Im Weiherwald
Ich war abends im Weiherwald am Teich. Ich hatte alles dabei, was man halt so mitbringt, wenn man in der "Neigungsgruppe Wandern und Naturbeobachtung" gelernt hat: Tarnkleidung, Rucksack, Fernglas, Kamera, Sitzkissen, Autan, Geduld. Und es hat sich gelohnt. Erst mal wurde allerdings die Abendstimmung gestört durch einen Idioten, der mit seinem Mofa durch den Wald geheizt ist und dann auch noch angefangen hat, Zeitungen in den Teich zu schmeißen - er hätte sie wohl austragen sollen und hatte keine Lust. Zum Glück hat ihn ein großer Mann mit einem großen Hund zur Rede gestellt, bevor er allzu viel Unheil anrichten konnte. Der Mann war stinksauer und hat angekündigt, Anzeige zu erstatten, er hat ein Foto vom Nummernschild des Mofas und allem anderen gemacht. Der Kerl ist einfach abgehauen.
Ich hatte schon befürchtet, daß durch die ganze Unruhe nun keine Tiere mehr zu sehen sein würden, habe mich aber getäuscht. Ich suche mir erst mal ein ruhiges Plätzchen am Ufer. Leises Platschen empfängt mich – Frösche, die durch mein Erscheinen aufgeschreckt wurden und schnell untertauchen. Ich mache es mir bequem und legeFernglas und Kamera bereit. Der Teich ist ziemlich klein, vielleicht 10, 15 Meter breit und 30 Meter lang, und die Oberfläche voller Algen und Wasserpflanzen. Am gegenüberliegenden Ufer, oder vielleicht ist das auch eine große Insel, liegen umgestürzte Bäume. Auf dem Teich sind eine Menge Teichhühner unterwegs. In einiger Entfernung, auf einem Ast im Wasser, gibt es ein Nest, aber das ist leer – die Familie ist noch unterwegs. Die jungen Teichhühner sind schon ziemlich groß, lassen sich aber von den Altvögeln durch ihr graues Gefieder und den hellen Fleck auf der Brust leicht unterscheiden. Nach einiger Zeit tauchen die Frösche wieder auf, rund um mich her höre ich es plätschern und sehe die Kringel von sich bewegendem Getier im Wasser. Die Frösche selbst zu sehen ist wegen der vielen Wasserpflanzen schwierig. Bald beginnt es hier und da zu quaken. Es ist ein ganz schöner Lärm! Ich kann die Frösche beobachten, wie sie zu mehreren um die Wette quaken. Bald darauf ist es wieder ganz leise. So geht es den ganzen Abend über.
Ein Klopfen, und ein paar schrille Schreie: Buntspechte! Dank des Fenrglases kann ich sie an einem toten Baumstamm beobachten. Sie hupfen um den Stamm herum und untersuchen die Löcher auf Nahrung.
Auf einmal ein leuchtend blauer Fleck gegenüber — ein Eisvogel! Er sitzt da direkt vor meiner Nase auf einem dünnen Ast über der Wasseroberfläche und wartet auf Beute. Gelegentlich stürzt er sich ins Wasser, fängt etwas und kehrt auf seinen Ast zurück. Ab und zu fliegt er ein Stück weiter auf den nächsten Ast.
Vor lauter Begeisterung über den Eisvogel habe ich die Biberratte (Nutria) übersehen, die sich links von mir aus dem Gebüsch geschlichen hat und nun in aller Seeleruhe im Teich herumschwimmt. Sie scheint irgendetwas zu fressen, was sich an der Wasseroberfläche befindet, denn sie mümmelt ununterbrochen vor sich hin, während sie scheinbar ziellos herumschwimmt. Ab und zu sieht man ihre Hand, äh, ihre Vorderpfote aus dem Wasser schnellen, als ob sie nachhelfen würde, sich etwas in den Mund zu stopfen. Ihre Zähne sind von einem leuchtenden Orange.
Ein Reiher kommt herangeflogen und landet im Wasser. Die Biberratte läßt sich von ihm nicht stören. Der Reiher steht bis zum Bauch im Wasser und stakt herum, langsam einen Fuß vor den anderen setzend, den langen Hals in eine Schlaufe gelegt und den Schnabel vorgestreckt. Blitzartig schnellt sein Kopf nach vorn ins Wasser, man sieht es eigentlich erst, als er den Kopf schon wieder heraus hat und am Schlucken ist. Ulkig ist es, zu beobachten, wie er über einen im Wasser liegenden Baumstamm klettert. Er ist nicht gelenkig genug, seinen langen Fuß vollständig über den Stamm und auf der anderen Seite wieder ins Wasser zu setzen. Also stellt er den Fuß auf den Stamm und flattert mit den Flügeln, bis er ganz auf dem Stamm steht (so sieht das bei mir aus, wenn ich beim Klettern auf einen Tritt steigen will, der etwa zu weit oben liegt), und dann setzt er blitzschnell den anderen Fuß auf der anderen Seite wieder ins Wasser und zieht den ersten Fuß dann nach, wobei er nochmal flattern muß, damit er den Bauch so hoch kriegt, daß er den Fuß darunter hervorziehen kann.
Die Teichhühner haben es sich inzwischen auf ihrem Nest bequem gemacht. Erstaunlich, daß sie da alle Plaz finden - sie scheinen auf beiden Seiten herauszuquellen. Ein Altvogel und ein Küken sind noch auf dem Wasser unterwegs. Am anderen Ufer hört man jetzt Stimmen, Spaziergänger, die ihren Hund ausführen. Wie auf Kommando verläßt die ganze Teichhuhnfamilie das Nest und schwimmt in die Mitte des Teiches.
Hinter mir in den Büschen höre ich ein Rascheln und ein leises Fiepen: Mäuse! Ich traue mich nicht, mich zu bewegen, um sie nicht zu verscheuchen.
Weiter hinten, zwischen der Entengrütze, sehe ich einen großen dunklen Fleck: eine weitere Biberratte. Sie sitzt auf einem Ast, der im Wasser liegt. Ihr Pelz ist voller grüner Flecken: Entengrütze, die dort hängeng geblieben ist. "Meine" Biberratte ist jetzt auch aus dem Wasser geklettert und putzt sich ausgiebig. Nur wozu? Als sie fertig ist, läßt sie sich gleich wieder ins Wasser gleiten und futtert weiter.
Ein weiterer Reiher kommt herangeflogen, aber er landet nicht im Wasser, sondern steuert seinen Horst an, der oben in einer großen Pappel verborgen ist. Mit dem Fernglas erkenne ich, daß dort noch mindestens zwei weitere Vögel sitzen. Durch die Blätter kann ich aber keine Einzelheiten erkennen.
Langsam wird es dunkler. Ich packe meine Sachen zusammen und ziehe mich vorsichtig zurück. Die Biberratte schwimmt noch immer auf dem Teich herum und nimmt keine Notiz von mir. Ich wüsnche weiterhin guten Appetit und gute Nacht!