Die Gegend um Ampefy
Nach Ampefy
Da nach uns hörbar noch andere Gäste eintreffen – die Wände und Türen
sind nicht besonders schalldicht – war die Nacht nicht ganz so ruhig
wie erhofft. Wecker stellen und auch hören üben wir auch nochmal - mit
Ohrstöpseln oder Kissen über dem Kopf nicht ganz so einfach. Zum Glück
wacht Frank trotzdem rechtzeitig auf, und wenn man keine Auswahl bei den
Klamotten hat, kann man sich eh viel schneller anziehen. Schnell sind
wir beim Frühstück, das nach Franzosenart aus Baguette besteht, dazu
Marmelade, Tee und Kaffee.
Patrick erwartet uns schon. Als erstes geht's nochmal zum Flughafen von Antananarivo, Geld
umtauschen. 1 Euro sind etwa 2700 Ariary, und der größte Schein ist
ein 10.000 Ariary-Schein - also kriegen wir einen ganzen
Geldstapel.
Je 9 Scheine sind mit Hilfe eines zehnten gebündelt.
Danach geht's zur Apotheke, eine Ersatzpackung Lariam
(Malaria-Prophylaxe) kaufen - da ist die Hälfte von den 100 Euro von
der Fluggesellschaft schon weg. Der Preis ist der gleiche wie in
Deutschland, nur ein Rezept braucht man nicht. Im Supermarkt kaufen
wir noch Wasser, Baguette, Käse und Wurst und ein T-Shirt.
Dann geht das Abenteuer wirklich los: auf der N1 Richtung
Westen. Zunächst in einem ewig langen Verkehrsstau aus der Stadt
raus. Rechts und links der Straße sind überall kleine Läden oder
Stände, aus denen alles mögliche verkauft wird:
Autoteile, Abflußrohre, Fleisch, Gemüse, Reis,
Handy-Guthaben-Karten, ...
Die Straße verläuft parallel zum Fluß Ikopa. In diesem Fluß
waschen die Menschen ihre Kleidung (obwohl das Wasser lehmig-braun
ist) und breiten sie dann am Ufer zum Trocknen aus. Außerdem stellen
sie aus dem Flußschlamm Ziegelsteine her, die in großen Stapeln
getrocknet und dann am Straßenrand verkauft werden.
Auf den an den Fluß
angrenzenden, überfluteten Flächen wird teilweise Reis angebaut, teils
sind sie mit Wasserhyazinthen überwuchert.
Als wir das Stadtgebiet hinter uns lassen, läßt der Verkehr
nach. Gelegentlich kommen uns junge Männer entgegen, die ein paar
Zebus zum Markt in Tana treiben. Karren werden von Zebus oder auch von
Menschen gezogen. Die Landschaft ist geprägt von Reisfeldern, die sich
in verschiedenen Stadien des Wachstums befinden: frisch gepflügt, mit
Jungpflanzen, die dicht beisammen stehen, mit den umgepflanzten
Pflanzen, die in ordentlichen Reihen stehen, Pflanzen, die schon fast
reif zur Ernte sind, und frisch abgeerntete Felder. Sie sind
terassenartig angelegt (es ist eine Hügel- oder Berglandschaft hier)
und bilden interessante geometrische Muster.
Unsere erste Station ist der Lemurs' Park (Google Map: Lemurs Park). Es ist sowas wie ein privat
geführter Zoo. Er gehört französischen und japanischen
Geschäftsleuten. Hery, ein junger Mann, führt uns herum. Patrick
bleibt am Auto, damit nichts wegkommt. Gleich am Eingang sehen wir
eine Eidechse und ein Chamäleon. Von verschiedenen Lemurenarten gibt
es je eine Familie zu sehen, die Tiere können sich im Park frei
bewegen. Der Park wird auf einer Seite durch den Fluß und auf der
anderen durch eine Mauer begrenzt. Wir haben das Glück, gerade zur
Fütterungszeit gekommen zu sein, und können die verschiedenen Arten
beim Fressen beobachten. Der Führer weiß auch über die Pflanzen gut
Bescheid und zeigt Aloe, Kampfer, Zitronengras. Im Fluß leben
Tilapia-Fische.
Im Zoo-Shop kaufen wir ein paar Postkarten und noch ein T-Shirt – Air
France zahlt ja.
Zum Mittagessen halten wir an einem kleinen Haus, das einsam am
Straßenrand steht. Es hat ein eigenes Ortsschild: Somananandrariny. Es ist ein kleines malegassisches Restaurant, das hübsch
eingerichtet ist. Es gibt vier Tische, einen Kühlschrank und eine kleine
Theke, die hauptsächlich dem Verkauf der sonstigen Waren dient: Kekse
usw. für vorbeifahrende Reisende. Eine junge Frau bedient
uns. Zum Essen gibt es Huhn und Schwein mit Reis, dazu für jeden eine
Schale mit einer gelblich-braunen warmen Flüssigkeit, Reiswasser, das
nach leicht angebranntem Reis schmeckt. Sie haben auch gekühlte
Limonade mit dem Unheil verkündenden Namen Namen "Bonbon anglaise". Sie
schmeckt wie aufgelöste Kaugummi-Kugeln aus dem Automaten. Aber
immerhin ist sie kühl.
Die Weiterfahrt zieht sich ganz schön hin und wir sind alle müde --
auch für Patrick war es eine kurze Nacht. Gegen 15 Uhr erreichen wir
unser Nachtquartier, das Relais de la Vierne. Es besteht aus lauter
kleinen Bungalows, Ein-Zimmer-Häuschen mit Dusche und WC. Leider wird
unser Nachmittagsschläfchen von einer Gruppe Musikanten gestört, die im
Restaurant Pop-Klassiker nachspielen.
Wir schauen uns auf dem Gelände um, und es gibt viel zu entdecken. Die
Lychee-Bäume. Sie tragen Früchte, man kann sie frisch vom Baum
pflücken und essen, wenn man denn auf rausgefallene Augäpfel
steht.
Die riesigen Spinnen, die zwischen den Bäumen
ihre Netze spannen wie bei uns die Kreuzspinnen. Sie gehören zur
Gattung
Nephila. Wir füttern eine mit einem fetten Käfer, der
an unserer Zimmertür saß. Der junge Pitbull, der auf dem Hof
herumläuft und mit Begeisterung an Franks Fingern knabbert. Die Hühner, die hier etwas magerer sind als bei uns. Sie krähen nicht bei Sonnenaufgang, sondern schon nachts um
Zwei. Das wissen wir aber erst morgen.
Wir sind hier in der Nähe des Ifaty-Sees. Dieser See liegt ziemlich genau in der geografischen Mitte von Madagaskar. Es ist ein belieber Ort für Wochenendausflüge für die Einwohner von Tana.
Patrick hat zwar sein Gepäck nicht am Flughafen verloren, er braucht
aber trotzdem noch eine Zahnbürste, und ich möchte mir ein paar
Flipflops kaufen, da die Wanderstiefel bei diesem Wetter einfach zu
warm sind. Also fahren wir nochmal ins Dorf zum Einkaufen. 80 Cent für
ein Paar Flipflops. Zum Abendessen gibt's im Restaurant Zebu-Steak,
wahlweise mit grünem Pfeffer (der kommt ursprünglich aus Madagaskar)
oder natur. Das Fleisch ist sehr schön zart. Dazu Three Horses Beer,
oder ein Gläschen Rum zum besser einschlafen (die Musikanten sind
immer noch, oder schon wieder, zugange). Der Service im Restaurant ist
besser als in Europa - als mir die Gabel runterfällt, bekomme ich ohne
nachzufragen sofort eine neue gebracht.
Hier hängt über dem Bett ein Moskitonetz, das wir mit Hilfe von ein
paar kleinen Karabinern und den Sicherheitsnadeln aus dem
Erste-Hilfe-Kasten des Autos auch rundum dicht kriegen.
Am nächsten Morgen zum Aufwachen eine kalte Dusche (es gibt kein
warmes Wasser). Zum Frühstück gibt's wieder Baguette mit Marmelade, am
Baguette sind die Endstücke abgeschnitten – weil man die trockenen
Kanten den Touristen nicht zumuten kann? Um 9 Uhr fahren wir los zum
"Chute de la Lily", dem höchsten Wasserfall Madagaskars. Er heißt
nach der Tochter eines Generals, die der Legende nach dort spurlos
verschwand, vermutlich, weil sie in den Wasserfall geraten ist. Von
der Hauptstraße aus geht es noch ein ganzes Stück eine Sandstraße
lang, auf der wir nicht viel schneller voran kommen als die
Fußgänger. Dafür, daß das hier mitten im Nirgendwo ist
(straßentechnisch), ist recht viel los, ein Dorf reiht sich ans
nächste und zwischendurch laufen auch ständig Menschen herum. Ein
kleiner Junge, Landi (das heißt "Raupe"), bietet sich an, unser Führer
zu sein und läuft vor dem Auto her. Kurze Zeit später versucht ein
älterer Junge, ihm den Posten streitig zu machen, aber Patrick läßt
das nicht zu und läßt Landi ins Auto einsteigen. Ein Stück weiter
spielen ein paar Kunder mit einer kleinen Schlange, sie posieren gern
für ein Foto und freuen sich über die 200 Ariary, die wir ihnen dafür
zustecken.
An einer
Schranke müssen wir Eintrittskarten kaufen, scheint sowas wie ein
Nationalpark zu sein hier. Kurz danach stellen wir das Auto auf einem
Parkplatz am Rand eines kleinen Dorfes ab. Sofort stürmt eine Horde
Kinder auf uns zu, mit Körben voller Souvenirs, die sie verkaufen
wollen: aus Lava-Gestein gemachte Schildkröten- und Chamäleon-Figuren,
und Bimsstein-Figuren zum Reinigen der Füße. Zwei Mädchen
sprechen sogar etwas Englisch, genug, um nach meinem Namen zu
fragen. Patrick bittet eine alte Frau, auf das Auto aufzupassen.
Landi zeigt uns zunächst das kleine Wasserkraftwerk, das das Dorf mit
Energie versorgt. Über eine löcherige Brücke geht es dann auf die
andere Seite des Flusses, von wo aus man einen tollen Blick auf den
Lily Wasserfall hat!
Wir können auch runter klettern, um Fotos von unten zu machen. Landi
bietet dann an, uns noch einen weiteren Wasserfall zu zeigen. Dazu
gehen wir ein Stück flußabwärts. Aufgrun des Regens (wie haben ja
immerhin Regenzeit, auch wenn gerade die Sonne scheint) führt ein
kleiner Nebenfluß mehr Wasser als erwartet, so daß wir Schuhe,
Strümpfe und sogar die Hose ausziehen, um hindurchzuwaten. Dahiner
sind dann prompt ein paar Reisfelder, von deren stehenden Gewässern
wir wegen der Bilharziose gewarnt wurden. Landi führt uns ganz gut am
Rand entlang, so daß wir nicht barfuß da reintreten müssen.
Der zweite Wasserfall ist nicht ganz so hoch und nicht so breit wie
der erste, dafür hat das Wasser hier mehr Wucht.
Auf
der anderen Seite arbeiten Leute auf den Reisfeldern, Zebus helfen
dabei. Auf dem Rückweg lassen wir nach der Nebenflußüberquerung unsere
Beine in der Sonne trocknen. Ganz zurück am ersten Wasserfall
machen wir dann eine längere Pause im Schatten der Bäume. Hier haben
die Kinder mit den Lava-Souvenirs auf uns gewartet, und ich kaufe von
meinen neuen Freundinnen zwei kleine bemalte Stein-Schildkröten. Die
anderen Kinder, von denen wir nichts kaufen, betteln noch eine ganze
Weile, halten ihre Körbe hoch und rufen "Madame" – sie wissen
ziemlich genau, daß sie bei Frauen mehr erfolg haben, scheint mir.
Zurück am Parkplatz: die alte Frau saß die ganze Zeit in der prallen Sonne direkt
neben dem Auto, so ernst hat sie ihre Aufgabe genommen. Über die 200
Ariary, die sie dafür bekommt, freut sie sich sehr. Auch Landi bekommt
Geld und eine Schirmmütze.
Die nächste Station unserer Reise ist ein Geysir – wir sind gespannt,
was uns erwartet. Zunächst geht es zurück nach Ampefy,
und von da aus ein Stück Landstraße und dann wieder ein Stück Piste,
nicht ganz so schlecht wie vorher. Verblüffend ist, daß wirklich
überall Menschen leben, ständig kommen wir an Hütten vorbei, und alles
ist voller Felder, Mais gemischt mit Maniok (Maniok heißen die
Wurzeln, die Blätter der Pflanze heißen Kassava und werden wie Kohl
gegessen), Papaya-Bäume, Ananas- und Bananenstauden. Wieder müssen wir
Eintritt zahlen. Am Parkplatz machen wir erst mal eine kleine
Mittagspause und essen Baguette mit Wurst und Käse und die
Melone. Diesmal bleibt Patrick am Auto, weil hier niemand ist, der es
bewachen könnte. Der Weg ist nicht weit, grade ins Flußtal runter,
über eine stabil gebaute Holzbrücke und auf der anderen Seite ist man
schon mitten zwischen den Quellen. Kaltes, klares Wasser sprudelt an
mehreren Stellen aus dem Boden, ideal, um die Füße abzukühlen, die auf
dem von der Sonne aufgeheizten Boden langsam "well done" sind.
Es riecht leicht nach Schwefel und es haben sich einige schöne
Sinterablagerungen gebildet.
Dann gehen wir zurück zum Auto und machen uns auf die Rückfahrt nach
Tana. Haben ja heute Abend am Flughafen eine Verabredung mit meinem
Rucksack. Unterwegs kaufen und essen wir am Straßenrand eine frische
Ananas – jammy! Die Verkäuferin schneidet sie für uns auf, und zwar
so, daß sie zu keiner Zeit ein Stück Fruchtfleisch mit den Fingern
berührt – die Stücke fallen auf einen Teller, von dem wir essen. Da
wir das Geld, 1200 Ariary, nicht passend haben, müssen wir noch eine
zweite kleinere Ananas mitnehmen, da haben wir gleich was zum
Abendessen.
Den Auto ist es heute auch zu warm, das Kühlwasser kocht. Es stellt
sich raus, daß der Kühler ein Loch hat. Da kommt der Halt in
Somananandrariny gelegen, hier hatten wir auf der Herfahrt auch schon
gegessen. Patrick ißt hier eine Portion Reis mit Zebu und bekommt
Wasser für den Kühler; wir nehmen noch ein paar mehr Flaschen mit,
damit wir unterwegs nachfüllen können. Das ist auch nötig, denn kurze
Zeit später ist schon wieder alles rausgelaufen. Der Plan ist, das
Loch mit Tabak zu stopfen. Ich frage nach, ob ich das richtig
verstanden habe: Mit Tabak? Ja, das würde sehr gut funktionieren. Im
nächsten Dorf kauft Patrick ein Päckchen Tabak und schüttet es ins
Kühlwasser, auffüllen, fertig. Weiter geht's. Hilft aber nicht, es ist
wohl die falsche Sorte Tabak. Also nochmal halten, im nächsten Dorf
eine Packung Qualitäts-Tabak kaufen. Wir tauschen eine Flasche
frisches Trinkwasser gegen einen Eimer Brunnenwasser für den
Kühler. Diesmal scheint es besser zu funktionieren. Wir kommen ohne
weitere Probleme bis nach Tana. Patrick verspricht, das Auto bis
morgen richtig reparieren zu lassen, da uns die Vorstellung, mit
Tabak im Kühler weiterzufahren, doch nicht ganz geheuer ist.
Der Verkehr in Tana ist wieder sehr dicht, Fußgänger, Radfahrer,
Zebu-Karren, allse läuft durcheinander. Auf der Straße zwischen den
(wenigen) Autos laufen Leute herum, die Zeitungen, Spielzeug, Obst
verkaufen.
Patrick setzt und im Hotel Pousse Pousse ab, er wird einen Bekannten
schicken, der mit uns nachts zum Flughafen fährt, und selber früh ins
Bett gehen, damit er morgen munter ist. Wir machen uns erst mal
Abendessen auf der Terasse vor dem Zimmer. Die malegassische
Ananas-Schneidetechnik ist gar nicht so einfach, schon gar nicht mit
einem Taschenmesser. Am Ende ist alles voller Ananas-Saft und wir
werden von einer Horde Mini-Ameisen heimgesucht, die durch den süßen
Saft angelockt wurden. Sie befallen auch das Brot und den Käse.
Gegen 23 Uhr holen uns Dimby und sein kleiner Bruder ab und fahren uns
zum Flughafen; sie gehören auch zu dem Tanalahorizon-Team. Dummerweise
hat der Flug Verspätung, so daß wir über eine Stunde warten
müssen. Aber zum Glück ist das Gepäck diesmal wirklich da. Erst um
halb zwei sind wir wieder im Hotel.
Am nächsten Tag geht's los nach AntsiraBe.