Auf dem Trilho dos Pescadores (Fischerpfad) die Costa Vicentina entlang
Viel Zeit zum Gucken
Der Flug von Frankfurt nach Lissabon ist unspektakulär. Es ist schön, wenn man genug Zeit hat, seine Umgebung zu beobachten und über die kleinen Dinge zu lächeln. Zum Beispiel über die Uhr an der Decke der Abflughalle in Lissabon, rund wie eine typische Bahnhofsuhr, und von beiden Seiten mit Papier abgeklebt, auf das jemand sorgfältig in drei Sprachen draufgedruckt hat: "Diese Uhr funktioniert nicht". Oder über die großen Tüten M&Ms im Duty Free Shop

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Vom Flughafen in Lissabon kommt man bequem mit der Metro in die Innenstadt, und ich habe mir extra eine Übernachtung direkt neben einer Metrostation ausgesucht. Ich hatte keine Lust, mitten in der Nacht noch lange herumzulaufen. Da das Haus mit dem Hostel nicht beschriftet ist, dauert es dennoch eine Weile, bis ich den Eingang finde – es ist ein ganz gewöhnlicher Eingang in ein ganz gewöhnliches Altbau-Wohn- und Geschäftshaus. Im vierten Stock befindet sich das Hostel, Duque de Saldanha, benannt nach dem Stadtviertel Saldanha bzw. nach dem erblichen Adelstitel. Eine ältere Dame öffnet und zeigt mir das Zimmer. Es ist nicht viel größer als das Bett, und im Lichtschein sieht man die Silberfischchen erschreckt davonlaufen. Es gibt ein eigenes Badezimmer mit Badewanne. Frühstück für morgen? Erstens ist das nicht im Preis enthalten, und zweitens gibt es Samstag prinzipiell kein Frühstück. Das Zimmer hat keine Heizung, und es ist ziemlich kalt, und dafür liegt im Schrank noch eine Decke. Es ist sehr ruhig und dunkel.
Alte und neue Häuser dicht beeinander.
Am nächsten Morgen stehe ich in aller Ruhe auf und packe mein Zeug zusammen. Es gibt nichts wichtiges zu tun, nichts muss erledigt werden (zumindest nicht vor 10 Uhr, wenn mein Bus nach Porto Covo abfährt). Für einen richtigen Stadtbummel reicht die Zeit dann doch nicht, die Altstadt mit Hafen ist zu weit weg. Also spaziere ich erst mal zu dem nächstgrößeren Platz auf dem Stadtplan. Die Häuser bilden einen seltsamen Mix aus modernen Neubauten mit Glasfassaden, prunkvollen Altbauten und teilweise sehr heruntergekommenen Häusern aller Altersstufen. Weiter zum Platz Marques de Pombal, der an einen Park angrenzt. Die Cafés unterwegs sehen aus, als ob man außer Espresso und Croissants dort nichts bekäme, oder sie sind noch geschlossen. Ich esse das Sandwich aus dem Flieger, außerdem sind noch reichlich Obst und Müsliriegel als Proviant da. Keine Chance zu verhungern. Gemütlicher Spaziergang durch den Park, irgendwo hier im Norden muss der Busbahnhof sein. Man sieht in der Ferne das Aquädukt, und ich komme an glänzenden Hochhäusern mit Hotels und Banken vorbei, an deren Rückseite kleine Baracken mit Gärten stehen. Der Busbahnhof kommt hinter dem Bahnhof und der Metrostation Sete Rios in Sicht. Dort gibt es einen kleinen Kiosk, der allerdings nur Kaffee hat, keinen schwarzen Tee. Hier fahren die Busse der Gesellschaft Rede Expressos ab, mit denen man ohne umzusteigen in die kleinsten Dörfer der Küste fahren kann. Alles ist gut organisiert und der Bus kommt pünktlich; wie bestellt sitze ich auf dem Platz ganz vorne rechts, mit der besten Aussicht. Der Sitz ist ausgesprochen gemütlich und ich schlafe ein Weilchen, ohne mit verdrehtem Hals wieder aufzuwachen. Die Landschaft ist überwiegend trocken, kleinblättrige Bäume und Kiefern, Ginster, Eichen. Viele Büsche und Bäume sind schon ausgeschlagen oder blühen.
Porto Covo ist so groß. dass jemand wie ich Google Maps braucht, um das Hostel Ahoy Porto Covo zu finden, obwohl es ausgeschildert ist und es das Einzige im Ort ist. Das Zimmer ist noch nicht fertig, und ich muss noch eine Stunde in der prallen Sonne herumlaufen, und das ohne Sonnencreme... die Klippen sind spektakulär, die Wellen des Atlantik groß. In Norden sieht man den Hafen von Sines mit Containerbrücken und Industrie.
Der Besitzer des Hostels, Nicolau, ist sehr nett und erklärt mir ausführlich anhand der Wanderkarte den Wegverlauf des Fischerpfades, mit Restaurant- und Übernachtungsempfehlungen, besonderen Sehenswürdigkeiten und Geheimtipps für die Wegführung. Da er kein Einzelzimmer mehr frei hatte, hat er mich allein in einem Zimmer für vier Personen einquartiert, ich zahle trotzdem nur den Preis für ein Bett, 16 Euro.
Im Restaurant Tasca do Xico; meine Dorade ist gerade auf dem Grill.
Oben auf den Klippen gibt es einen Leuchtturm und unten ein paar klitzekleine Sandstrände, zu denen man über steile Treppen herunter steigen muss. Das Dorf hat auch einen Fischerhafen, der aus einer Betonrampe besteht, die ins Wasser führt. In der Mitte befindet sich die Hauptstraße mit Restaurants und Souvenirläden für die Touristen.
Nicolau hat mir natürlich auch enpfohlen, wo man hier gut Fisch essen kann, und zwar im Tasca do Xico in einer Seitenstraße fernab vom Trubel. Wie für südliche Länder typisch, gibt es erst ab 19 Uhr was. Das Warten lohnt sich; der Wirt empfiehlt frische gegrillte Dorade (das ist der einzige Fisch, den er hat, der klein genug ist, dass ich einen allein essen kann). Ich kann beim Zubereiten zuschauen; auf der Terrasse gibt es einen Holzkohlegrill, wo die Köchin den Fisch zubereitet, einfach, aber sauber. Sie erklärt mir, warum sie mich extra vorher wieder weggeschickt hatte, denn der Grill wird erst um sieben angeworfen und "alle ausländischen Gäste wollen gegrillten Fisch essen". Es sind tatsächlich auch Einheimische zum Essen hier, unter anderem ein in Mosambik geborener Portugiese (das war früher eine portugiesische Kolonie), der lange in Deutschland gearbeitet hat und der hocherfreut ist, seine Deutschkenntnisse zur Anwendung zu bringen. Für das komplette Menü mit Brot und Oliven als Vorspeise, Fisch mit Kartoffeln und Gemüse und einer Flasche Wasser zahle ich 13 Euro.
Kamel müsste man sein
Das Hostel hat eine Küche, in der man sich Essen zubereiten könnte, wenn man was dabei hätte, was zubereitet werden müsste. Es gibt auch ein paar Reste, die andere Gäste hinterlassen haben, z.B. Teebeutel undefinierbarer Geschmacksrichtung. Schwarz ist er jedenfalls nicht. Ich treffe ein paar andere Gäste, alle sind Wanderer auf dem Fischerpfad: ein Holländer, ein französisches und ein englisches Pärchen.
20 km durch den Sand stapfen ist für heute angesagt. Hört sich schrecklich an, ist aber halb so wild. Nur die Sonne, die den ganzen Tag von oben runter knallt, ist anstrengend. Mal am Strand, mal am Rand der Klippen, mal durch die Dünen führt der Weg. Überall blüht es, obwohl man in diesem Sand eigentlich nur trockenes Gestrüpp erwarten würde. Erstes Zwischenziel ist die Festung Forte do Pessegueiro mit der davor liegenden Insel Ilha de Pessegueiro, auf der ebenfalls eine Befestigung steht. Man hat dort auch römische und ich glaube sogar noch ältere Ruinen gefunden. Komisch, dass trotzdem erst sehr spät aufgefallen ist, dass die Insel als Militärstandort ungeeignet ist, weil sie im Winter wegen Wind und Wetter nicht erreichbar ist und es dort außerdem kein Süßwasser gibt...
Rechtzeitig zum Mittag erreiche ich eine schöne Bank an einem der wenigen Wegabschnitte, die mit Holzplanken ausgebaut und eingezäunt sind, damit die Touristen nicht die ganzen Dünen zertrampeln. Ein phantastischer Blick über die Klippen und das Meer. Einzelne Angler stehen auf den vordersten Felsen und versuchen ihr Glück.
Der Nachmittag zieht sich. Welcher von diesen ganzen Parkplätzen war jetzt der, von dem aus es nur noch zwei Stunden sein sollten? Überhaupt erstaunlich, das es hier so viele Zufahrtswege und Parkplätze am Strand gibt, es soll doch ein Naturschutzgebiet sein? Der Sand scheint immer tiefer zu werden und die Sonne heißer. Warum hat die Karte eigentlich ein schönes Kilometergitter, aber keine GPS-Koordinaten am Rand? Endlich kommen ein paar Häuser in Sicht. Nirgendwo ein Ortsname, dafür wieder mal alles voller Autos und Touristen. Endlich werden die Häuser dichter, es ist eine Stadt, Vila Nova de Milfontes. Bis zum Ortskern ist es noch ein ganzes Stück. Der Ort sieht aus wie eine einzige Baustelle. Wo ist nur dieses mir empfohlene Hostel? Egal, ich nehme ein Zimmer im ersten Hotel, das geöffnet aussieht, Casa dos Arcos. Das Zimmer ist groß und laut, ständig schlägt eine Tür, und man hört lautes Gerede. Erholsamer Schlaf sieht anders aus, aber besser als gar keiner.
Mit der Fähre über den Rio Mira
Immerhin ist hier Frühstück im Zimmerpreis inbegriffen, ein schönes Buffet mit Müsli und Joghurt, und vor allem: mit schwarzem Tee! Sogar mit Milch! Der alte Herr, der das Buffet betreut, ist allerdings komplett überrumpelt, als um Punkt halb neun jemand auf der Matte steht und essen möchte, noch dazu jemand, der offensichtlich kein portugiesisch versteht...
Der Rezeptionist zeigt mir persönlich den Weg bis zum nächsten Supermarkt und begleitet mich ein Stück, damit ich ja nicht falsch gehe. Auch er spricht nur portugiesisch, aber
supermercado versteht er. Da man ja zwischendurch nicht immer was zu trinken bekommt, und da auch morgens die Versorgung mit koffeinhaltigen Getränken nicht unbedingt sichergestellt ist, werde ich ab jetzt immer zwei Dosen Cola mit herumschleppen, nur für alle Fälle.
Es soll hier eine Fähre über den Mira geben, die einem den Umweg über die Landstraße und die Brücke ein Stück flussaufwärts erspart. Gestern habe ich schon die Hinweisschilder zum Anlegesteg gesehen. Auf dem Weg dahin begegnet mir das französische Pärchen von gestern, sie sind der Ansicht, dass die Fähre noch nicht fährt, weil noch nicht Hauptsaison ist. Im Café nebenan mal zu fragen, kann ja nicht schaden. Die Wirtin spricht kein Englisch, aber mein Spanisch versteht sie. Sie erklärt dann auf Portugiesisch, dass sie erst jemanden anders fragen muss. Diese junge Dame springt sofort auf und hilft mit dem Übersetzen. Zu zweit beschließen sie, noch jemanden anderes zu fragen, der die Schiffsbesitzer kennt. Es werde leider ein paar Minuten dauern, man müsse erst telefonieren. Ob ich so viel Zeit hätte? Was für eine Frage! Wann ich denn übersetzen möchte? Jetzt gleich? Dann sollte ich doch bitte direkt zum Anleger hinuntergehen, man würde auf mich warten. Was für ein Service! Die Fähre ist ein kleines Bötchen mit Platz für etwa zehn Leute. Eine Gruppe französischer Wanderer ist schon drauf, aber für mich und meinen Rucksack ist gerade noch Platz. Die Überfahrt kostet 5 Euro und ist viel idyllischer als der Fußweg über die Brücke gewesen wäre, ein Betonding, dass man in der Ferne sieht.
Die Wegführung ist im Folgenden etwas verwirrend, man könnte direkt am Strand entlang gehen, aber die Schilder sagen, man soll den etwas zurückliegenden Fahrweg benutzen. Dann geht es ein kurzes Stück entlang einer Asphaltstraße auf die Klippen, und anschließend folgt der Weg eine Zeit lang der Grenze zwischen Dünen und Feldern. Die Akazien blühen hier überall, und es gibt kleine Wäldchen aus riesigem Schilfrohr. Bald geht es dann doch wieder näher an die Klippen und durch die Dünen. Es gibt so viele Trampelpfade, dass es schwierig ist, den offiziellen Weg von den vielen anderen zu unterscheiden. Die heutige Etappe hat nur 18 km, davon habe ich wahrscheinlich schon drei gespart, indem ich die Fähre statt der Landstraße genommen habe. Also sich Zeit lassen und viele Pausen machen! So haben die Gruppe Franzosen und ich ungefähr dasselbe Tempo und laufen uns heute noch öfter über den Weg.
Der Himmel ist morgens grau, die Sonne kommt erst am Nachmittag raus. Besser als noch ein Sonnenstich.
Mein Zimmer im Natura Maris.
Auf den letzten Kilometern vor Almograve treffe ich zwei deutsche Mädels, die ebenfalls diese Etappe des Fischerpfades gelaufen sind; sie müssen allerdings heute noch nach Vila Nova zurück (per Anhalter oder Bus), denn dort steht ihr Auto. Almograve ist endlich mal so klein, dass man auch ohne GPS zurechtkommt, es gibt nur eine Hauptstraße, die vom Land zum Strand führt, und ein paar Seitengassen. In der Mitte ist die Kirche, die Bushaltestelle und der Supermarkt.
Mein Hotel, das Natura Maris, liegt am anderen Ortsende von Almograve, Richtung Strand, und sieht sehr einladend aus. Der Chef spricht deutsch. Das Zimmer kostet 35 Euro und bietet zwei Betten und ein eigenes Bad. Kurz Rucksäcke umpacken - Zeit für einen Strandbummel! Natürlich nicht ohne im Restaurant nebenan noch ein Eis am Stiel mitzunehmen.
Termperaturmessung per pedes.
Es gibt eine schöne windgeschützte Bank in der Sonne, wie für mich gemacht. Der Strand ist nicht sehr bevölkert, was wohl mit der Lufttemperatur und dem Wind zu tun haben könnte. Die Wellen scheinen heute hier höher zu sein als gestern, und das Wasser ist (Zehenprobe) ziemlich kalt. Trotzdem sind zwei Leute im Wasser. Gestern habe ich nur Surfer mit Neoprenanzügen gesehen. Es scheint auflaufendes Wasser zu sein, aber der Unterschied zwischen Ebbe und Flut ist nicht sehr ausgeprägt. Ob ich auf dem Rückweg von meinem Spaziergang noch ohne nasse Hosenbeine um den von den Wellen umspülten Felsen herum komme? Definitiv kein Problem, aber auch definitiv zu kalt zum baden!
Abendessen gibt's entweder im "Stadtzentrum", oder eben im Restaurant Mar D'Agua direkt neben meinem Hotel. Der Kellner erklärt mir, sie hätten keinen frischen Fisch, da Montag sei. Es gäbe nur Fisch von gestern. Im ersten Moment muss ich an Verleihnix und Fisch aus Lutetia denken, aber die "Sarden" (keine Sardine, sondern etwas ohne Übersetzung, was einer Dorade sehr ähnlich sieht), die ich dann vorgesetzt bekomme, riecht zwar merkwürdig (ist das ein psychologischer Effekt?), schmeckt jedoch sehr lecker und ist frischer als jeder Fisch, denn ich in Karlsruhe je gegessen habe. Dazu gibt es wie in Porto Covo Gemüse und Kartoffeln, und diesmal einen frischen Orangensaft. Das englische Pärchen ist auch eingetroffen, sie essen am Tisch nebenan und wir unterhalten uns. Sie haben einen Gepäckservice für den Weg gebucht, trotzdem scheint zumindest die Frau etwas angestrengt. Sie fragt mich nach dem Schwarzwald – kann ich den Westweg unter diesen Umständen guten Gewissens empfehlen?
Ein bedeutender Fischereihafen
Überall sieht man interessante Blumen.
Frühstück gibt es nicht im Hotel, sondern wieder im Mar d'Agua. Eigentlich wollte ich nur eine Tasse Tee trinken, aber als mir der Kellner (derselbe wie gestern Abend - ganz schön kurze Nacht!) unaufgefordert das volle Programm mit Joghurt, Müsli, Brot, Marmelade und Aufschnitt und natürlich frischem Orangensaft hinstellt, kann ich nicht nein sagen. Der Tee kommt sogar im Kännchen, und dazu eine Extraportion heiße Milch. Und das alles für nur fünf Euro! Die Engländer und ein älterer Herr aus Deutschland sind auch da. Die Franzosen haben wohl woanders übernachtet.
Das Wetter ist heute wieder bedeckt, aber heller als gestern. Der offizielle Weg ginge irgendwo in der Ortsmitte los und dann auf einem Trampelpfad zum Strand, aber man kann natürlich auch, wie gestern schon, die Straße nehmen. Dann weiter oben auf den Klippen entlang, rechts das Meer, links die Dünen. Teilweise auch weiter im Hinterland, zwischen Dünen und Macchia. Durch den kleinen Ort Cavalheiro, wo die Engländer und die Franzosen im Café sitzen. Ich hatte gerade erst eine Pause – oder? Jedenfalls bleibe ich lieber allein.
Störche nisten auf den Klippen.
Ab hier sind fast auf jeder vorgelagerten Klippe Storchennester. Am Cabo Sardao mit seinem Leuchtturm gibt es darüber hinaus auch schrecklich viele Touristen. Erst eine ganze Weile später ist es wieder ruhig genug für meine Mittagspause. Die Engländer überholen, schon vermummt für den herannahenden Regen. Ich warte lieber auf die ersten Tropfen. Der Schauer ist dann auch schon wieder vorbei, bis ich alles angezogen und verpackt habe.
Durch die Akazien zum bedeutenden Fischereihafen Entrada de Barcas.
Es geht jetzt einen langen, schnurgeraden Feldweg entlang, an beiden Seiten gesäumt von Akazien. Der Duft, falls man das noch so nennen möchte, ist nasenbetäubend. Inzwischen scheint die Sonne und es ist wieder richtig warm. Bei Entrada de Barcas, dem Fischereihafen in der Gegend, hole ich die Engländer wieder ein. Der Weg führt hier steil die Klippen hinunter und ist sogar mit einem Stahlseil gesichert, dass allerdings eher hinderlich als hilfreich ist. Trittsicherheit reicht aus, und man landet sowieso eher im Matsch auf dem Weg als am Fuß der Klippen. Der Hafen besteht aus einer Betonrampe, einer Betonmauer als Wellenbrecher und etwa fünf herumliegenden kleinen Booten. Oben auf den Klippen gibt es noch ein paar Häuschen, die so klein und ärmlich aussehen, dass ich mich frage, ob da wirklich permanent Leute drin wohnen? Sieht so aus.
Wie von Nicolau aus Porto Covo angekündigt kommt jetzt ein langweiliges Stück Landstraße. Auf beiden Seiten dichtes Gebüsch, links dahinter irgendwelche Obstplantagen und rechts die Klippen, von beidem sieht man nichts. Alle paar hundert Meter gibt es einen Rastplatz mit Holzbohlen und Fitness-Info-Tafeln. Nur durch Zufall finde ich die Stelle, an der der Fischerpfad wieder von der Straße abgeht, nämlich weil ich dem Hinweis zu einem Aussichtspunkt auf den Klippen folge. Hier kommt das schwindelerregendste Stück der ganzen Tour: der Aufstieg (und vor allem der Abstieg!) auf den Aussichtsturm, der wie ein Hochsitz gebaut ist, nur viel größer und höher, aber eben mit einer ungesicherten Leiter aus Holzbrettern.
Endspurt nach Zambujeira do Mar. Es gibt jede Menge Gebäude mit dem Hinweis Alojamiento Local – lokale Übernachtungsmöglichkeit – aber alle sehen irgendwie geschlossen aus. Der erste unfreundliche Portugiese überhaupt begegnet mir im Büro der Touristeninformation. Er drückt mir einen Stadtplan in die Hand und erklärt, da wären die Übernachtungsmöglichkeiten eingezeichnet. Zusätzlich gäbe es auch noch ein Hostel (er malt ein Kreuz auf den Plan), aber er wisse nicht, ob das geöffnet sei. Auf wiedersehen. Na danke. Ich entscheide mich für eins der AL-Symbole in der Nähe, es heißt laut Schild am Haus "Sol Dourado", goldene Sonne, und klingele an der Tür. Tatsächlich öffnet sich im ersten Stock ein Fenster und eine Dame erklärt, sie käme gleich runter. Sie führt mich durch einen wunderschön gekachelten Flur in ein liebevoll eingerichtetes Zimmer mit Teekocher, Teebeutel (nicht schwarz), Dusche und WC, ohne Frühstück, mit WLAN (wie überall üblich). Der Ort bietet eine große Auswahl an Supermärkten, die sogar Postkarten und Briefmarken haben. Gut, denn die Post hat schon geschlossen. Schnell noch zum Strand, bevor die Sonne untergeht! Oder doch lieber erst nochmal zurück ins Zimmer und warme, winddichte Klamotten überziehen, denn abends wird es schnell kalt. Auf den Klippen sind wieder überall Störche zu beobachten.
Das Fernsehprogramm bietet drei verschiedene Programme, die alle irgendwie wie RTL auf portugiesisch aussehen, also gehe ich früh ins Bett.
Regen
Wegmarkierung auf dem Trilho: gekreuzte Linien bedeuten "hier nicht". Weiter rechts an einem unauffälligen Pfosten im Gestrüpp dann zwei parallele Linien: hier ist man richtig.
Eine ruhige Nacht, trotz der hellhörigen Räume und der anderen Gäste, die spät abends noch eintrafen. Schlüssel stecken lassen und die Tür hinter mir zuziehen, wenn ich aufbreche, sagte die Wirtin. Das ist mal eine praktische Checkout-Prozedur. In welchem der vielen Cafés im Ort bekomme ich wohl am ehesten eine Tasse Tee? Ach, vielleicht in keinem, ich gehe einfach mal los. Schließlich will der ganze mitgenommene Proviant auch mal irgendwann gegessen werden. Ich habe noch Brötchen von gestern, die ich inzwischen auch krümelsicher verpackt habe, nachdem sie mir auf dem Heimweg vom Supermarkt den ganzen Rucksack mit Mehl gepudert haben — welcher Trottel macht bitte Brötchentüten mit eingebauten Krümel-Löchern? Viel Zeit für Pausen will ich mir heute nicht nehmen, denn ich möchte mal etwas weiter als bis zum vorgesehenen Etappenziel.
Nach ein paar Kilometern soll ein Restaurant kommen... oder auch nicht, ich habe wohl die Etappen verwechselt. Dafür gibt es am Praia de Carvahal eine noch geschlossene Surf-Schule mit einem windgeschützten Picknick-Plätzchen. Das Wetter ist durchwachsen, und man sieht die Regenwolken schon heranziehen. Ausgerechnet an einem steilen Abschnitt muss ich dann anhalten und die Regensachen anziehen, weil die Tropfen immer größer werden. Keine gute Gelegenheit, um den Ausblick auf den kleinen Wasserfall zu genießen, der hier über die Klippen fällt. Als der Wind mir dann zusätzlich zum Regen auch noch den halben Bach um die Ohren weht, als ich den oben auf den Klippen überqueren muss, ist meine Stimmung erst mal am Tiefpunkt angelangt. Obwohl eigentlich nichts passiert ist, die Regensachen halten dicht. Glücklicherweise kommt der Wind vom Meer her, und wenn man stolpern sollte, bläst es einen wenigstens nicht die Klippen runter. Die Störche sehen auch aus, als ob jemand sie im Regen stehen gelassen hätte. Der Schauer ist zwar heftig, aber nicht besonders lang, und bald kommt schon wieder die Sonne hinter den Wolken hervor. Im Dort Azenha do Mar hätte es dann tatsächlich ein Restaurant gegeben, aber ich habe ja gerade gefrühstückt. Auch hier gibt es heruntergekommene Wellblech-bedachte Häuser am Ortsrand, und einen Hafen in Form einer Betonrampe. Hinter dem Dorf gilt es, einige kleine Bäche zu überqueren, in denen laut Wanderführer Otter leben. Ich sehe keine, es ist aber trotzdem sehr idyllisch.
Blick über den Rio Ceixe nach Praia de Odeceixe. In der Flussniederung.
Der nächste Regenschauer nähert sich, der Wettervorhersage nach mit Windgeschwindigkeiten von 40 km/h. Schnell weiter! Kurz vor Odeceixe treffe ich einen Deutschen, der nur zwei Tage unterwegs war, aber so viel redet, als hätte er seit Monaten niemanden getroffen. Zum Glück unterhaltsam. Der Ort liegt etwa drei Kilometer landeinwärts, am Fluss Ceixe, den man nur dort auf der Brücke überqueren kann. Endlich mal eine etwas andere Landschaft, eine Flussniederung mit Wiesen und Weiden. In Odeceixe trennen wir uns wieder, er hat dort sein Auto stehen, und ich hoffe auf ein ordentliches Mittagessen. Es ist halb zwei, und hier wäre eigentlich das Tagesziel. Die Engländer und Franzosen habe ich wohl endgültig abgehängt.
Hier herrscht so ein prima Klima, dass sogar an den Elektrozäunen Flechten wachsen.
Im ersten Restaurant des Ortes, dem "Quintal Dos Sabores" bin ich angenehm überrascht: es sah von außen nach einer Hamburger-Bude aus, aber drinnen hat es Stofftischdecken und -servietten und ich bekomme auch gleich die üblichen Vorspeisen, diesmal Brot und Schafskäse. Beinahe schade, hier wirklich nur einen Burger zu essen! Einen Burger-Teller, prato hamburgesa, das Burger-Patty ohne Brot zwischen zwei Scheiben Käse, Salat, Gurke und Zwiebeln extra daneben, dazu Reis und handgeschnittene Pommes und leckerer frischer Orangensaft. Als Entschädigung für heute Morgen fängt der Regen jetzt gerade in dem Moment an, als ich das Restaurant betrete, und hört auf, bevor ich, allzu vollgestopft, wieder los gehe.
Jetzt wieder den Fluss hinunter zum Strand Praia de Odeceixe, die Straße entlang. Blöder Asphalt, schon tut mir ein Knie weh. Ab da geht es wieder auf die Klippen und durch die Dünen. Nasser Sand ist auch nicht besser als trockener, was das Laufen betrifft, und was den Rest betrifft, klebt er auch noch an allem fest, was damit in Berührung kommt: Rucksack, Regenzeug, Fototasche, Trinksystem. Der Regen setzt wieder ein, diesmal mit mehr Ausdauer. Keine trockene Gelegenheit mehr für eine Pause, auch wenn ich trotz der längeren Strecke schon wieder viel zu früh am Ziel ankommen werde. Der normale Weg ginge von Odeceixe aus direkt im Landesinneren nach Süden, und ich habe den Umweg über die Klippen genommen und so den Weg zum Strand und zurück extra gemacht. Der Rückweg von den Klippen zum normalen Weg führt durch Obst- und Blumenplantagen, keine Ahnung, was da so alles wächst und blüht (Büsche mit roten Blüten?). Alles wird bewässert mit Wasser aus dem Stausee des Rio Mira. Die Straße (schon wieder Asphalt!) ist voller Schnirkelschnecken in allen Größen.
Das Resort Joao Roupeiro.
Ich habe schon bei Joao Roupeiro angerufen, um ein Zimmer zu reservieren, außer einer Straßenkreuzung gibt's hier nämlich sonst gar nichts. Es kostet 60 Euro, mehr als doppelt so viel wie normal, dafür ist das Frühstück inklusive und es ist ein Resort mit Tennisplätzen und Swimming Pool. Mir ist die Badewanne allerdings lieber. Es gibt Shampoo, Duschgel und Körperlotion, nur der Hamam-Handschuh fehlt...
Bewässerungskanal mit Hund
Die ganze Nacht über stürmt und regnet es. Das Hotel wirbt damit, eine Zentralheizung zu haben, und das ist auch tatsächlich eine Seltenheit hier, allerdings brummelt und pfeift das Ding die ganze Nacht vor sich hin, obwohl ich sie abgedreht habe. Frühstück gibt es ab neun Uhr, für mich eher spät, und "ab neun" heißt natürlich, dass erst dann mit der Vorbereitung begonnen wird. Es lohnt sich zu warten: es gibt eine große Auswahl an frischem Obst, Kuchen, Brot und Müsli. Die Köchin bietet auch an, mir Spiegel- oder Rührei mit Speck zu machen, mir reicht der Rest jedoch völlig. Ich bin der einzige Frühstücksgast, das heißt, ich habe eine ganze Kanne frischen Orangensaft für mich alleine. Tee gibt es nicht; sie hätten wohl welchen gemacht, wenn ich gefragt hätte. Ich trinke eine riesige Tasse Milchkaffee, auch nicht schlecht. Oder war die große Tasse als Müslischälchen gedacht? Ich werde es nie rausfinden.
Die junge Dame am Empfang ist noch neu hier. Sie ist sehr hilfsbereit und gibt sich alle Mühe, für mich herauszufinden, wo genau der Weg von hier aus weitergeht. Da sie nicht von hier ist (sondern aus Aljezur, immerhin 15 km entfernt), kennt sie sich noch nicht aus, und sie kann auch keine Karten lesen, aber sie sucht ihre Kollegin und übersetzt deren portugiesische Wegbeschreibung für mich auf englisch. Viel besser als ein deutsches "Keine Ahnung. [Lassen Sie mich in Ruhe]". Den Hügel hinauf und oben dann immer am Kanal entlang. Der Kanal liegt auf einem Hügel? Tatsächlich. Es ist der Bewässerungskanal, der von der Talsperre des Rio Mira kommt. Ein ca. drei Meter breites Betonding, das abgesehen von einigen rechtwinkligen Knicken immer schnurgerade geradeaus geht. Das Wasser ist klar. Heute scheint schon morgens die Sonne, immer wieder unterbrochen von großen weißen Wolken, die entweder Schönwetter- oder Gewitterwolken sein könnten... ein alter Mann, der mir begegnet, zeigt besorgt auf die Wolken und ruft immer wieder "chuvo – Regen". Erst als ich ihm auf Spanisch versichere, dass ich ropa impermeable im Rucksack habe, lächelt er beruhigt.
Der Kanal geht mitten durch landwirtschaftlich genutztes Gebiet (macht ja auch Sinn). In einiger Entfernung sieht man immer wieder einzelne Häuser, Bauernhöfe vermutlich, mal mit Hahn, mal mit Hund. Die Hunde sind zum Glück immer angeleint oder eingezäunt... oder? Hinter der nächsten Kanalbiegung ist der Zaun offenbar zu Ende, und ein riesiger brauner Hund von der Größe eines Kalbes kommt bellend und knurrend auf mich zu gerast. Was macht man, wenn man zum Ausweichen nur den Kanal hat? Ruhig bleiben und das Tier ignorieren, hab ich mal gehört. Netter Versuch! Lieber schon mal die Gurte des Rucksacks lösen, falls man sich durch den Impuls im Kanal wiederfindet und den Rucksack schnell abwerfen muss. Und dann doch mal umdrehen und gucken, nachdem es nicht mehr bellt, aber auch nicht "platsch" gemacht hat. Man wird beschnüffelt, und dann zieht der Hund seelenruhig wieder ab. Zwei Kilometer weiter ist dann auch mein Puls wieder normal.
Bei dem Ort Rogil zweigt der Weg vom Kanal ab, um dem Wanderer die volle Schönheit der mitten durch den Ort führenden Landstraße zuteil werden zu lassen. Kleine Geschäfte und Cafés wechseln sich mit liebevoll mit Kacheln dekorierten Häusern und auch mit einigen leerstehenden Gebäuden ab, die zum Verkauf stehen. Am Ortsende trifft der Weg wieder auf den Kanal. Angeblich bauen sie hier Erdnüsse an, die meisten Felder sehen aber eher aus, als ob sie brach liegen. Vielleicht ist es noch zu früh im Jahr?
Ich bin schon kurz vor Aljezur, und es ist schon wieder noch so viel vom Tag übrig! Irgendwie habe ich die Abzweigung verpasst, wo der Fischerpfad zum Strand von Amoreira geführt hätte. Da habe ich wohl mit zu viel Faszination die große dunkle Wolke betrachtet, die im Anmarsch war, mich dann aber knapp verfehlt hat – bis auf ein paar Tropfen habe ich nichts abgekriegt. Dann laufe ich eben von hier aus zum Strand und denselben Weg wieder zurück. Am Strand gibt es einen Wohnwagencampingplatz (keine Seltenheit hier) und ein kleines Restaurant (das gibt es sonst eher selten außerhalb der Orte) mit verhältnismäßig hohen Preisen, das liegt wohl an der exponierten Lage. Es sind sogar ziemlich viele Touristen zum Essen da, ich möchte nicht wissen, wie das hier in der Hauptsaison zugeht! Brot und Oliven, danach ein Pilzomlette, das ist mein Mittagessen. Die Oliven sind längst nicht so gut, wie ich sie sonst gewöhnt bin, aber das Brot ist wie überall hervorragend.
Bei Amoreira mündet der Ribeira de Aljezur in den Atlantik; das Flusswasser ist sehr klar. Die Stadt Aljezur liegt ein Stück weiter flussaufwärts auf der anderen Flussseite; wie üblich gibt es nur dort eine Brücke. Ich könnte jetzt auch der Straße folgen, aber der Weg durch die Hügel, den ich gekommen bin, ist einfach schöner. Die Wolken lassen die Landschaft noch interessanter aussehen. Jetzt erspähe ich auch die im Führer besonders erwähnten Berge im Osten! Wieder einmal treffe ich ein Pärchen, diesmal Holländer, die auch auf dem Fischerpfad unterwegs sind, auch mit Gepäckservice. Sie sind trotzdem deutlich langsamer als ich. In Aljezur treffen mehrere kleine Flüsse aufeinander und bilden dann den Ribeira de Aljezur; man kann sich gut vorstellen, wie sich zwischen den Steinen und Pflanzen im Flussbett die Otter tummeln. Hinweistafeln weisen überall darauf hin. Leider bleibt es bei der Vorstellung, denn sie sind vorwiegend dämmerungsaktiv. Hätte ich das vorher gewusst, wäre ich womöglich noch eine Nacht hier geblieben. Auch die Altstadt mit der Burg wäre sicher einen Blick wert gewesen. So habe ich schon die Rückfahrt nach Lissabon gebucht, mit dem Vier-Uhr-Bus, der an der alten Markthalle abfährt. Hier wimmelt es von Touristen, viele Deutsche darunter, die busladungsweise hier abgesetzt werden, um die eben genannte Altstadt anzuschauen.
Der Bus ist pünktlich, das WLAN funktioniert prima, der Sitz ist genauso bequem wie auf der Hinfahrt. Er ist nur nicht da, wo er sein sollte: Platz 28 am Fester direkt hinter der hinteren Türe hatte ich reserviert, aber 28 ist in diesem Bus auf der linken Seite am Gang. Zum Glück wird der Bus nie komplett voll und es stört keinen, dass ich auf dem falschen Platz sitze. Viereinhalb Stunden fahrt ist ganz schön lang. Mir präsentieren sich im Vorbeifahren noch einige schöne Ausblicke auf Orte, in denen ich gewesen bin (z.B. Odeceixe) und solchen, von denen ich nur gehört habe (z.B. Odemira, sehr malerisch am Fluss Mira gelegen und sicher auch einen Ausflug Wert). Abends um halb neun kommt der Bus an der Station Sete Rios in Lissabon an. Mein Hostel, Sete Rios Rooms, liegt direkt um die Ecke. Nur wie funktioniert die Klingel? Ein Zehnerblock Zifferntasten... welche Kombination steht für das Hostel? Google sei dank kann ich die Telefonnummer rausfinden und anrufen, und jemand macht mir die Tür auf. Mein Zimmer ist riesig, mit zwei Schreibtischen, vielen Schränken, einem Doppelbett und einem intensiven Geruch nach Patschuli. Dusche und WC liegen separat auf der anderen Seite des Flurs und stehen mir exklusiv zur Verfügung (alle anderen Zimmer haben Dusche und WC dabei). Das Zimmer liegt im ersten Stock und geht auf eine recht befahrene Straße hinaus, von dem Flugverkehr über meinem Kopf ganz zu schweigen. Aber der Patschuli-Geruch benebelt einen genug, um trotzdem schlafen zu können.
Patschuli-Zimmer im Sete Rios Rooms Hostel.
Jardim zoológico
Eigentlich könnte ich ja duschen. Oder auch nicht, denn an der Wand ist keine Befestigungsmöglichkeit für den Duschkopf, nur ein Bohrloch. Frühstück gibt's hier auch nicht, aber auf der Straße vor der Tür wird's wohl was geben. Die Sonne scheint so ein bisschen, aber es ist ziemlich kalt, weniger als 10 Grad, würde ich sagen. In einem kleinen Café gibt es tatsächlich schwarzen Tee, der Kellner hält mir den Beutel unter die Nase, um sicherzugehen, dass er mich richtig verstanden hat. Und dazu ein Walnuss-Muffin. Der Zoo macht erst um 10 Uhr auf, und man kann sich nur eine endliche Zeitspanne mit einem Muffin beschäftigen. Kleiner Spaziergang durch die Nachbarschaft. Alle drei Minuten dröhnt ein Flugzeug über die Stadt hinweg; von dem Konzept der Einflugschneise haben sie hier wohl noch nicht gehört (wohl aber von dem der Wendeschleife, so wie's sich anhört). Ansonsten ist hier nicht viel Interessantes zu sehen. Der Spaziergang führt immerhin zu der Erkenntnis, dass ich wohl besser noch mehr Klamotten anziehen sollte, wenn ich im Zoo nicht erfrieren möchte. Also nochmal zurück ins Hostel.
Im Reptilienhaus. Ich möchte auch eine Infrarotlampe (nur sicherheitshalber meine eigene).
Endlich ist es 10 Uhr. Der https://www.zoo.pt/ (so viele gibt's in Portugal wohl nicht) ist mit 20,50 Euro recht teuer, besonders im Vergleich zu Tee mit Muffin für 1,80. Schon am Eingang treffe ich auf die hübschen Kacheln, an denen die Portugiesen auch 700 Jahre nach der Zeit der Araber noch hängen. Ich werde erst mal von ein paar Regentropfen begrüßt. Doch wozu gibt es das Reptilienhaus? Die Gehege sind hier oft mit Maschendrahtzaun eingefasst, was es einigermaßen schwierig macht, gute Fotos zu schießen. Einige sind recht klein, aber viele sind durchaus vergleichbar mit anderen europäischen Zoos und sehr nett eingerichtet mit viel Grün zum Verstecken für die Tiere. Auffällig ist, dass viele Tiere trotz des kalten Wetters draußen sind, z.B. alle Affen. Ddas wäre in Karlsruhe nicht passiert, oder hat schon mal jemand dort die Affen auf der Insel im Ententeich gesehen? Erst als es am Nachmittag anfängt, in Strömen zu gießen, verziehen sich die Tiere nach drinnen. Rechtzeitig zur Mittagspause findet die Flugshow statt. Mist! Während der Vorführung bitte nicht essen!
Hier zeigen sie vor allem Papageien, aber auch einen Hornraben. Der Uhu darf nicht selber fliegen, sondern wird nur herumgezeigt. Der Nandu ist so verschreckt von der brüllenden Kindergarten-Horde, dass er sich nicht durch das von den Kindern präsentierte Futter locken lässt. Am Ende rennt noch ein Gürteltier einmal quer über die Vorführfläche, und zum Abschluss wird das arme Tier von der Pflegerin den schreienden Kindern zur Betrachtung präsentiert.
Seilbahn im Zoo – der eine so, der andere so.
Der Zoo wird von einer Seilbahn überspannt, die im Dreieck einmal über das Gelände schwebt. In die Gondelchen passen maximal zwei Personen und man kann nur stehen, nicht sitzen. Die Fahrt dauert etwa eine halbe Stunde. Bei den aktuellen Temperaturen ist das nicht unbedingt ein Genuss, aber interessant ist es schon. Die Löwen präsentieren sich in bester Faule-Katzen-Manier, und man kann die Ozelots sehen, die es sich im hinteren, von unten nicht einsehbaren Bereich ihres Geheges bequem gemacht haben.
Mit dem Regen verschwinden nicht nur die Affen aus den Außengehegen, sondern auch die meisten Besucher. Nach einer heißen Schokolade und einem Pfefferminztee sehe ich mich in der Lage, bis zur Delfinshow auszuharren, die dann allerdings wegen Zuschauermangel ausfällt. Statt dessen dürfen die Sieben vom Regen Gezeichneten mit den beiden Pflegern hinter die Kulissen. Als Erstes müssen wir unsere Schuhe in einem Becken desinfizieren. Dann dürfen wir die Delfine streicheln und ihnen Küsschen geben. Geschäftstüchtig wird alles von einer Fotografin dokumentiert und wir können die Fotos hinterher für fünf Euro pro Stück erwerben. Es kommt ja hoffentlich den Tieren zugute. Einer der Delfine hat eine Pilzinfektion der Atemwege, und eine Pflegerin kommt zum Verabreichen einer Inhalation, mit einem dicken Schlauch, der ans Atemloch angesetzt wird (den durften wir nicht küssen). Das Zeug scheint ziemlich giftig zu sein, denn die Pflegerin trägt Schutzkleidung inklusive Brille und Atemmaske. Der Delfin schwimmt bereitwillig mit und lässt die Prozedur über sich ergehen.
Die Koala-Vorführung und die Pelikan-Fütterung fallen wegen des schlechten Wetters ebenfalls aus. Der Zoo hat trotz allem bis 20 Uhr geöffnet. Da könnten sich deutsche Zoos mal ein Beispiel nehmen! Es gibt bloß nichts mehr zu sehen, was ich nicht schon zwei Mal gesehen hätte – bis auf den Nebelparder, der ist nur einmal schnell durch sein Gehege gehuscht. Insgesamt ein gelungener Besuch und ein schöner Zoo, z.B. der einzige, den ich bisher gesehen habe, der drei verschiedene Arten von Tigern hat (Sumatra- und sibirische Tiger, und weiße, die streng genommen keine eigene Art sind). Und das Delfinbaby habe ich noch gar nicht erwähnt!
Im Zoo-Shop (durch den man nicht einmal unbedingt hindurch muss, wenn man raus geht) zeigt mir die hilfreiche Verkäuferin, in welchem Stadtteil sich die Fado-Restaurants befinden. Obwohl sie selber kein Fado mag, hat sie Verständnis dafür, dass man das als Tourist mal angehört haben muss. Dank des tollen neuen Handys, das endlich auch mal ein GPS-Signal bekommt, wenn man eins braucht, finde ich den Weg nach Alfama ganz gut, auch im immer noch strömenden Regen und nach Einbruch der Dunkelheit. Nehmen wir mal das zweite Restaurant, dass ich finde. Auf der Straße davor hält jemand "Wache", um die vorbeigehenden Touristen hinein zu locken. Also eine Touristenfalle, hätte ich mir ja denken können. Einheimische gibt es außer dem Personal nicht. Wenn man keinen bacalao möchte, hat man nicht so viel Auswahl, aber die portugiesischen Spaghetti carbonara sehen ganz gut aus. Nirgendwo steht, dass hier der Orangensaft ein Vielfaches des üblichen Preises kostet! Man bezahlt eben für die Musik mit. Die ist gar nicht schlecht, ein Mann und eine Frau wechseln sich beim Singen ab, dazu spielen eine portugiesische und eine klassische Gitarre, und dazwischen gibt es längere Pausen, in denen die Gäste bestellen oder bezahlen dürfen und ihr Essen serviert bekommen. Während der Darbietung mahnt der Kellner mit lautem "Schhht!" die Leute immer wieder zur Ruhe.
Auf dem Rückweg zum Hostel versuche ich mein Glück mit der Eléctrico, der hölzernen Straßenbahn. Ich habe keine Ahnung, wo die hinfährt, aber es geht irgendwie Richtung Stadtzentrum, und von da aus kann ich dann wieder zur Metro laufen.
Lisboa para turistas
Hafen und Ponte 25 de Abril in Lissabon.
Ach ja, das Stadtzentrum sollte ich vielleicht noch mal bei Tageslicht und heute auch bei Sonne anschauen. Also mit der Metro erst mal zum Hafen. Dort gibt's eine Art Strandbar, die nicht unbedingt auf Frühstücksgäste eingestellt ist und auch keinen schwarzen, sondern nur grünen Tee hat (Instant-Tee noch dazu!), aber dazu ein Stück portugiesischen Schokoladenkuchen, der ein bisschen wie Kalter Hund aussieht und vermutlich genug Kalorien für den restlichen Tag hat. Leider ist es wegen des Windes zu kalt, um einfach nur herum zu sitzen, auch wenn es ein Platz an der Sonne ist. Nach einem Spaziergang am Rio Tejo entlang schlage ich mich nach Norden in die Hügel der Stadt und fahre dann mit der berühmten Eléctrico Nr. 28 wieder zurück ins Zentrum. Inzwischen sind leider so viele Touristen unterwegs, dass das Wägelchen komplett voll ist und ich kein gutes Foto machen kann. Ich denke mir, dann fahre ich wenigstens mit einem der berühmten Aufzüge, die einem den Aufstieg auf die Hügel ersparen sollen. Nachdem ich schon zwei Straßenecken weiter die Warteschlange sehe, überlege ich mir das allerdings anders. Als Vormittagssnack (Ihr habt doch nicht wirklich geglaubt, dass ein Stück Kuchen bis zum Mittag reichen würde?!) kaufe ich ein paar frische Erdbeeren aus Portugal, die sogar schon einigermaßen süß sind.
Einer der berühmten Aufzüge.
Wie wäre es nun mit einer Stadtrundfahrt? Vom Laufen hab ich jetzt irgendwie genug. Im Hop-on-hop-off Bus verkaufen sie Tickets, obwohl es gar keine Sitzplätze mehr gibt, und damit auch keine Steckplätze für die Kopfhörer, über die man in beliebig vielen Sprachen die Erklärung der Sehenswürdigkeiten hören könnte. Nach einiger Zeit steigen ein paar Leute aus und ich kann mich hinsetzen, oben im Nicht-überdachten Bereich. Prompt fängt es an zu regnen und die restlichen Mitfahrer flüchten nach drinnen - hätte das nicht früher passieren können? Mir macht der Regen dank Regenjacke nichts aus, und außerdem sind es nur ein paar (allerdings sehr große) Tropfen. Einziger Nachteil ist, dass es im Schatten der Wolken immer gleich unangenehm kalt wird. Auf diese Weise komme ich also doch noch zu einer geführten Tour durch die Hälfte der Stadt.
Dann habe ich wirklich genug von den Touristen und flüchte zum Mittagessen in den Burger King. Anschließend hole ich mein Gepäck aus dem Hostel ab und fahre zum Flughafen. So eine Frechheit! Der Duty Free Shop hat sein Sonderangebot geändert und verkauft statt Großpackungen M&Ms nun irgendwas anderes Schokoladiges. Dafür hat die Eisdiele in der Mitte des food court sehr leckeres Eis mit griechischem Joghurt, Walnüssen und Honig. Schade, dass man immer erst zu spät merkt, welches die richtig leckeren Sorten sind - auf Pistazie und Schokolade hätte ich verzichten können. Auf die Smarties oben drauf eher nicht.
Der Rückflug startet pünktlich und wie erwartet mit einem schönen Rundflug für einen letzten Blick über die Stadt. Tschüss, Portugal!