu gehen, schwimmen wir einmal bis zur nächsten Boje und
zurück. Während der Strand schon im Schatten der Steilküste liegt,
scheint auf das Wasser noch die Sonne. Zum Trocknen setzen wir uns auf
die Mole, welche ein Stück den Strand runter liegt und auch noch Sonne
hat. Daneben ist eine Cocktailbar, wo eine gutaussehende junge Dame
die Musik auflegt. Nachdem wir uns fürs Abendessen im Autan-Schale
geworfen haben, suchen wir auf gut Glück von den vielen großen, aber
leeren Ψαρoταβερναs, die es hier gibt, eine aus. Der Kellner hat
zwar cool gegelte Haare, spricht aber kein Wort Englisch. Felix und
Vincent bestellen nach umständlicher Diskussion mit dem
Kellner etwas fischiges mit einem langen griechischen Namen. Ute
bestellt ``shell fish'', was sich dann nicht als Schellfisch, sondern
als Muscheln entpuppt — zum Glück ist Felix gern bereit, gegen
seinen Fisch (was auch immer für einen) zu tauschen. Zum Nachtisch
holen wir uns an einem Kiosk noch ein Eis.
Der Anstieg — Dienstag, der 15.6.
In der Nacht gibt es einen Schauer, und Vincent rettet heldenhaft
unsere Wäsche von der Leine. Vincent hat seinen Handy-Wecker auf 7 Uhr
gestellt, und abgesehen davon, daß Ute schon um 6 Uhr glaubt, es wäre
7, funktioniert das auch.
Heute wird ein harter Tag, was man vor allem daran erkennen kann, daß
Felix seine 08/15 Söckchen gegen spezielle Wandersocken tauscht und sein
Funktions-T-Shirt anzieht.
Nach einem raschen Frühstück am Strand
leeren wir ausnahmsweise unsere Rucksäcke und lassen alles in den
Zelten zurück, was wir heute und morgen nicht brauchen werden.
Dann lassen wir uns ein Taxi rufen, das uns auf ca. 300 Höhenmeter nach
Λιτoχωρo bringt. Dort kaufen wir bei einer Ostdeutschen eine genaue
Karte des Zielgebietes, füllen unseren Wasservorrat auf und besorgen
noch ein Brot für das Mittagessen. Und auf geht's, nach oben, aber
zuerst ziemlich flach bzw. geradeaus die Eνιπεας-Schlucht entlang. Über
sieben Brücken mußt Du geh'n, willst Du noch Πριoνια seh'n. Das liegt
auf 1100 m und besteht aus nicht viel mehr als dem Ende der
befahrbaren Straße. Es gibt hier recht viele Touristen, aber trotzdem
machen wir an dem Brunnen hier Mittagspause. Der größte Teil des
Anstieges, aber der geringere Teil der Wegstrecke stehen uns noch
bevor. Wir brechen auf, nachdem Vincent mit dem Klingelton-Editor
seines Handys ein Stück von Bach eingespielt hat und nicht mehr weiß,
wie es weiter geht.
Mit mehreren mehr oder weniger ausgiebigen Pausen erreichen wir
schließlich gegen halb fünf die Berghütte Refuge A (Σπιλιας Aγαπητoς). Nachdem wir uns alle mit derselben Perso-Nummer in die Gästeliste
eingetragen haben und eine Tafel Nuß- und eine Cappuccino-Schokolade
gekauft haben, unsere Betten beschlagnahmt und die verschwizten
T-Shirts gewaschen, setzen wir uns auf die Terasse. Leider ist heute
ein bewölkter Tag, und die Hütte liegt gerade mitten in den
Wolken. Vincent bestellt die obligatorische heiße Schokolade, Ute und
Physi begnügen sich mit kaltem, selbstaufgelöstem Zitronentee. Vincent
bedauert die fehlene Sonne am meisten, weil sich auf seiner Stirn ein
Frankenstein-Fleck bildet, der bis zum Ende der Reise bei fehlender
Sonne wohl nicht wieder wegzukriegen sein dürfte.
Bei der zweiten Flasche Zitronentee stellt sich raus, daß oben drauf
eine Fliege schwimmt, die auch nach dem Schütteln beharrlich auf dem
Schaum kleben bleibt. Beim Trinken rutscht sie aber nach hinten, so
daß sie den Genuß nicht stört, und das ist auch besser so, denn alle
Versuche, sie mit Vincents Kakao-Löffel rauszufischen, schlagen
fehl. Nachdem sie endlich glücklich am Flaschenrand klebt, statt im
Tee herumzuschwimmen, entdeckt Vincent prompt ein zweite in der
Flasche.
Zur Hütte gehört ein großer schwarzer Hund, der wie ein richtiger
Hund, wie ein Wolf eben, aussieht — wo man wohl sowas herkriegt?
www.wolf24.com natürlich.
Jetzt ist die Schokolade alle, es wird kühl, und wir überlegen, ob wir
uns zum Abendessen in das Kaminzimmer setzen sollen.
Das Essen besteht aus Bohnen- bzw. Gemüsesuppe und Makkaroni
bzw. Kartoffeln mit Soße. Dazu gibt es Oλυμπoς -Kräutertee. Im
Kaminzimmer sitzt auch noch ein deutsches Ehepaar aus
Aschaffenburg. Sie wollen ebenfalls auf den Oλυμπoς , aber auf den
Σκoλιo , den zweithöchsten Gipfel, der etwas leichter zu erreichen
ist als der Mυτικας, mit 2.918 m der höchste Gipfel.
Auf dem Oλυμπoς — Mittwoch, der 16.6.
Zu Vincents Schrecken stehen Physi und Ute schon viertel nach 6 auf (objektiv allerdings erst um viertel vor sieben). Ab
halb sieben gibt es Frühstück, drei Scheiben altbackenes Weißbrot (ein
Maultier braucht halt auch 'ne Weile, bis es von Λιτoχωρo auf 2.100 m
gelatscht ist mit der Verpflegung für die Hütte), Marmelade, Honig,
Schmelzkäse und eine Tasse Kakao. Die Schlafsäcke können wir auf der
Hütte lassen, so daß wir — abgesehen vom Wasservorrat — mit sehr
wenig Gepäck unterwegs sind. Da Vincent noch nicht ganz aufgewacht ist
(wir sind um 7.44 Uhr losmarschiert), ist er nicht ganz so schnell beim
Anstieg wie gewöhnlich. Das gibt sich allerdings spätestens bei dem
Schneefeld, das wir kurz unterhalb der Σκαλα, eines weiteren Gipfels,
überqueren müssen. Die beiden Aschaffenburger haben wir kurz vorher
überholt.
Auf der Σκαλα lassen wir die Rucksäcke zurück, um bei
der Kletterpartie über die Kακoσκαλα, die ``schlechte Treppe'', die
den letzten Teil des Aufstiegs zum Mυτικας darstellt, nicht behindert
zu werden. Das ist eine schöne Kletterei, bei der man sich ---
zumindest wenn man nicht schwindelfrei ist — die meiste Zeit mit Händen
und Füßen festhalten muß. Runtergucken darf man sowieso nicht, denn
als zusätzlicher Bonus kommt die Aussicht hinzu, in irgendwelche
Kamine zu fallen. Es dauert ca. 1 Stunde, bis wir dieses streckenmäßig
kurze Stück überquert habe. Am Gipfel angekommen, trägt Physi uns, wie
es sich gehört, in das Gipfelbuch ein und macht die obligatorischen
Gipfel-Beweis- und Panoramafotos. Vincent setzt noch eins drauf und
posiert mit nacktem Oberkörper (ist das nun posig oder nicht?) neben
der Gifpelfahne und macht mit seinem Fotohandy ein Foto von sich.
Auch für den Rückweg brauchen wir wieder eine Stunde, wobei
festzustellen ist, daß Vincent schon deutlich mehr Übung im Klettern
hat als auf dem Hinweg. Mit dem Wetter hatten wir Glück: außer nach
Osten ist die Sicht frei und die Sonne
scheint. Ausgerechnet im Osten, also von dort, wo wir raufgekommen
sind und wo die Aegaeis liegt, bilden sich Wolken, die an der Flanke
des Berges hoch ziehen. Wir geben unseren ursprünglichen Plan, auch
noch den Σκoλιo zu besteigen, zugunsten einer ausgedehnten
Mittagspause auf der Σκαλα auf. Der Abstieg zur Hütte geht rasch und
problemlos (abgesehen davon, daß Ute auf dem Schneefeld 2x bis zu den
Knien einsackt, aber das ist schließlich besser als
runterzurutschen). Dort kriegt Vincent noch eine heiße Schokolade und
Ute ihr wohlverdientes Oλυμπoς -Gipfel-T-Shirt. Dann machen wir uns an
den Abstieg nach Πριoνια. Es wird ein ziemliches Gerenne, in
zweierlei Hinsicht: erstens scheint Vincent es eilig zu haben, zum
Baden ans Meer zu kommen, und zweitens begegnen uns jede Menge
Touristen. Der Höhepunkt ist, als wir an der Quelle in der Mitte der
Strecke auf eine ganze Reisegruppe Tschechen oder Polen treffen, die
``Stück für Stück den Berg rauf kommen und sich auf das Wasser
stürzen''. Für diese Soap-Opera verzichtet Vincent sogar darauf, uns
mit dem Klingelton-Editor zu erwarten (er war
vorgestratzt).
In Πριoνια erfrischen wir uns an der Quelle und lassen uns dann von
einem Griechen in seinem Kastenwagen mit nach Λιτoχωρo
nehmen. Hinter uns her fährt ein zweiter Grieche in einem offenen
Pickup – das wäre natürlich stilvoller gewesen. Nachdem wir die
Bus-Abfahrtszeiten Richtung Θεσσαλoνικη in erfahrung gebracht haben,
fahren wir zusammen mit 2 hübschen Griechinnen in ein Taxi gequetscht
zu unserem Campingplatz in Πλακα Λιτoχωρoυ. Da ist natürlich erst
mal ein Bad angesagt, besonder, weil das Wasser auf der Hütte sehr kalt war und die Wäsche deshalb umso kürzer ausfiel.
Anschließend kochen wir noch 2 Töpfe Tee, aber es ist immer noch zuviel
Benzin in der Flasche. Da es kein Super-Benzin ist, will ``Bill'' es
nicht haben und er empfiehlt, es ins Gras zu kippen — außerhalb
seines Campingplatzes, versteht sich. Nachdem das Problem gelöst ist,
gehen wir in die Ψαρoταβερνα Aιoλoς zum Abendesen. Sehr
geschäftstüchtig und wesentlich gesprächiger als der vor 2 Tagen ist
der Ober, und wir bestellen reichlich Salat, Mελιτζανες und Zucchini
frittiert, Kartoffeln und frischen Fisch. Dazu den Hauswein (Ute
gewöhnt sich langsam daran). Zum Nachtisch gibt's noch frische
Melone. Das Essen ist exquisit, und auch die Rechnung: 66 Euro!!!
Rückreise — Donnerstag, der 17.6.
Da der Bus nach Θεσσαλoνικη erst recht spät abfährt, haben wir genug Zeit,
noch ein Bad zu nehmen und in Ruhe am Meer zu frühstücken. Die
Rucksäcke sind schnell gepackt. Nachdem Bill uns auch für den Tag, an
dem wir gar nicht da waren, die Stellplatzgebühr für zwei Zelte
abgeknöpft hat, geht es mit dem Taxi nach Λιτoχωρo und weiter mit
dem Bus nach Θεσσαλoνικη. Der Bus zum Flughafen steht abfahrbereit da, und
wir überleben auch diesmal die ca. einstündige Fahrt durch die
Stadt. Am Flughafen nutzen wir die letzte Chance, was typisch
griechisches zu essen (irgendwelche Käse- und Schinken-gefüllten
Teigdinger), und schon geht's los! Der Himmel ist meist wolkenfrei,
und wir sehen Venedig, die Alpen (da könnten wir auch bald mal hin zum
Bergwandern – oder doch lieber nach Ostfriesland, wo die Deiche
für nicht-schwindelfreie Personen kein wesentliches Hindernis
darstellen?), den Bodensse, und schon sind wir da. Dank des ÖPNV in
Stuttgart warten wir dann erst mal 20 min auf die nächste
S-Bahn. Willkommen zuhause!
Fotos (c) Felix Brümmer 2004