Wandern im Sequoia und Kings National Park, Kalifornien 2006
Vorbereitung
Ich habe vor 2 Wochen spontan beschlossen, mit 2 Kumpels in
Kalifornien wandern zu gehen. 2 Wochen sind nicht gerade viel Zeit, um
sich vorzubereiten: Flug buchen (ca. 700 Euro, von Frankfurt ueber
Chicago nach L.A.). Rausfinden, ob man einen maschinenlesbaren Pass
hat (ohne den man nicht mehr in die USA einreisen darf; ein
vorlaeufiger Pass reicht auch nicht mehr). Urlaub beantragen (es
empfiehlt sich, den Urlaub in 2 kleinen Stuecken zu buchen, weil dann
der Chef vielleicht nicht merkt, dass man so kurzfristig so lange weg
ist...). Permit fuer den Nationalpark beantragen - fuer unsere Strecke
gibt es 25 Stueck pro Tag, wir kriegen 3 Wochen vorher gerade noch die
letzten drei. Bahnfahrkarte zum Flughafen Frankfurt besorgen - je
frueher desto billiger. Reisekrankenversicherung abschliessen
(moeglichst eine, die den Transport vom Unfallort zum naechsten
Krankenhaus bezahlt, wenn man vorhat, wohin zu wandern, wo
Krankenhaeuser nicht gerade um die Ecke liegen). Ausruestung checken -
dies ist glaube ich der erste Urlaub, fuer den ich nichts neues
gekauft habe; hauptsaechlich, weil ich nicht genug Zeit hatte, und
dann auch, weil die Tour so anspruchsvoll werden wird, dass ich
sowieso kein zusaetzliches Gepaeck herumtragen moechte.
Mit der Tourenplanung muss ich mich zum Glueck gar nicht
beschaeftigen, dass haben meine beiden Kumepls gemacht. Es soll in 6
Tagen 6000 Hoehenmeter und 120 km weit gehen, damit die meiste Zeit
auf einer Hoehe von ueber 2000m. Da sind die Temperaturen jetzt im
September nachts schon auf 0 Grad Celsius, also empfiehlt sich ein
warmer Schlafsack. Ausserdem lange Unterwaesche, Tshirt, Hemd, Fleece,
Wasser- und winddichte Jacke, Zipp-off Hose, Regenhose, Poncho, 2 Paar
Wanderstruempfe, Handschuhe, Muetze, ... und Essen fuer 6 Tage,
verpackt in baerensicheren Containern. Die Baeren in dieser Gegend
sind Schwarzbaeren (keine Grizzlies), die normalerweise fuer Menschen
nicht gefaehrlich werden, da sie es nur auf das mitgebrachte Essen
abgesehen haben. Aber es nuetzt einem wenig, wenn man sich 60km von
der Zivilisation befindet und einem ein Baer gerade den gesamten
Proviant weggefuttert hat...
Alles, was irgendwie riecht und/oder was essbar ist, muss in diesen
Baerencontainern verstaut werden: Zahnpasta genauso wie
Konservendosen!
Das Essen wollen wir grossenteils vor Ort einkaufen, so dass mein
Rucksack noch erstaunlich leicht und leer ist, als er am Vorabend der
Abreise fertig gepackt ist.
Anreise
Es ist in Deutschland schwieriger als man denkt, rechtzeitig zum
Flughafen zu kommen. Dies ist schon das zweite Mal, wo mein Zug ueber
eine Stunde Verspaetung hatte. Zum Glueck hatte ich wegen der
aufwaendigen Sicherheitschecks am Flughafen einen Zug ausgewaehlt, der
deutlich ueber drei Stunden vor Abflug am Flughafen sein sollte, so
dass ich jetzt immer noch reichlich Zeit hatte. Abgesehen davon, dass
die Sicherheitsbeamtin ausgesprochen zudringlich war beim Abtasten,
hat man aber von dem ganzen Security-Theater nichts gemerkt - es gab
noch nicht mal eine Warteschlange, weder am Check-in noch an der
Sicherheitskontrolle.
Es waren im Flugzeug nur noch Fensterplaetze frei, und das hat mich
eigentlich geaergert, weil ich lieber am Gang sitze, wo man sich eher
mal bewegen kann. Aber als ich dann ueber Groenland aus dem Fenster
geschaut habe (da war das Wetter uebrigens deutlich besser als in
Deutschland - keine einzige Wolke weit und breit) fand ich den
Fensterplatz dann doch sehr schoen. Dort koennte es mir auch gefallen
- von oben natuerlich wenig zu erkennen ausser vielen Gletschern und
weiter noerdlich einer einzigen grossen Schneeflaeche. Die Berge
zwischendrin sind kahl, obwohl alles fast auf Meereshoehe liegt: man
konnte sehen, wie die Gletscher bis ans Meer reichen, wo sie zwischen
vielen kleinen Inselchen haufenweise Eisschollen und Eisberge
produzieren. Bei einigen konnte man sogar vom Flugzeug aus erkennen,
wie sie sich unter Wasser weiter ausdehen als sie ueber die
Oberflaeche hinausragen.
Die Filmauswahl im Flugzeug war akzeptabel (ich habe "RV" und
"She's the man" angeschaut), und so habe ich weder die vorsorglich in
grosser Menge ausgedruckten Sudoku-Raetsel noch die Buecher im Gepaeck
wirklich gebraucht. Aber es war trotztdem gut, dass ich wenigstens 2
von 3 mitgenommenen Buechern in Handgepaeck hatte, aber dazu spaeter
mehr. Auch das Essen war reichlich (2 Mahlzeiten und 2x Snacks fuer 8
Stunden Flug), so dass ich meine mitgebrachten Wurstbrote gar nicht
angetastet habe. Erst als ich auf dem Zollformular sah, dass man
Fleisch nicht einfuehren darf, habe ich das bedauert...
Ach ja, es emfpiehlt sich, wenn man ein durstiger Mensch ist, im
Flugzeug immer Sprite oder was in Dosen zu bestellen, weil man dann
naemlich 0.33 l bekommt, und bei losen Getraenken (Osaft, Wasser) nur
immer ein Becherchen voll.
Die Landung in Chicago war puenktlich, nur die ganzen Formalitaeten
(Gepack abholen, zur Einwanderungsbehoerde, Fingerabdruecke und Foto
machen lassen, zum Zoll, zum agricultural office, das Wurstbrot
abgeben, dann das Gepaeck wieder abgeben) haben so lange gedauert,
dass von den zweieinhalb Stunden Umsteigezeit fast nichts mehr uebrig
war. Obwohl der Flug Frankfurt-L.A. von der Fluglinie unter einer
einzigen Flugnummer und als Direktflug verkauft wird, muss man in
Chicago sogar zu einem anderen Terminal! Das geht aber mit dem
Terminal Train oder wie das Ding heisst, problemlos, und die Bewegung
schadet einem nach dem langen Sitzen wirklich nicht.
Also weiter geht's, diesmal nur knapp vier Stunden Flugzeit, dafuer
aber 40 Minuten Wartezeit, bis wir starten duerfen: das Flugzeug stand
wirklich kurz vor dem Runwway in einer Warteschlange zwischen lauter
anderen Flugzeugen. Wieder habe ich einen Fensterplatz, aber diesmal
ist wenigstens mein anderer Plan aufgegangen: dadurch, dass ich einen
Sitz ganz weit hinten bestellt habe, ist der Sitz neben mir leer, weil
Flugzeuge scheinbar immer von vorn nach hinten besetzt werden.
Auch hier ist die Filmauswahl okay, wobei es nicht wirklich eine
Auswahl ist, denn es wird nur ein einziger Film gezeigt: The Sentinel,
editiert in einer Kinder- und Flugzeugbildschirmfreundlichen
Weise.
Der Amerikaner 2 Plaetze neben mir kommt aus der Gegend und
erklaert mir, was ich alles unbedingt noch anschauen muss, waehrend
ich ueberlege, wie ich wenigstens das Einkaufen zwischen Aufwachen und
Jetlag-Ausschlafen hinkriegen soll...
Das Flugzeug hat Verspaetung, und das Gepaeck kommt auch nicht eben
rechtzeitig auf dem Laufband an, so dass ich schon ein bischen nervoes
(aber wirklich nur ein bischen!) werde, ob es mit dem Bus-Anschluss
noch klappt: ich muss naemlich noch bis Santa Barbara, wo mein Kumpel
wohnt. 3 Minuten vor der angegebenen Abfahrtzeit des Busses habe ich
endlich meinen Rucksack ergattert, nur um dann an der Haltestelle zu
erfahren, dass das ja die Abfahrtzeit an Terminal 1 waere, und dies
sei Temrinal 7, das wuerde noch einige Zeit dauern, bis der Bus hier
sei. Ja, das tut es auch, und abends nach Sonnenuntergang ist es doch
schon recht kuehl hier, aber immer noch kein Vergleich zu dem Bus, wo
die Klimaanlage auf Hochtouren laeuft und ich erst mal meine
Wollsocken auspacke. Um Punkt 23:00 Uhr Ortszeit - das ist 7 Uhr
morgens in Deutschland - kommt der Bus in Santa Barbara an und mein
Kumpel holt mich ab. Im Halbschlaf packe ich mein Waschzeug aus - und
entdecke eine ziemliche Schweinerei im Rucksack, aber davon im
naechsten Beitrag mehr. Schnarch.
Einkaufen und Ausschlafen
Es ist schon komisch, wenn man mitten in der Nacht putzmunter
aufwacht und sich wundert, wieso es draussen nicht hell ist. Und warum
es regnet, aber das war nur das Geraeusch des Rasensprengers.
Vor dem Fruehstueck ist die Welt noch in Ordnung. Zum Fruehstueck
gibt es Orangen aus dem eigenen Garten. Danach begucke ich den
Rucksack naeher. Und beschliesse, NIEMALS, NEVER EVER AGAIN
isotonisches Getraenkepulver (ja, das mit echtem Zucker drin)
mitzunehmen. Egal wie nahrhaft das Zeug ist. Dass die geoeffneten Dosen
sich nicht wieder richtig verschliessen lassen, hatte meine Bessere
Haelfte ja schon im Fruehjahr in Irland ausprobiert. Dass aber die
frisch gekauften, originalverschlossenen Dosen einfach so aufgehen,
finde ich ein ziemlich starkes Stueck. Und es ist wirklich
erstaunlich, wie es das Zeug schafft, sich auch bis in den letzten
Winkel des Rucksackes, sogar bis in die Packsaecke und
zusammengelegten Struempfe hinein, zu verbreiten. Das Buch, was im
Rucksack war, klebt ganz furchtbar und sieht sehr aufgequollen
aus. Der Papierumschlag, den ich immer vorsorglich um die Buecher
mache, hat hier nur dazu gefuehrt, das das eklige Zeug noch besser am
Buch haftet. Zum Glueck haben die Amis ja schoen schnelle
Waschmaschinen, und ich brauche noch nicht mal Waschmittel, weil ja
alles wasserloeslich ist. Und in der kalifornischen Sonne sollte es ja
auch schnell wieder trocken werden (vielleicht haette ich die beiden
Tueten mit Haferflocken trotztdem besser nicht abspuelen
sollen...). Weil ich sonst nichts zum anziehen habe, rieche ich aber
erst mal wie ein Zitronenbaum.
Von der kalifornischen Sonne ist erst mal noch nichts zu sehen,
denn hier gibt es fast immer morgens Nebel.
Als ich endlich fertig bin mit Waesche aufhaengen und Rucksack
duschen, ist die Sonne aber auch da, und ich mache mich mit einem
geliehenen Fahrrad (das uebrigens viel leichter und toller faehrt als
meins zuhause, obwohl es durchaus nicht so teuer aussieht) auf den Weg
in die Stadt. Mein Kumpel hat auf dem Stadtplan die wichtigen Punkte
markiert: sein Haus und zwei Outdoor-Laeden. Anders als in den meisten
amerikanischen Staedten ist hier alles in Fahrrad-Entfernung
erreichbar. Dieses outdoor-maessige Trockenfutter, dass es hier in der
Tat in wesentlich mehr Varianten und farbenfroher Verpackung gibt, ist
allerdings nicht ganz billig. Und "serves 2" heisst laut Verkaeuferin
nicht unbedingt "reicht fuer zwei ausgehungerte Wanderer, die den
ganzen Tag nur Muesliriegel gegessen haben", also kaufe ich fuer jeden
Tag fuer jeden eine Packung "serves 2". Und eine Flasche
"biodegradable Soap", mit der man sich selber, seine Haare und alles
andere, was gewaschen werden muss, waschen kann.
Jetzt geht's zum Sightseeing auf den Wharf, ein paar Postkarten
kaufen und ein bischen in der Sonne sitzen. Wegen des Seewindes wird
mir das dann aber zu kuehl. Wie von Mitbewohner meines Kumpels
empfohlen fahre ich dann in einem Rundweg zum Hafen. Dort gibt's zum
Mittagessen Fish Tortillas mit Eistee. Sehr empfehlenswert. Der
Rundweg geht weiter am Strand entlang und dann rechtwinklig
landeinwaerts und bergan. Gleich wird es viel zu warm in der
Sonne. Zum Glueck ist es nicht mehr weit bis zum Haus. Da kann ich
mich beim Postkarten-Schreiben auf der Terasse in den Schatten setzen,
Melone essen und kuehles Wasser schluerfen. Und diesen Text
schreiben.
Los geht's
Gestern abend waren wir nochmal im Supermarkt, weiteren
Reiseproviant kaufen. Ganz normales Essen ist hier im Supermarkt
deutlich teurer als in Deutschland. Es haette sich wirklich gelohnt,
moeglichst viel aus D mitzubringen statt hier zu kaufen: Muesliriegel
gibt es bestenfalls "10 for 10" - zehn Riegel fuer 10 Dollar. Kein
Vergleich mit Aldi...
Mein Kumpel hat ein Zelt von Mountain Hardware: das Haven 3. Es wiegt knapp 3 Kilo. Wird allerdings ein bischen eng innen fuer drei Leute - nur 1,50 m breit. Ich hab's im Garten gerade mal aufgebaut und wie schon vermutet fehlen ein paar
Heringe. Also strampele ich nochmal per Rad in die Stadt zum "Mountain
Air" Outdoor Shop, wo es original Mountain Hardware Heringe gibt. Der
Hinweg ist immer schoen, es geht die ganze Zeit bergab, man kann sich
rollen lassen und im Vorbeifahren die Geschaefte anschauen. Auf dem
Rueckweg gibt's bei Taco Bell was zu essen. Anschliessend - weil das
ja nur ein Snack war - gehen wir zusammen nochmal richtig essen. Zum
Glueck kann man hier ueberall die Reste mitnehmen - jetzt haben wir
also ein Stueck Kaesekuchen im Kuehlschrank.
Dann geht's ans Einpacken. Mein Rucksack ist endlich wieder
trocken, und mein Schlafsack hat in der Sonne tatsaechlich etwas von
seinem unangenehmen Mueffel-Geruch verloren. Das Problem ist das
Essen: wir haben gerade die ganzen kostbaren Trockenmahlzeiten
verstaut, da sind die beiden Baerenkanister auch schon voll. Also
faehrt mein Kumpel nochmal los, um einen weiteren zu kaufen. Derweile
sollte ich mir vielleicht mal ueberlegen, wieviel Schokolade,
Haferflocken und Muesliriegel tatsaechlich gebraucht werden, anstatt
hier vor mich hin zu tippen. Noch nicht mal mehr 2 Stunden, und wir
muessen meinen zweiten Kumpel am Campus der Universitaet abholen, wo
er an einer Konferenz teilgenommen hat. Bis dahin muss also alles
verstaut sein.
Dann geht's mit dem Auto nach Squaw Valley, das ca. 400 km weiter
nord-nordwestlich von St. Barbara in der Naehe des Sequoja
Nationalparks liegt. Dort werden wir in einem Motel uebernachten und
dann am naechsten Morgen im Nationalparkbuero unsere Permits abholen
und ab dann wird's richtig anstrengend...
Die ersten tausend Höhenmeter
Langsam wird's zu kompliziert für "mein Kumpel" und "mein zweiter
Kumpel" - also der eine, der in St. Barbara wohnt, heißt Vince und der
zweite, der auf der Stringtheorie-Konferenz war, heißt Physi.
Wir haben also Physi abgeholt und sind dann noch zum Tanken
gefahren, um das Auto - ein schickes BMW Cabrio - und die Flasche für
den Benzinkocher aufzufüllen. Es ist praktisch unmöglich, letzteres
allein hinzukriegen, da man 1. die Flasche festhalten muß, 2. das
Dings halten muß, wo das Benzin rauskommt (heißt das "Einfüllstutzen"
oder so ähnlich?) und 3. an dem Dings den Gummiring nach oben drücken
muß und damit simulieren, daß das Dings tatsächlich in einem Autotank
steckt. Naja, also nach der Aktion war nicht nur die Flasche, sondern
auch Vince voller Benzin (nächstes Mal stellen wir uns beide auf die
der Öffnung abgewandte Seite) und wir mußten nochmal umkehren, damit
er sich was geruchsneutrales anziehen kann - man kann ja nicht die
halbe Nacht mit offenem Verdeck auf der Autobahn rumfahren, selbst bei
kalifornischem Wetter und kalifornischen Geschwindigkeitsbegrenzungen
nicht.
Die mitgebrachten Brote sind bald aufgegessen, aber zum Glück liegt
die Stadt Visalia auf dem Weg, und die scheint hauptsächlich aus
Fastfood-Läden zu bestehen. Also rein ins Taco Bell, ein Muß für jeden
Freund mexikanischer Küche (für mich jedenfalls).
In Squaw Valley haben wir ein Zimmer mit 2 großen Betten und eine
sehr aufdringlichen Katze, die nur durch Physis beherztes Zugreifen
aus dem Zimmer zu kriegen ist. Physiker hatten schon immer eine
besondere Beziehung zu Katzen 
Es gibt Frühstück zum selbermachen mit Toast, Marmelade, Kuchen und
Melone. Um 8 sind wir unterwegs in den Kings Canyon. Abgesehen davon,
daß es auf 2000m im offenen Auto doch recht kalt ist, ist der flotte
Wagen gut für die kurvige Bergstraße geeignet, und wir sind bald an
der Ranger Station "Roads End". Da werden noch 2 Bärenkanister
gemietet (der Laden hatte gestern keinen mehr, und ein weiterer allein
hätte sowieso nicht gereicht) und alles in die Rucksäcke
gequetscht. Physi und ich teilen uns das Zelt, dafür trägt Vince 2
Kanister. So rein gefühlsmäßig würde ich sagen, mein Rucksack wiegt
noch unter 20 Kilo.
So, jetzt zum outdoor-mäßigen Teil des Berichtes. Der Kings Canyon
ist eine Schlucht, durch die - wer hätte das gedacht - der Kings River
fließt. Die Felsen sind aus Granit, und oft sind es Platten - gut für
Reibungsklettern. Anfangs sieht man wegen der vielen Bäume nicht so
viel von den Felsen, aber die Schlucht steigt dann rasch an (wir
laufen entgegen der Fließrichtung). Irgendwie heißt der Fluß dann
plötzlich Bubbs Creek. Jedenfalls sieht man von weiter oben die Felsen
besser. Auf einer Brücke wollen wir ein bischen gucken und ausruhen,
als eine Gruppe von 3 Männern mit 12 Maultieren vorbeikommt, die die
Brücke für sich allein haben will. Nagut. Kurze Zeit später haben wir
die Maultiere wieder eingeholt, weil sie sich offenbar hoffnungslos
verheddert haben und erst mal entwurschtelt werden müssen. Überholen
geht auf dem schmalen Pfad nicht, der sich in Serpentinen die Schlucht
hoch schlängelt. Aber die Zwangspause stört nicht wirklich, und wir
warten im Schatten unter dem einzigen Baum in der Nähe.
Unser Lagerplatz an der Upper Sphinx Creek Camp Site.
Ein paar Serpentinen weiter haben wir die Maultiere wieder
eingeholt, weil - nein, diesmal nicht verheddert, sondern eins hat die
Ladung verloren. Wieder warten. Gute Gelegenheit, die Wanderstöcke
auszupacken.
Bald danach haben wir 2/3 Pause - 2/3 der Höhe bis zum Avalanche
Pass! Aber bis dahin werden wir's heute nicht mehr schaffen - liegt
natürtlich nur daran, daß wir ständig auf die Maultiere warten mußten!
Auf ca. 2600m schlagen wir unser Lager auf, an der Upper Sphinx Creek
Campsite. Man darf zwar im Prinzip campen, wo man will, aber man darf
nur schon vorhandene Feuerstellen benutzen, also empfiehlt es
sich, einen der im Wanderführer angegebenen Plätze zu verwenden (die
sich außer durch die Feuerstelle und die freie Fläche durch nichts von
der Umgebung unterscheiden). Man darf nicht zu dicht am Wasser campen
und man muß die Bärenkanister mindestens 30m vom Zelt entfernt lagern
und die Klo-Stelle auch etwas entfernt einrichten. Klopapier entweder
verbrennen oder mitnehmen - zum Glück sind wir hier noch unter 3000m,
oberhalb darf man kein Feuer mehr machen.
Die Nacht verläuft ereignislos bis auf ein Schnüffelgeräusch, das
Vince und mich aus dem Schlaf aufschreckt. Ein Bär oder gar ein Puma?!
Nein, nur unser Zeltmitbewohner...
Zusammenfassung:
Strecke: etwas über 11 km (hatte zwischendurch für einige Zeit das GPS ausgeschaltet)
Höhendifferenz: von 1500m auf 2600m: 1000 Höhenmeter.
Zeit (incl. Pausen): 5 Stunden
Avalanche Pass
Es war sehr warm nachts, keine Spur von den 0°C, die angeblich nachts im September auf 2000m Höhe herrschen sollen. Zum Frühstück gibt's trotzdem warmen Tee, außerdem Haferflocken mit Rosinen und Kakao und Brot mit Nutella aus der Tube.
Das Passfoto vom Avalanche Pass. Ute, Physi, Vince.
Das Mountain Hardware Zelt ist sehr gut belüftet: obwohl wir zu
dritt waren und der Zeltplatz in einem Feuchtgebiet recht dicht an
einem Bach lag, hat sich fast kein Kondenswasser am Außenzelt
gebildet. Das Innenzelt besteht zu großen Teilen nur aus einem
Moskitonetz, nur die oberen Wandstücke sind aus wasserdichtem
Material.
Los geht's, weiter bergan, und in kurzer Zeit erreichen wir den
Avalanche Pass auf 3012m. Wie schon im Wanderführer beschrieben, ist
die Aussicht aber alles andere als spektakulär, denn Bäume versperren
die Sicht. Außerdem ist der Pass nicht sehr berg-mäßig, mehr wie ein
flacher Hügel. Naja, wir machen trotzdem ein "Passfoto" (die Fotos
sind noch nicht fertig sortiert, die gibt's dann im letzten
Beitrag). Dann geht's auf der anderen Seite wieder runter, und zwar
ganz ordentlich: der nächste Wegpunkt der Tour ist die Ranger Station
"Roaring River", die auf 2220m im Tal liegt. Leider geht die
Alpenvereins-Zeitberechnung nicht ganz auf, weil wir nicht
berücksichtigt haben, daß es außer den 800 Höhenmetern runter auch
noch 10km waagerecht sind. Deswegen machen wir die Mittagspause schon
an einem Hang oberhalb der Station, wo man den Roaring River zwar
nicht sieht, aber schon hören kann. Dann geht's im Eiltempo weiter,
denn es liegen nochmal etwa 10 km Strecke vor uns. Die Gegend ist zwar
ganz hübsch (vorausgesetzt, man findet zwischen den Kiefern ein
Guckloch mit Ausblick auf die umliegenden Berge), aber ansonsten eher
ungastlich: staubig, warm, sehr staubig, zu viele Mücken, und habe ich
schon den Staub erwähnt? Das ist also der Colby Pass Trail. Immerhin
gibt es zwischendurch ein paar Bäche, so daß wir unsere Wasservorräte
auffüllen können. Entgegen unseres ursprünglichen Plans, jeder 3 Liter
Wasser herumzuschleppen, stellen wir uns jetzt auf 1,5l pro Person ein
und filtern dann bei Bedarf an einem Bach mehr. Mit den Bächen ist es
so eine Sache: bei der ersten komplizierten Flußüberquerung schafft es
einer von uns (ich will ja keine Namen nennen
) auszurutschen und
... nein, nicht reinzufallen, aber er/sie steht mit beiden Füßen im
Wasser und die Stiefel sind vollgelaufen (natürlich ist er/sie nicht
einfach ausgerutscht, sondern die Steine haben sich unter seinen/ihren
Füßen bewegt). Die Wanderstöcke sind da wirklich eine große Hilfe und
verhindern wahrscheinlich ein weiteres Unglück.
Big Wet Meadow und der Whaleback.
Wir gehen bis Big Wet Meadow (die heißt wirklich so, und so sieht
sie auch aus, was nicht unbedingt einen mückenfreien Abend verspricht)
auf 2610m, und am anderen Ende der Wiese befindet sich ein Lagerplatz
mit Feuerstelle. Immerhin hat man von der Wiese aus endlich mal freie
Sicht auf die Berge am Rande der Schlucht, durch die wir gerade
laufen. Wirklich beeindruckend, und wie Physi immer wieder betont,
sehr gut zum klettern geeignet 
Zusammenfassung:
Strecke: 22 km
Höhenmeter: rauf 800m, runter 800m
Zeit: 8 Stunden 40 Minuten
Colby Lake und Colby Pass
Ein Bad im Colby Lake. Man beachte die Schneefelder auf den umliegenden Bergen.
Heute steht ein Highlight auf dem Plan: der Colby Lake. Nach dem
Gelatsche durch den Staub wird er eine willkommene Abwechslung
sein. In der Höhe, in der wir jetzt so herumlaufen, ist es ziemlich
anstrengend, weiter hoch zu gehen, und wir brauchen für die 500
Höhenmeter bis zum See 2 1/2 Stunden. Dann aber nichts wie rein ins
kühle Naß, mit mehr oder weniger Begeisterung - ich brauche einen
zweiten Versuch, um es lange genug drin auszuhalten, daß ein
Beweisfoto gemacht werden kann. Aber man fühlt sich auf alle Fälle
frisch gewaschen. Im Hintergrund sieht man Schneefelder auf den
Berghängen. Der See liegt auf 3175m.
Wir machen eine ausgiebige Mittagspause, bevor wir uns an die
zweite Hälfte der Tour wagen: Aufstieg zum Colby Pass. Da kommt uns
tatsächlich jemand entgegen, die Serpentinen vom Pass herunter! Naja,
heute morgen hatten wir auch schon Geräusche von einem anderen
Lagerplatz her gehört. Ganz so solitary ist der Circle of Solitude
wohl doch nicht.
Das Passfoto vom Colby Pass. Vince, Physi, Ute
Am Pass auf 3600m gibt's wieder eine Passfoto-Pause. Es kommt ein
"Cowboy" mit einem Trupp Maultiere vorbei, die mit Leichtigkeit den
steilen Pfad erklimmen - warum sind die Viecher in dieser Höhe soviel
munterer als wir, obwohl sie viel mehr Gepäck tragen?
Der Plan sieht eigentlich vor, daß wir bis zur Junction Meadow
gehen, die auf 2400m liegt, aber da sich das Tal mal wieder länger
hinzieht als man an den Höhenmetern allein sieht, wird daraus
nichts. Besonders das letzte Stück, das wir heute gehen, zerrt an den
Nerven (und den Füßen) - es geht einfach nicht richtig abwärts, immer
wieder über kleine Hügel hoch und runter. Physi hat die Nase voll
(Staub) und marschiert voraus, damit er's schnell hinter sich hat, und
Vince paßt hinten auf, daß ich nicht den Pfad aus den Augen
verliere.
Es dämmert schon, als wir endlich am Rockslide Lake (da ist gar
kein See) das Zelt aufschlagen und ein Feuerchen machen. Wie jeden
Abend gibt es Tütenfutter, das man zubereitet, indem man heißes Wasser
in die Tüte mit dem Zeug schüttet und es eine Weile stehen läßt. Wir
brauchen zu dritt tatsächlich sechs Portionen (= drei mal "serves 2"),
die meist ungefähr im Verhältnis 3:2:1 auf Vince, Physi und mich
verteilt werden.
Zeltplatz am Rockslide Lake. Es ist außerdem nicht so einfach, hier eine ebene Fläche zu finden, die groß genug für ein Zelt ist.
Zusammenfassung:
Strecke: 17 km
Höhenmeter: rauf 1000m, runter 950m
Zeit: knapp 10 Stunden
Lake South America
Die Tradition, an jedem Tag einen Paß zu überqueren, werden wir heute
nicht fortsetzen können. Dazu ist der nächste Pass auf unserer Route,
der Harrison Pass, mit fast 3800m zu hoch und außerdem zu weit
weg. Aber wir geben unser bestes und machen uns früh auf den Weg. Wir
sparens uns sogar das Auffüllen der Wasserflaschen und laufen mit sehr
leichten Rucksäcken los. "Wir kommen ja dann gleich wieder an den Fluß
und können die Flaschen dort auffüllen." - Gleich ist eine Weile
später, aber da finden wir eine schöne Stelle zum Waschen und
Wasser-Filtern. Kurz danach erreichen wir Junction Meadow. Am
Wegweiser hat jemand mit Stöckchen ein Nachricht auf den Boden gelegt
(spannend, nicht wahr) - aber leider ist sie etwas
durcheinandergekommen und nicht mehr entzifferbar. Nach uns steht dort
jedenfalls E=mc². Der Weg steigt stetig aber schwach an und ist recht
einfach. Er verläuft entlang des Kern River, der im Wandereführer als
"scenic wild river" beschrieben ist - stimmt auffallend. Hier sehen
wir das erste mal ein Tier, das wesentlich größer ist als eine
Steckmücke (naja, ein paar Vögel unterwegs nicht mitgezählt): eine
Hirschkuh. Eine kurze Mittagspause mitten auf dem Weg und eine etwas
längere später auf sonnenwarmen Felsen, über die der Fluß wie auf
einer Wasserrutsche runterfließt. Scenic.
Wasserrutsche im Kern River.
Wir sind jetzt schon wieder oberhalb der Höhe, bis zu der
Feuermachen erlaubt ist (10000 Fuß = 3000m). Der Weg macht hier eine
große Schlaufe, deren einziger Zweck ist ist, den Lake South America
ansehen zu können (für all die Leute, die sich von der Aussage, der
Harrison Pass sei wegen seiner Steilheit und eines Schneefeldes
schlecht begehbar, abschrecken lassen). Das merken wir daran, daß er
nicht mehr so gut ausgetrampelt ist wie bisher, und prompt verlieren
wir den Pfad mehrfach aus den Augen. Gut, daß wir das GPS haben und
Karten lesen können, so kommen wir dann nämlich trotzdem zum See
(ätsch), wenn auch nicht unbedingt auf dem einfachsten und direktesten
Weg. Dort erwartet uns ein Gewitter, was sich schon länger durch
dunkle Wolken und verhaltenes Donnern angekündigt hatte. Naja,
Berggewitter können ja durchaus ernst werden, also verkrümeln wir uns
mitsamt unseren Rucksäcken im Schutz eines Felsblocks unter die
Zeltplane und warten ab. Nach kurzem Regen sieht die Welt schon wieder
heller aus und wir können in Ruhe das Zelt aufbauen und kochen.
Am Lake South Ameria. Nach einem Gewitter klart es wieder auf.
Dies wird unsere erste Übernachtung oberhalb der Baumgrenze und
mit einem richtigen Bergpanorama - rundherum nur Felsen und
Gipfel. Schade, daß wir kein Feuer machen dürfen (wäre auch aus Mangel
an Holz recht schwierig geworden), denn es wird nach Sonnenuntergang
ziemlich kühl (so kühl, daß wir keine Lust haben, draußen abzuwarten,
bis das Thermometer in Physis Uhr sich lange genug an die Umgebung
angepaßt hat, um eine realistische Temperatur anzuzeigen). Dann geht
der Mond in unserem Rücken auf und beleuchtet die gegenüberliegenden
Berghänge. Was will man mehr? - Einen warmen Schlafsack, und dahinein
verkrümeln wir uns dann auch.
Sonnenuntergang am Mount Ericson.
Zusammenfassung:
Strecke: 18 km
Profil: Rockslide Lake 2760m → Junction Meadow 2400m → Lake South America 3600m
Höhenmeter: 1180m hoch, 360m runter
Zeit: 9 Stunden
Harrison Pass
Wenn wir heute über den Pass kommen, können wir schon morgen wieder
am Auto sein! Dann könnten wir in aller Ruhe zurück nach St. Barbara
fahren und noch eine Weinprobe machen... Der Pass ist nicht mehr weit
weg - wir waren gestern näher dran gegangen als eigentlich
beabsichtigt, weil auf der Karte die Höhenangabe am Pass nicht den
Pass, sondern den Gipfel des Mount Ericson beschrieb und wir dachten,
wir hätten es noch weiter. Also munter alles zusammengepackt und
losmarschiert. Es geht mehr oder weniger Querfeldein über
Geröllfelder, ein Weg ist meist nicht zu erkennen. Dafür sehen wir
noch einen Hirsch, und wir werden von einem Murmeltier beobachtet, das
es wohl interessant findet, wer da so alles an seiner Wohnung
vorbeiläuft.
Das Passfoto vom Harrison Pass. Ute, Vince, Physi.
Oben am Paß ist es sehr windig und kühl, von dem guten Wetter heute
morgen ist nicht mehr viel zu sehen. Doch, wir machen ein
Passfoto. Immerhin regnet es nicht. Der Paß ist auf der anderen Seite
tatsächlich sehr steil (gucken wir lieber nicht so genau hin). Der Weg
soll irgendwo rechts der niedrigsten Stelle verlaufen, und da finden
wir das angekündigte Schneefeld (wo unten zwei Menschlein stehen, die
etwas ratlos zu uns raufgucken). Das Schneefeld hat eine Neigung von
60° - das ist die durchschnittliche Neigung der Eiger Nordwand. Da
kommt man nicht runter, zumindest nicht kontrolliert
. Daneben an
den Felsen könnte man im Prinzip runterklettern, in der Realität sind
die Steine aber alle so locker, daß man 1. sich nicht vertrauensvoll
dran festhalten kann und 2. dem Vordermann alles auf den Kopf fiele,
was der hintere lostritt. Also nochmal links weiter gucken. Da gäbe es
eine Möglichkeit, runterzuklettern und dann auf einem Geröllfeld
weiterzugehen, wo man von oben auch einen Pfad erkennt. Nur mit dem
Klettern ist es so eine Sache, wenn man einen 20kg-Rucksack mit sich
herumträgt. Außerdem kann man von oben nicht erkennen, wie genau man
klettern müßte und ob es hinter der nächsten Felskante überhaupt
weitergeht. Also lassen wir das mal lieber. Wird wohl nix mit der
Weinprobe.
Zum Glück ist der Forester Pass, der Teil des offiziellen Weges
ist, nur ein Tal weiter, also müssen wir ur einmal über den Bergrücken
neben uns und schon sind wir da. Na ganz so einfach wird es nicht, abe
wir kürzen jedenfalls den offiziellen Weg ab, indem wir tatsächlich
quer über den Bergrücken gegehn, so daß wir heute eigentlich eine
körperlich sehr wenig anstrengende Etappe haben. Dafür begleitet uns
ein heftiger Hagelschauer beim Abstieg vom Pass und in der Ferne
grummelt es schon wieder. Nach unserer Abkürzung treffen wir auf den
John Muir Trail, einen Weitwanderweg von Mexiko bis nach
Kanada. Angeblich sehr belebt, aber bei dem Wetter hatte wohl niemand
Lust auf einen kleinen Spaziergang. Kurz unterhalb des Forester Passes
machen wir wieder mal eine Gewitterschutz-unter-der-Zeltplane-Pause,
und dann hat keiner mehr recht Lust, noch weiter zu gehen und wir
bauen das Zelt an Ort und Stelle auf.
Die wasserfesten Streichhölzer sind scheinbar nicht nur wasser-
sondern auch feuerfest, und die beste Methode, den Kocher in Gang zu
setzen, besteht darin, zuerst durch vergelbliche Versuche ca. 10
Streichhölzer zu zerbrechen und dann das 11. mit dem Feuerzeug
anzuzünden (man sollte immer eine Streichholzlänge Sicherheitsabstand
zwischen seinen Fingern und dem Benzinkocher lassen und den Kocher
nicht direkt mit dem Feuerzeug anzünden). Wegen des kalten, feuchten
Wetters wird diesmal im Zelt gegessen (Feuer gibt es wegen der Höhe
auch keins). Ein trüber Tag, aber es kann ja nur besser werden.
Zusammenfassung:
Strecke: laut GPS 13 km
Profil: Lake South America 3600m → Harrison Pass 3780m → John Muir Trail 3500m → Zeltplatz 3630 m
Höhenmeter: 310m hoch, 280m runter
Zeit: 6 Stunden 30 Minuten (einschl. Pausen und Abstiegsversuche am Harrison Pass)
Forester Pass
Dies war die bisher kälteste Nacht, und wir freuen uns über den
heißen Tee ganz besonders. Auch zum Anrühren der Haferflocken nehmen
wir heute heißes Wasser. Die Tee-Reste im Topf sind gefroren, als ich
den Topf danach einpacken will. Schlauer wäre es gewesen, alles
einzupacken und ein Stück weiter in der Sonne zu frühstücken, aber das
lernen wir wohl auf dieser Tour nicht mehr. Erst als wir
abmarschbereit sind, erreicht die Sonne den Zeltplatz. Naja, egal, wir
machen sowieso gleich nochmal Halt, um an einem etwas höhergelegenen
See Wasser zu filtern - in der Sonne. Immerhin ist heute ein strahlend
blauer Tag, keine einzige Wolke am Horizont!
Das Passfoto vom Forester Pass. Physi, Vince, Ute.
Es ist nicht mehr weit bis zum Pass, ein paar Serpentinen und schon
sind wir da. Der Weg weist eine erstaunliche Anhäufung von
Maultiersch... auf - als ob die Viecher keine Lust hätten, das alles
mit hochzuschleppen. Die Höhe macht uns nicht mehr viel aus. Physi
erreicht den Paß als erster - was für ein Anblick! Oben auf dem Paß
steht ein Ami, der ganz ungeniert an einen Stein mitten auf dem Pass
pinkelt. Vince meint, die Unwissenheit vieler Amis darüber, wie man
sich unter zivilisierten Menschen benimmt, ist der Grund für die
strengen Gesetze z.B. über das Entblößen in der Öffentlichkeit.
Der John Muir Trail ist heute tatächlich stark bevölkert und uns
begegnen beim Abstieg haufenweise Leute (die alle erschöpft genug
sind, um freiwillig stehen zu bleiben und uns Platz zu machen, statt
auf ihrem Vorfahrtsrecht* zu bestehen).
Abgesehen von dem Ami bietet sich nach Süden (da, wo wir
hergekommen sind) ein grandioser Ausblick über die
Hochgebirgslandschaft, und nach Norden sieht man schon die ersten
Bäume des Bubbs Creek Valley.
Mit dem Abstieg haben wir's eilig, wollen wir doch noch möglichst
weit ins Bubbs Creek Valley kommen, damit wir morgen nicht mehr so
viel laufen müssen. Daher gibt's die Mittagspause erst einige Zeit
unterhalb der Baumgrenze, im Schatten eines Baumes am Fluß. Die
Bergpanorama-Landschaft mit den Kletterfelsen wird wieder durch die
baumbewachsene Schlucht und eindrucksvolle Stromschnellen und einen
Wasserfall abgelöst.
Eine Orchidee schaut zwischen den Felsen hervor.
Etwa 1600 Höhenmeter und über 20 km später schlagen wir unser Zelt
in der Nähe des Charlotte Creek auf. Das erfrischende Bad im Fluß wird
durch die Anwesenheit mehrerer anderer Camper beeinträchtigt, die wir
natürlich nicht durch unerlaubtes Entblößen in der Öffentlichkeit
irritieren wollen... außerdem ist es kühl und mückig, zwei weitere
Gründe, nicht zu lange leicht bekleidet herumzulaufen.
Zum Abendessen gibt's (mangels Auswahl) den letzten Rest
Chili-Nudeln mit Käse und Wurst, und zum Nachtisch den Blueberry
Cheesecake, auf den Physi und Vince sich schon lange gefreut haben
(ich mag keine Blaubeeren). Eigentlich hätten wir dann noch gern einen
Tee getrunken, aber der Kocher beschlißet, nicht mehr mit uns
zusammenzuarbeiten (obwohl ich inzwischen einige Übung mit den
widerspenstigen Streichhölzern habe). Wahrscheinlich ist irgendo
irgendwas verstopft. Immerhin führt das dazu, daß ich das erste Mal
auf der Tour die Hände mit Seife wasche, weil ich mir Benzin
drübergeschüttet habe - Lavendelseife mit Benzin gäbe sicher eine
tolle Duftseife für Möchtegern-Autobastler.
Während wir gemütlich am Feuer sitzen, knackt es plötzlich hinter
uns im Gebüsch! Man sieht einen schwarzen Schatten, der bei genauerem
Hinsehen einem Bär ähnlich sieht. Im Licht der Stirnlampe sieht man
seine Augen leuchten. Physi rennt auf ihn zu, nein, eigenlich auf
seinen Rucksack zu, um die Kamera auszupacken. Bis er sie ausgepackt
hat, hat der Bär schon beschlossen, daß wir uninteressant sind und
marschiert weiter, seelenruhig zwischen uns und dem Bach die Schlucht
hinauf. Heute halten wir uns wörtlich an die Anweisungen und
kontrollieren zweimal, ob die Bärenkanister auch wirklich zu sind.
Zusammenfassung:
Strecke: 32 km
Profil: Zeltplatz 3630 m → Forester Pass 4000m → Charlotte Creek Camp Site 2100m
Höhenmeter: 370m hoch, 1900m runter
Zeit: 8 Stunden
Rückweg und Steak
Nicht nur wir sind auf dem Rückweg, auch der Bär kommt von seinem
nächtlichen Ausflug zurück. Zu unserer Enttäuschung hat es nachts
keine Störungen gegeben, und die Bärenkanister stehen auch noch genau
da, wo wir sie verlassen haben. Der Bär interessiert sich nicht die
Bohne für uns und stellt sich auch nicht in eine passende Fotoposition
- nur der Hintern wird auf einem Foto scharf, und da erkennt man nicht
wirklich, worum es sich handelt. Wir interessieren uns auch schon fast
nicht mehr für den Bären und lassen uns beim Frühstück nicht
stören. Es gibt kein Brot mehr, also müssen wir Müsliriegel mit
Nutella bestreichen. Die essbarsten Müsliriegel sind übrigens die, die
für stillende Mütter gedacht sind und extra viel Calcium
enthalten. Der Kocher funktioniert immer noch nicht, also gibt es auch
keinen Tee. Auch gut, beschleuningt das Frühstück. Wasser haben wir
vom Vorabend noch genug, also sind wir schon kurz nach acht Uhr
unterwegs.
Gestern haben wir beschlossen, heute Abend, wenn wir zurück in
St. Barbara sein werden, Steak essen zu gehen - jeder Schritt bringt
uns also diesem Ziel näher! Bald erreichen wir die Stelle, wo wir vor
sechs Tagen zum Sphinx Creek abgebogen sind, und bald danach die
endlosen Serpentinen, wo die Maultiere sich verheddert hatten. Noch
3km Luftlinie - bald geschafft! Immer öfter begegnen uns Touristen
ohne Rucksäche, aber mit pompösen Sonnenhüten oder um den Kopf
gewickelten T-Shirts. Eine Fliegenplage gibt es hier, die Fliegen
schwirren einem ständig um den Kopf - irgendwie werde ich den Gedanken
nicht los, dass sie mich mit einem Misthaufen verwechseln... Und dann
sind wir da, schade eigentlich, aber auch schön: Road's End.
Eine frisch geputzte Toilette zum Hinsetzen! Ein Wasserhahn mit
Trinkwasser! Eine (bärensichere) Mülltonne! (man kommt sich schon
komisch vor, wenn man sein gebrauchtes Klopapier mit sich rumschleppt
- wie war das mit dem Misthaufen?)
Zusammenfassung:
Strecke: 13 km
Profil: Charlotte Creek Camp Site 2100m → Road's End 1500m
Höhenmeter: 600m runter
Zeit: knapp 3 Stunden
Die paar hundert Meter bis zum Auto erscheinen plötzlich ziemlich
viel. Aber dort sind die Wechselklamotten sehr willkommen. Endlich
passen alle 3 Rucksäcke in den Kofferraum, dann geht's mit offenem
Verdeck (aber nicht mehr mit wehenden Haaren, ich bin ja lernfähig)
los! Next Stop Cedar Grove, O-Saft, Postkarten, Sandwiches und Chips
kaufen. Dort werden auch Kartoffeln verkauft, das Stück zu 89 Cent,
und Power-Vitamintabletten (für jedes Vitamin oder Mineral eine, jede
in einer anderen Farbe), das Set zu 1,09$. Amerika ist wunderbar.
Wir schlängeln uns den Canyon entlang, das Cabrio ist genau das
richtige Auto dafür, aber wenn man kurz runterguckt, fühlt es sich an
wie in der Achterbahn - meinen Magen hab ich wohl in der Kurve da
hinten vergessen...
Bei den Giant Trees halten wir noch mal an, wie echte Touristen
laufen wir den Rundweg lang zum General-Grant-Tree, welches der
drittgrößte Baum der Welt sein soll. Noch bevor wir ausgerechnet
haben, wie lang ein Block wohl ist, wenn der Rundweg eine Länge von 3
Blocks entsprechend 2/5 Meilen hat, sind wir wieder am Auto. Die
Amerikaner scheinen Volumen danach zu messen, wieviele Millionen
Tischtennisbälle in einen Baum passen...
Kaum daß wir wieder in tiefergelegenes Gebiet kommen, wird die
Sonne unerträglich und das Dach muß zu und die Klimaanlage an. In
Visalia gibt's dann bei Subways footlong Sandwiches und ein
Waschbecken mit Seife und fließend Wasser, genau das richtige für
ausgehungerte Wanderer (ich falle irgendwie nicht in die Kategorie
"ausgehungert", denn ich schaffe nur einen kleinen Six-Inch
Sandwich).
Trotztdem lockt die Aussicht auf das Steak, also schnell
weiter. Unterwegs sehen wir noch einen Wald- oder Buschbrand, dessen
Rauch sich weit verbreitet und die Sonne in tiefem Rot erscheinen
lässt. Um halb acht kommen wir endlich in St. Barbara an, und die
Dusche wurde wohl schon lange nicht mehr so intensiv genutzt (und der
Abfluß hatte schon lange nicht mit soviel Sand und Dreck zu
kämpfen... TMI - too much information - ich weiß).
Kurz vor neun stehen wir bei "Holdren's" auf der Matte, der
Warteschlange nach das beliebteste Steak-Restaurant in Santa
Barbara. Die Wartezeit kann man sich mit einem Blueberry Martini
verkürzen... das Steak ist saftig und lecker, und dazu gibt's
kalifornischen Rotwein (oder Eiswasser). Ein passender Abschluß für
eine fantastische Tour.
* Beim Wandern haben Leute, die aufsteigen, Vorfahrt.
Fotoalbum
Alle Fotos gibt's hier.
Technische Daten
GPS-Wegpunkte und Karten:
SequoiaData
Fotos (c) Vincent Spallek und Felix Brümmer 2006