Auf Hermannsweg und Eggeweg durch Teutoburger Wald und Eggegebirge
Oktober 2022
Rheine liegt gar nicht am Rhein
Wir fahren mit der Bahn, wie man das so macht, wenn man von einem Ort zum nächsten wandert. Erstaunlicherweise haben wir in Rheine nur 30 Minuten Verspätung! Es ist eine nette kleine Stadt an der hier ebenfalls noch kleinen Ems. Das erste Hotel, in dem wir nach einem Zimmer fragen, ist zu unserer großen Überraschung ausgebucht, aber das "Lücke" hat noch Zimmer, ist nicht viel teurer und hat sogar vier Sterne. Sehr gemütlich und mit Liebe eingerichtet. Der Chef kümmert sich persönlich darum, den Rauchmelder wieder zu befestigen, der bei uns auf dem Tisch lag. Vor dem Abendessen ist noch Zeit für einen kleinen Stadtspaziergang, und das gibt uns auch die Möglichkeit, die Restaurants zu inspizieren. Unsere Wahl fällt auf den Roten Hirsch, der 12 verschiedene Biersorten im Ausschank hat, davon zwei nach eigenem Rezept gebraut (allerdings nicht in der eigenen Brauerei). Da sollte sich wohl was finden lassen. Das Essen ist auch gut und es gibt Auswahl an Salaten. Obwohl wir lange warten mussten, ist es hinterher noch nicht ganz dunkel - die längere Dämmerungsphase im Norden macht's möglich. Noch kurz über die Ems und ein Stück am Fluss entlang. Wir werden mit den lokalen Künstlern konfrontiert in Form eines Betrunkenen, der auf der Brücke sitzt und aus vollem Halse und sehr ausdauernd singt. Auf der zweiten Brücke ist das Geländer beleuchtet und das zieht jede Menge Spinnen in allen Größen an, die hier ihre Netze bauen und sehr erfolgreich auf kleine Fliegen warten.
Juhu – morgen geht's los zum Wandern!
Nachtleben in Rheine: Bierauswahl im Roten Hirsch; Spinnen an der Emsbrücke.
Den Hinterdingsweg lang
Gut geschlafen! Frühstück für halb Neun bestellt und pünktlich erschienen. Es gibt eine sehr reichhaltige Auswahl an Müslisorten, Haferflocken und Rosinen einzeln, wie Zuhause. Gerhard schafft es nicht, seine Portion Rührei aufzuessen und ich muss ihm helfen. Vom Buffet dürfen wir uns auch Brötchen für unterwegs mitnehmen und die Mitarbeiter sind etwas irritiert, dass wir sie ohne Belag wollen – wir haben aber extra Bergkäse mitgebracht.
Morgenstimmung an der Ems.
Schon kurz nach neun sind wir unterwegs, ein schneller Blick auf das Emswehr und die Schleuse und dann geht's flussaufwärts am Ufer entlang. Das Wetter ist sonnig und warm genug, um ohne Jacke herumzulaufen. Auf den Wiesen liegt jede Menge Tau von der Nacht und glitzert im Licht. Bewaldete Dünenlandschaft mit Kiefern und Birken wechselt sich mit dunklen Ackerböden ab. Wir kommen an mehreren einzeln stehenden Höfen vorbei. Nach noch nicht mal zwei Stunden haben wir schon neun Kilometer geschafft und gönnen uns in der Sonne eine Pause. Leider war ein Stück des Weges gesperrt, hier wäre es quer durch einen Truppenübungsplatz gegangen. Dadurch mussten wir viel Umweg auf einer asphaltierten Landstraße gehen.
Am Hinterdingsweg machen wir Pause.
Das Dorf Bevergern ist sehr beschaulich mit vielen alten Gebäuden und von mehreren Kanälen durchzogen. 1991 gewann es den Wettbewerb "Unser Dorf muss schöner werden". Am Ufer der Bevergerner Aa machen wir Mittagspause (hier ist es nicht ganz so beschaulich, die Aa sieht mehr wie der Pfinzentlastungskanal aus). Überall liegen Eicheln am Boden und ständig hört man welche runter fallen. Jetzt ist es nicht mehr weit bis Hörstel, nur noch einmal über den Dortmund-Ems-Kanal und dann sind wir da, am Hotel Xtragleis im alten Bahnhof. Heute ist Ruhetag, d.h. wir müssen den Code für den Schlüsselschrank telefonisch erfragen. Das Zimmer ist vergleichsweise winzig, mit Blick auf eine Wiese bzw. einen Park. Erst mal Mittagsschlaf, nach 20km wohlverdient!
Zum Abendessen gehen wir schon gegen 17 Uhr ins Dorfzentrum. Döner, Döner, Döner oder Döner? Wir wählen die Pizzeria da Laval, hier gibt's auch Döner, aber auch Pizza und sehr leckeren Chefsalat mit Thunfisch. Danach ist noch Platz für einen großen Eisbecher - für mich lieber ohne Sahne. Ansonsten gibt's im Ort nicht viel zu sehen. Also zurück ins Hotel und früh ins Bett.
Alte Windmühle in Bevergern. Im Frühstücksraum vom Xtragleis.
In den Teutoburger Wald hinein
Die nachts vorbei donnernden Güterzüge, die das Bett wackeln lassen, erinnern mich an meine Kindheit an der Bahnlinie Hamburg-Berlin, wo die Taigatrommeln gefahren sind. Trotzdem schlafe ich nicht besonders gut. Liegt vielleicht daran, dass das Bett so schmal ist, dass die Bettdecke immer an der Seite herunterrutscht. Das Frühstücksbuffet ist super, wenn auch nicht ganz so üppig wie gestern. Dafür gibt es Kleie, passend zu ballaststoffreicher Ernährung mit geringer Energiedichte. Die Kellnerin, die den Tee bringt, ist anfangs etwas kurz angebunden, taut aber auf, als wir bezahlen und auschecken. Das Wetter ist genauso gut wie gestern, etwas diesiger vielleicht. Erste Station ist der LIDL, Brötchen und Obst kaufen. Der Bäcker nebendran hat leider vorübergehend geschlossen.
Gedenkstein für Robert Kronfeld, der am 15. Mai 1929 an dieser Stelle zum ersten Langstrecken-Segelflug der Welt startete.
Zuerst geht's an der Hörsteler Aa bis zum Mittellandkanal und dann daran entlang bis kurz vor den Donau-Ems-Kanal. Ab hier geht's dann richtig in den Teutoburger Wald hinein, ein paar Höhenmeter bis auf den Kamm, und dann immer oben in der Mitte des Höhenrückens lang, mit Blick nach beiden Seiten. Im Süden ist es deutlich diesiger als im Norden. Der Wald ist hier abwechslungsreicher Mischwald, mal viele Eichen, mal Kiefern und Birken, mal Buchen. Nur selten ein Stück angepflanzter Fichten- und Tannenwald. Wir kommen wieder flott voran, an Schutzhütten, Wegkreuzen, Aussichtspunkten und Kriegsgräberstätten vorbei. Die bedeutendste Sehenswürdigkeit ist der Gedenkstein zu Ehren von Robert Kronfeld, der von hier aus zum ersten Langstreckensegelflug der Welt aufbrach. Merkwürdige Gräben oder Hohlwege durchziehen den Wald. An einer solchen Kreuzung machen wir Mittagspause, im Schatten der Bäume des Waldes, aber es ist nicht allzu kühl.
Mittagspause auf einer Bank im Wald.
Was hier wohl gemessen wird? Eine Art Pegel an einem Baum.
Kurz darauf erreichen wir die Dörenther Klippen, lustige Sandsteinformationen. Leider sind sie voller Touristen. Der berühmteste Felsen ist das Hockende Weib, von dem wir kein schönes Foto machen können, weil wir es von der falschen Seite her passieren. Verschiedene Gaststätten entlang des Weges haben alle geschlossen. Also müssen wir nochmal, auf einer Bank Pause machen, um eine Birne zu essen. Zwischendurch müssen wir einen Moment warten, bis "Baum fällt" erklingt und die tote Fichte umgefallen ist – zwei Kinder bewachen den Weg, während zwei Erwachsene am Fällen sind. Den Ort Brochterbeck streifen wir nur am Rande, nachdem wir beim Ausblick über das Brochterbecker Tal vor allem das monströse Kraftwerk in der Ferne aufgefallen ist. Dann erreichen wir nach über 20 km Tecklenburg, und da gibt's erst mal Kuchen und heiße Schokolade im Café auf dem Marktplatz.
Dann geht's zum Hotel Drei Kronen, was man vor allem wegen seiner abgefahrenen Einrichtung gesehen haben sollte. Die Zimmer haben Holzdielenfußboden, der ziemlich uneben ist und Astlöcher hat. Die Dielen knarren laut, wenn man darauf herum läuft. Die Fenster sind einfach verglast. Im Restaurant, im Mozartzimmer, wurde der alte Herd bzw. Kamin aus der Tecklenburger Burg wieder aufgebaut, nachdem die Burg abgerissen wurde.
Unser grünes Zimmer im Hotel Drei Kronen.
Das Abendessen ist lecker, wir entscheiden uns für Schweinefilet mit Rosmarinkartoffeln. Drei Damen, die wir heute Morgen überholt hatten und die insgesamt nur zwei Tage unterwegs sind, sich aber schon morgens über die Anstrengung am ersten Tag beschwert hatten, treffen jetzt ein, gemeinsam mit einem Bekannten, der sie wohl hier abholt und wieder nach Hause fährt. Sie erzählen ihm dieselben Erlebnisse, die sie uns morgens schon wortreich berichtet hatten.
Nach einem kurzen Stadtbummel durch die wirklich sehenswerte Fachwerkaltstadt ziehen wir uns in unser grünes Zimmer zurück.
Zement für den Sockel der Freiheitsstatue
Die bisher sparsamste Frühstücksauswahl - was einen aber auch nur dann stört, wenn man gerade auf eine reduzierte Energiedichte im Essen achtet. Das Bett hat die ganze Nacht gewackelt, weil sich immer mindestens einer von uns beiden umgedreht hat. Dafür fordert uns der Hausherr bzw. Frühstückskellner auf, uns noch Äpfel für unterwegs einzupacken, als wir auschecken. Heute ist das Wetter kühler, bewölkt und ziemlich windig. Von Tecklenburg, dass an einem Pass bzw. Durchbruch durch den Höhenzug des Teutoburger Waldes liegt, geht's wieder hinauf und wie zu erwarten den größten Teil des Tages auf dem Höhenrücken entlang. Kleine Abwechselung zu gestern: auf dem ganzen Weg ist auf der südlichen Hangseite eine Steinbruch, und der Hang ist einfach weggebaggert. Zuerst der Canyon, ein ehemaliger Steinbruch und jetziges Naturschutzgebiet. Der Rand wird von Ziegen bewohnt, die helfen, den Magerrasen mit den seltenen Tier- und Pflanzenarten zu erhalten. Dann kommt der höchst aktive und kilometerlange Steinbruch der Firma Dyckerhoff, von denen z.B. der Zement für den Sockel der Freiheitsstatue stammt. Es gibt mehrere Aussichtspunkte und viele Infotafeln, die versuchen, den Steinbruch schönzureden. Mittagspause machen wir an einer Hängematte, die geradezu dazu einlädt und zum Glück gut geschützt vor dem heftigen Südwind, der aus dem Steinbruch herauf bläst, liegt.
Der Steinbruch der Firma Dyckerhoff bei Lengerich zieht sich kilometerweit hin.
Und weiter geht's, denn wir haben es eilig, weil wir für heute Abend ein Hotel mit Sauna gebucht haben und dafür natürlich genug Zeit haben wollen. Die zweite Hälfte des Weges zieht sich, und je näher wir Bad Iburg kommen, desto langsamer scheint es zu gehen. Bad Iburg ist ganz nett; der Charlottensee mit Tretbootvermietung und Strandcafé, dann die Burg mit Garten. In der Innenstadt ein paar Cafés, von denen keines uns so richtig reizt. Dafür frage ich im Hotel als erstes, ob es am Nachmittag Kuchen gibt und nicht erst ab 17 Uhr Abendessen, wie ausgeschildert. Ja! Also steht Marillen-Schmand-Streuselkuchen noch vor der Sauna auf dem Programm. Und Wäsche waschen - auf dem Balkon im Wind trocknet's bestimmt rasch. Es gibt eine finnische und eine Biosauna und eine Dusche in Form eines Eimers mit einem Seil dran. Sehr lustig! Leider ist die finnische Sauna sehr heiß und die Biosauna etwas kühl. Im Ruheraum liegt ein Comic über "Wellness-Hühner". Zum Abendessen bekommen wir den besten Tisch in der Fensterecke. Allerdings ist es draußen schon dunkel, aber auch ohne Aussicht sitzt es sich hier gut. Es gibt Burger und gerösteten Blumenkohl auf Süßkartoffelstampf, beides lecker. Nachts ist es irgendwie stickig und warm im Zimmer, so dass wir die Balkontür groß offenstehen lassen.
Ruhetag in Bad Iburg
Heute wird ein fauler Tag, erstens haben wir sowieso eine zweite Nacht hier gebucht, weil es im nächsten Etappenziel keine Übernachtungen gibt, und zweitens schlafen wir bis kurz vor neun. Das Frühstück ist gut, wie Frühstücke nun ebenso sind, nur wieder alle Müslis mit Zuckeranteil. Nach einem faulen Vormittag machen wir uns gegen Mittag auf ins Zentrum von Bad Iburg, auf der Suche nach einem Kneippbecken (vergeblich, ist gesperrt) und einem Mittagessen (im Grill-Cafe am Charlottensee, mit Hirtenkäseauflauf, der mit extra Käse überbacken ist, und Thunfischsalat).
Wasserschildkröte am Charlottensee.
Danach geht’s für eine Tretbootfahrt auf den See. 30 Minuten für 8 Euro, macht bei zwei Leuten, die jeder mit mehr als 100 W treten, ungefähr zehn Runden… wir sehen Enten, Teichhühner, einen sehr entspannten Reiher und sogar eine Wasserschildkröte- Dann geht's wie gestern hoch zum Schloss, dem wir nun einen etwas ausgiebigeren Besuch abstatten. Der Rittersaal hat die älteste perspektivisch gemalte Barockdecke. Die ist wirklich beeindruckend. Von den Resten aus dem 10. Jahrhundert ist fast nichts mehr zu sehen.
Barockdecke im Rittersaal des Iburger Schlosses.
Das Wetter ist übrigens wieder prima, sonnig und 17°C, nachdem es über Nacht geregnet hatte. Genau richtig, um im Garten des Kronberg-Salis Cafés Waffeln mit Eis und heißen Kirschen zu essen – vorgestern in Tecklenburg waren die Kirschen nämlich aus. Durch das Naherholungsgebiet am Freedenbach gehen wir zwar einen kleinen Umweg, dafür aber durch idyllischen Auwald zurück zum Hotel. Hier kommen wir endlich an einer funktionierenden Kneippstation vorbei, wo ich mein Venenleiden therapieren kann. Beim 2. Durchgang sehe ich einen kleinen Frosch im Becken schwimmen, den ich natürlich sofort rette und an den Rand des Baches setze. Er wirkte ziemlich erschöpft von der Paddelei im gemauerten Becken. Ein älterer Herr vom Picknickplatz nebenan erklärt uns dann aber, dass er jeden Morgen das Becken reinigt und dass da immer Frösche drin seien, die die sehr gut auch alleine da wieder heraus kämen. Außerdem sei ein Frosch im Wasser ein Zeichen für gute Wasserqualität. Der kleine Frosch ist dann auch schon längst weitergehupft, als ich nochmal nach ihm schauen will.
Heute Abend im Hotel gibt's erst ein Getränk an der Bar, was wir als Dank bzw. Belohnung dafür bekommen, dass wir auf die Zimmerreinigung verzichtet haben. Danach gibt's dann Käse und Brot auf dem Zimmer. Das Kürbisbrot und der Räucherkäse, den wir gestern auf dem Markt gekauft haben, kommen zu Ehren.
Technik, die begeistert
Same procedure als almost every day. Das Wetter ist morgens kalt, nur 5°C, aber sonnig. Bis wir los kommen, ist es schon wieder fast zu warm für eine Jacke. Am Kneippbecken sind tatsächlich drei Leute mit einem Wassersauger zugange und reinigen. Der Weg geht wie immer fast den ganzen Tag am Kamm entlang. Überall im Buchenwald wachsen die lustigsten Pilze. Den ganzen Vormittag über treffen wir nur drei andere Menschen. Mittagspause machen wie nach der halben Tagesetappe nahe der Noller Schlucht. Am frühen Nachmittag erreichen wir den Aussichtsturm Steinegge, ein Fernmeldeturm mit einer Gitter-Wendeltreppe bis zur ersten Plattform. Ganz schön windig und luftig da oben! Und Blick bis zu unserem Tagesziel, bzw. bis zur Mülldeponie gleich dahinter.
Pilze in der Noller Schlucht.
Endlich finden wir mal eine Bank in der Sonne, gute Gelegenheit für eine Zwischenmahlzeit! Dann erreichen wir den Luisenturm, 16m hoch und aus Holz, da müssen wir natürlich auch noch rauf. Nicht ganz so luftig im Aufstieg, aber beim Abstieg darf ich nicht nach unten schauen, denn von der hölzernen Plattform tritt man auf die Gittertreppe praktisch ins Leere.
Mehr Pilze und Fraßspuren vom Borkenkäfer.
Jetzt nur noch schnell den Berg hinunter, schon sind wir in Borgholzhausen. Noch drei Stunden wandern, oder lieber mit dem Bus weiter? Wenn dann mal einer käme! Auch die Einheimischen warten zuerst vergeblich. Schließlich kommt doch noch einer und bringt uns zum Bahnhof, und von dort geht's mit dem Anschlusszug zwei Stationen zur OWL-Arena Halle. Dort haben wir kurzfristig im 4-Sterne Court Hotel reserviert. Obst gibt's an der Rezeption gratis. Das Zimmer ist völlig überheizt, aber das Admin-Passwort für die Klimaanlage ist 0000. Und das Klo kann per Bluetooth programmiert werden, das Passwort dafür steht innen auf der Spülkasten-Abdeckung. Der Abend ist gerettet! Mit dem Essen ist es leider nicht so einfach, erst heißt es, das Restaurant würde erst um 18:30 Uhr öffnen. Als wir dann halb verhungert erscheinen, hält es keiner der stets bemühten Kellner für notwendig, uns darauf hinzuweisen, dass es heute nur Buffet und nicht à la carte gibt. Zum Glück ist das Bier, was wir schon bestellt hatten, nur ein kleines, so dass wir schnell flüchten und die in die Pizzeria um die Ecke umziehen können. Der Rest wird für Morgen eingepackt – besser geht's nicht! Na dann mal gute Nacht.
Fernsteuer- und programmierbare Klospülung.
Bielefeld gibt's doch gar nicht?
Da das Frühstück im Hotel 20 Euro pro Person kosten soll, verzichten wir heute mal. Auf den morgentlichen Koffeinkick müssen wir nicht verzichten, denn auf dem Zimmer haben wir eine fancy Kaffeemaschine. Die hat sogar Tabs für Milchschaum! Über einen Barcode auf dem Tab erkennt die Maschine, was sie jeweils damit machen muss. Was es nicht alles gibt!
Nachts hat es geregnet. Das Wetter sieht heute sehr trübe aus, es kann aber sein, dass es sich nur um eine Karamellwolke aus der nahegelegenen Bonbonfabrik von Storck handelt. Duften tut es jedenfalls danach. Schade, dass der Werksverkauf nicht wirklich auf unserem Weg liegt!
Der nächste Supermarkt mit Bäckerei ist nicht weit weg, ein "Combi". Sie haben sogar frischen Thunfischsalat. Obst und Käse und natürlich Schokolade werden aufgefüllt. Die Bäckerei hat leckeren Blechkuchen, Apfel und Donauwelle und Bienenstich. Leider gibt's keinen schwarzen Tee, und der vermeintlich grüne hat ein sehr herbes, holziges Aroma. Der Cappuccino ist auch eher bitter als lecker. Dafür ist der Apfelkuchen ein Gedicht!
Um zurück auf den Hermannsweg zu kommen, gehen wir etwas schräg und kürzen so den ersten Berg ab. Wir kommen wieder an einer Hängematte mit Opa Hermann und Anna Erzählknopf vorbei, es ist aber noch zu früh, um lange Pause zu machen. Es gibt einen kurzen Nieselregen, gerade als wir an einer überdachten Picknickbank an der Wacholderheide ankommen. Das ist ein Zeichen! Die Smoothies wollen getrunken werden. Bald darauf erreichen wir die Schwedenschanze mit einem kleinen Häuschen und Kiosk, und darauf Peter auf'm Berge, ein Hotel mit Biergarten. Es ist immer noch ein bisschen zu früh, oder ich bin noch zu satt, also gehen wir bis zum Fernsehturm weiter, in der festen Überzeugung, da sei ein Restaurant. Es ist aber nur ein Kiosk da, der Süßigkeiten und kalte Getränke verkauft. Nicht mal eine Toilette gibt es! Dafür kann man auf den Aussichtsturm neben dem Fernsehturm steigen und von dort im Westen das Hermannsdenkmal und den weiteren Verlauf des Teutoburger Waldes erspähen und im Osten sehen, wo wir hergekommen sind. Wie der Wanderführer so schön sagt, die zentralen Fragen des Lebens beantworten: Wo kommen wir her und wo wollen wir hin?
Aussicht vom Aussichtsturm beim Bielefelder Fernsehturm.
Aussicht vom Aussichtsturm auf den Bielefelder Fernsehturm.
Vom Hunger getrieben legen wir die nächsten zwei Kilometer bis zum Tierpark Olderdissen in Rekordzeit zurück. Das Restaurant befindet sich in einer alten Scheine und hat eine gute Auswahl an gesunden Speisen. Auf dem Platz davor trainieren ein paar Leute ihre Hunde, und es ist beeindruckend, was ein gut erzogener Hundebesitzer so alles erreichen kann.
Nach dem Essen haben wir Zeit und Ruhe, den Tierpark zu würdigen. Einheimische Tiere aller Art sind zu sehen. Highlights: Fischotter, Wildkatze und Luchs, und die Silberfüchse, von denen außer zwei weißen Fellknäueln zwischen den Blättern der Büsche nicht viel zu sehen ist. Bisamratten gibt's auch. Den Biber haben wir irgendwie übersehen.
Auf nach Bielefeld und ein Hotel suchen! Leider ist nur noch in der Innenstadt was frei und nicht auf der anderen Seite der Stadt, in Fluchtrichtung für morgen. Ein paar Kilometer mehr hätten wir schon noch geschafft. Der Ravensberger Hof ist sehr modern; schade, dass von der alten Fassade nur noch ein Foto im Foyer übrig geblieben ist. Dafür gibt's kostenlos Tee, Kaffee und Minischokoladen.
An diesem Abend stellt Filipo Ganna einen neuen Stundenrekord im Bahnradfahren auf: 56,792km.
Ein sonniger Sonntag
Das Frühstück kostet uns heute 15€ pro Person und es gibt weder Quark noch ungesüßtes Müsli. Endlich mal eine Ausrede, ein Nuss-Nougat-Creme-Brötchen zu essen! Schon um neun sind wir unterwegs, in der Stadt ist so früh noch alles menschenleer und ruhig. Kaum erreichen wir den Park im Wald am Stadtrand, wimmelt es von Joggern und Spaziergängern. Die Sparrenburg ist (anders als auf dem Schild am Eingang angegeben) noch geschlossen, also wird sie auf die Ehre unseres Besuches verzichten müssen. Wir gehen direkt weiter auf dem Hermannsweg. Das Wetter ist heute wieder traumhaft sonnig, nur im Südwesten etwas trübe und diesig. Die Sich nach Norden wird im Laufe des Tages immer besser.
Wir teilen uns den Weg mit vielen anderen Menschen. An einer abschüssigen Stelle sehen wir von rechts zwei Mountainbiker heranrasen. Wir warten ab, bis sie vorbei sind, und sie rufen "Danke!". Gerhard antwortet: "Danke? Wir wollten nur nicht sterben!"
Um 11 Uhr erreichen wir ein Hotel-Restaurant, aber das ist ja noch zu früh, also weiter bis halb eins und Oerlinghausen. Da genießen wir im chinesischen Restaurant Sommerpalast ein ganz fantastisches all-you-can-eat Buffet für nur auch nur 15€ pP.
Tagesmitte und schon 15km geschafft! Die zweite Hälfte wird wegen akuten Vollgestopftseins etwas anstrengender. Vom Tönsberg aus genießen wir den Blick auf den Segelflugplatz Oerlinghausen, und in der Luft sind fast so viele Segelflugzeuge wie am Boden Spaziergänger.
Oerlinghausen bedeutet übrigens so viel wie Wohnort ("hausen") der Nachkommen ("...linge") von Oer.
Wir finden einen Gasthof, der in keiner Online-Hotelplattform registriert ist und nur per Telefon gebucht werden kann: den Hörster Krug in, wer hätte das gedacht, Hörste. Sehr zu empfehlen! Es ist frisch renoviert. Wir kriegen ein geräumiges, modern eingerichtetes Zimmer, das sogar eine Chaiselongue hat! Und Deckenlampen! Und es gibt eine Eiskarte mit Eis mit Schoko-Chili-Sauße und eine Terrasse mit Abendsonne. Und der Stöpsel im Waschbecken ist richtig dicht und muss nicht mit Wurstpapier umwickelt und abgedichtet werden, damit man Wäsche waschen kann. Auch der Cheeseburger ist lecker und kann durchaus mit unserem Dinkelvollkornbrot konkurrieren. Heute haben wir 23km geschafft.
Hermannsdenkmal
Heute ist nicht mein Tag. Erst wache ich aus einem Albtraum auf. Dann gibt es zum Frühstück nur Brötchen mit süßen oder fetten (oder beiden) Belägen, und nur Kaffeesahne statt Milch. Das vergleichsweise schwere Essen liegt mir trotz der Bewegung im Magen quer.
Der Weg durch den Wald ist abwechslungsreich, wieder einmal eine andere Sorte Wald, mit vielen kleinen Bächen und ein paar Teichen, zum Beispiel dem Donoper Fischteich, der 1625 angelegt wurde. Der Aufstieg zum Hermannsdenkmal geht in Schlangenlinien und Kringeln vor sich. Oben gibt's dann erst mal Cola und Eis in der Sonne, das hilft bestimmt gegen alle möglichen Verdauungsprobleme.
Dann geht's hoch auf das Denkmal. Eine schmale Wendeltreppe führt innen hoch. Oben ist es recht windig und kühl und man sieht fast überall nur bewaldete Hügel. Nur im Norden blickt man auf Detmold. Dann schon wieder ein traumatisches Erlebnis für mich, die ich ja selber nicht schwindelfrei bin: ein etwa 6-jähriges Kind drückt sich, an seinen Vater geklammert, an die Innenseite der Aussichtsplattform, offensichtlich nicht schwindelfrei und total verängstigt. Und was macht der Vater? Hebt die Kleine hoch und tritt nahe ans Geländer, damit sie die Aussicht besser genießen kann! Das verzweifelte Kreischen "Nicht hochheben! Nein! Runter!" werde ich nicht so schnell vergessen. Antwort des Vaters: "Nun stell dich doch nicht so an." Wie blöd kann man sein? Ich ärgere mich jetzt noch, dass ich nichts gesagt habe, mir wurde ja schon beim zugucken schwindelig!
Na, wir sind dann wieder runter und machen uns auf den Weg zur Adlerwarte Berlebek. Wir freuen uns auf das Mittagessen, auch wenn es da nur einen Kiosk gibt. Daraus wird aber so schnell nichts, denn es ist gerade Flugschau, und während die Greifvögel frei herum fliegen, darf nicht gegessen werden. Es werden Weißkopf- und europäische Seeadler und Steinadler gezeigt, Geier und Gaukler, Milane und ein Sakerfalke. Ein flugfauler Seeadler lässt sich mit der Rückkehr Zeit, aber das ist man hier gewohnt und der stellt offenbar keine Gefahr für picknickende Besucher dar, denn jetzt hat der Kiosk geöffnet. Es gibt Frikadellen mit Salat oder Salat, Farmer- oder Kartoffel. Um. Die Frikadellen sind zwar warm, aber ein wärmendes Mittagessen hätte anders ausgesehen. Wegen des starken Windes – gut für die Greifvögel – ist es ziemlich kalt. Wir haben kurz Zeit, die Vögel in den Volieren zu besichtigen, bevor schon die nächste Flugschau losgeht. Diesmal sitzen wir ganz vorne und kommen in den direkten Genuss der zwischen den Zuschauern herumlaufenden Geier. Abschließend schauen wir noch die restlichen Volieren und das Schaf- und Lama-Gehege an.
Auch auf dem weiteren Weg kommen wir nochmal an Schafen vorbei - laut Hinweisschild wird die Herde zur Landschaftspflege eingesetzt. Alle erschrecken sich furchtbar, als ich den Klettverschluss meiner Fototasche öffne. Die Ärmsten!
Geier auf der Adlerwarte Berlebek.
In Holzhausen-Externsteine haben wir ein nettes Hotel mit römischem Dampfbad im Auge. Als wir ankommen, ist es nur eine Pension und das Dampfbad ist außer Betrieb. Immerhin ist die normale Sauna in Betrieb und wir haben sie für uns alleine. Es wäre auch kein Platz für weitere Gäste gewesen. Unser Zimmer, die Wäsche und fast alles riecht nach einem parfümierten Waschmittel, das ich euphemistisch als gewöhnungsbedürftig bezeichnen würde. Sogar das Wasser aus dem Wasserhahn scheint danach zu riechen. Das Zimmer hat einen Balkon, so dass wir beim Abendessen die frische Abendluft und die einsetzende Abenddämmerung genießen können. Inzwischen sind Wolken aufgezogen und es beginnt zu nieseln, der Balkon hat jedoch ein Glasdach.
Das Telefon in der Pension in Holzhausen-Externsteine.
Gardinen sind hier Fehlanzeige – das fühlt sich besonders blöd an, weil wir gerade mit dem Fernglas in die gegenüberliegende Wohnung gespäht haben, um herauszufinden, ob die von weitem sichtbare, an der Wand hängende Pfanne wohl zum Kochen gedacht ist oder nur zur Dekoration.
Ins Preußische
Dies ist das erste Frühstück, bei dem es kernige Haferflocken ohne alles am Buffet gibt! Noch dazu das Angebot, extra für mich frisches Rührei zuzubereiten – meine Energiedichte ist wieder im Lot. Äpfel, Obstsalat, Joghurt, heute wird ein guter Tag. Muss es auch, denn 26km stehen auf dem Programm. Ein anderer Gast der Pension war schon vor dem Frühstück an den Externsteinen, die nur 2km entfernt sind, und holt sich gerade Kaffee, als wir aufbrechen.
Wir finden jetzt auch heraus, was es mit den ganzen Stein-beschwerten oder mit Gummibändern gesicherten Mülltonnen auf sich hat, die wir häufiger gesehen haben: die Dame, die das Frühstück serviert, erzählt von den vielen Waschbären in der Gegend und dem Wettlauf, die Tonnen immer besser zu sichern, je schlauer die Bären werden.
Nach dem Regen der Nacht ist es wieder sonnig, aber kalt, besonders an den Ecken, die nicht windgeschützt sind. Nach 2km erreichen wir die Externsteine. Der Mitarbeiter im Kassenhäuschen fragt uns ganz besorgt, ob wir den Weg vom Hermannsdenkmal hierher auch gut gefunden hätten, ohne uns zu verlaufen. Er strahlt glücklich, als Gerhard erklärt, die "H" Wegmarkierungen könne man ja gar nicht übersehen. Es gibt wohl immer wieder Leute, die das doch schaffen und sich dann beschweren.
Die Steine sind halt so Sandsteinfelsen mit ein paar menschengemachten Hohlräumen und Treppen. Vor Sonnenaufgang oder am späten Abend wäre das Licht für Fotos sicher besser gewesen. Wir marschieren weiter, jetzt auf dem Eggeweg, der Teil des europaweiten Fernwanderweges E1 ist.
Nächster Höhepunkt im wahrsten Sinne des Wortes ist der Gipfel der Lippischen Velmerstot. Das Tal des Silberbaches, in dem der Weg zunächst verläuft, ist mal 'ne schöne Abwechslung zu den ganzen Höhenwegen. Es gibt hier ganz andere Pflanzen, viel dichteres Grün und feuchtere Luft. Viele tote Fichten liegen kreuz und quer an den Hängen. Allzu bald geht's wieder bergan. Das Café im Naturfreundehaus auf dem weiteren Weg hat leider nur am Wochenende geöffnet.
Indisches Springkraut im Silberbachtal.
Auf der Lippischen Velmerstot, einem flachen Bergrücken mit Hochmoor- und Heidelandschaft, machen wir auf einer Bank in der Sonne Mittagspause. Die Zeit so einer Pause reicht immer gerade aus, um mein verschwitztes Hemd zu trocknen, bis wir weitergehen. Die Schafe im direkt angrenzenden umzäunten Gebiet sehen wir leider von der Bank aus nicht. Es sind lustige Viecher mit riesigen Hörnern. Sie gehören zum biologische Institut von Lippe und diesen ebenfalls der Landschaftspflege. Hat der Borkenkäfer doch was gutes: er verwandelt die Fichtenmonokultur in artenreichen Magerrasen und offene Heidefläche. Wenn die ganzen Stümpfe der toten Bäume nicht wären, könnte man denken, man sei auf einem Grindenkamm im Schwarzwald.
Auf der Lippischen Velmerstot.
Gleich als nächstes überqueren wir die Grenze nach Preußen. Eine kaum feststellbare Senke trennt die Lippische und die Preußische Velmerstot. Letztere hat einen hölzernen Aussichtsturm oben drauf und auch ein Schafgehege. Weiter geht's, ein lustiges Auf und Ab. In der Ferne sehen wir das Eisenbahnviadukt von Altenbeken. 24 Bögen aus Kalkstein überspannen das Beketal. Am schwarzen Kreuz, das für einen im 30-jährigen Krieg gefolterten und ermordeten Köhler steht, machen wir am Nachmittag nochmal Pause. Weiter geht's, immer abwärts... Moment, abwärts? Haben wir doch tatsächlich eine Abzweigung verpasst und laufen schon seit 1,5km falsch! Na gut, dann eben weiter runter und beim nächsten Sattel zurück auf den Weg. Da kommen wir noch an der Aa-Quelle vorbei. Überall ist der Weg komplett nass und matschig, nur da, wo das Hinweisschild auf die Quelle steht, ist keine Spur von Wasser zu sehen. Was auch an den dichten Brombeerranken liegen könnte, die hier fast meterhoch den Boden bedecken.
Aussichtsturm auf der Preußischen Velmerstot.
Beim ehemaligen Standort des preußischen optischen Telegrafen erreichen wir wieder den Eggeweg, den wir bald darauf schon wieder verlassen, um nach Bad Driberg hinein zu kommen. Das "günstige" Hotel am Stadtrand nehmen wir dann doch nicht, nachdem Gerhard die Reviews vorgelesen hat: Haare im Abfluss, Zimmer alt und gammelig, Frühstück zwar inklusive, aber nicht vorhanden. Statt dessen checken wir im Braunen Hirschen ein. Das Restaurant hat zwar Ruhetag, aber nach einem Anruf kommt rasch jemand und zeigt uns das Zimmer. Großzügig und neu eingerichtet. Die Trafos der Nachtschranklampen brummeln gemütlich vor sich hin. Für's Abendessen wird uns das Steakhouse La Estancia empfohlen, und das ist wirklich gut und lecker und original argentinisch. Das medium rare Steak zergeht mir praktisch auf der Zunge, und die argentinischen Crepes mit Dulce de leche bringen Gerhard das erste Mal heute so richtig zum Strahlen. Dass der Kellner sich nicht davon abbringen lässt, Gerhards Nachtisch auf zwei Tellern zu servieren, damit ich auch was davon abbekomme, ist sehr nett gemeint, passt nicht in den Energiedichte-Plan und kostet mich sehr viel Willenskraft. Und etwas kühl ist es – ist die bläuliche Farbe meiner Finger eigentlich normal? Schnell zurück ins Hotel und unter die warme Bettdecke!
Unser Hotel Zum Braunen Hirschen in Bad Driberg.
In Teufels Küche
Das Hotel hat ein Restaurant und dazu noch einen eigenen riesigen Frühstücksraum, in dem nur ein einziger anderer Gast am anderen Ende sitzt. Die Bedienung wirkt etwas... verhärmt, ist wohl der richtige Ausdruck, ist aber sehr aufmerksam und füllt ständig das reichhaltige Buffet nach.
Unsere erste Station heute ist der Combi Supermarkt, wo wir Obst und Käse kaufen und Brot vergessen. Nun denn. Als nächstes die zweite Iburg auf unserem Trek, eine Ruine. Da steht an den Grundmauern der Kapelle, die Karl der Große hat bauen lassen, dass erst mit der Christianisierung der hier ansässigen Sachsen sie in die Geschichte richtig eingetreten wären. Ganz schön unzeitgemäß?!
Blick von der Burgruine der Iburg.
Kurz danach passieren wir einen Erdfall, der zwar unspektakulär, aber trotzdem wesentlich beeindruckender ist als die Aa-Quelle gestern. Außerdem können wir beobachten, wie sich ein Waldarbeiter abmüht, viel zu lange Baumstämme mit einem Greifer auf einen Holzlaster zu laden.
Der Weg ist heute nicht ganz so prämienverdächtig, geht es doch viel auf gekiesten Wald- und Wiesenstraßen entlang. Dann kommt auch noch ein Stück Bundesstraße! Die Landschaft drumherum ist trotzdem schön, viele Kastanienalleen. In Bergamwald gibt es nur ein verfallenes Ausflugslokal und nichts zu essen. Dafür findet sich kurz darauf eine Bank in der Sonne für die Mittagspause. Kalt ist es heute, trotz Sonne!
Dann kommen wir in Teufelsküche, ein Gebiet mit steilen Klippen, die mehr oder weniger instabil und erdrutschgefährdet sind. Spannend! Wer Weg führt oben am Rand entlang, und wir sehen viel weiter unten Geländer von Teilen des Weges, die jetzt wohl nicht mehr begehbar sind. Man hat eine tolle Aussicht nach Osten.
Der Borkenkäfer hat ganze Arbeit geleistet. Auf der kahlen Hochebene rund um den Willebadessener Fernsehturm stehen nur noch einzelne Fichten.
Landschaft und Wegführung sind jetzt deutlich schöner als am Vormittag. Wir gehen bis zum Fernmeldeturm von Willebadessen über offene Hochebenen und dann ein kurzes Stück über eine wenig befahrene Landstraße hinunter in den Ort bzw. nur bis zum Ortsrand, denn unser Hotel Jägerhof liegt weit ab vom Zentrum am Bahnhof. Da wir nicht reserviert haben, müssen wie etwas warten, bis ein Zimmer für uns gerichtet ist. Eine gute Gelegenheit, um in der Sonne ein Bier zu trinken oder einen Ausflug zum nahe gelegenen Kneippbecken zu machen. Das Becken ist super-luxuriös, mit richtigem Dach, Winschutzwand und Bank, aber leider aufgrund der Jahreszeit schon außer Betrieb. Dafür stellt sich heraus, dass das Hotel eine Sauna und sogar ein Dampfbad hat. Dafür erwerben wir gleich eine Wertmarke. Auch alles andere kostet extra, Badelatschen, Bademantel je fünf Euro. Es geht auch barfuß und nur mit Handtuch! Die Sauna ist schon nicht groß, und das Dampfbad ist winzig, mit 2 Personen eigentlich schon überfüllt. Trotzdem wird es nicht richtig warm und dampfig. Mit der einen Wertmarke sitzen wir nach den ersten paar Dampfstößen 25 Minuten im Kalten. Ruheliegen gibt es auch zu wenige für alle Gäste, aber auf dem Balkon kann man noch in der Abendsonne sitzen. Da hängt auch mein frischgewaschenes Hemd, mit einer komplizierten Hängekonstruktion aus meinem Gürtel und den hakenlosen Hotel-Bügeln. Zum Abendessen gibt es ein tolles Buffet mit vielen Salaten, verschiedenen Sorten Fleisch und ein paar Gemüsesorten zur Auswahl. Es ist sehr lecker.
Über Berg und tiefes, tiefes Tal
Dieses Hotel konkurriert mit dem von gestern um den Preis für die durchgelegensten Matratzen.
Dafür ist das Frühstücksbuffet sehr gut mit einer großen Auswahl an Obst und Joghurt. Es gibt sogar Pancakes, die allerdings eher Pappcakes sind. Da wir kein Brot gekauft haben, mopsen wir zwei Brötchen.
Und weiter geht's, wieder hinauf auf den Kamm und dann wieder teils über lustige Trampelpfade am Klippenrand entlang, teils auf breiten Wegen durch die vom Borkenkäfer kahl gefressenen Nadelholz-Monokulturen. Dir Bäume sind alle schon weggeräumt und aufgestapelt und alles ist von Farnen und Gräsern überwachsen, aus denen teils schon neue junge Bäume herausgucken.
Herausgucken tut auch Biermanns Nagel, ein Aussichtsturm, den Biermann für seine Frau baute, damit sie ihre Heimatstadt Kassel in der Ferne sehen konnte. Davon sehen wir heute wegen des diesigen Wetters nichts. Von dem mit mehreren Schildern angekündigten Kiosk keine Spur - das ist generell blöd auf dem Hermannsweg, dass tagsüber kaum an Wirtschaften vorbeikommt. Andererseits ist es ja auch schön, so viel Natur zu haben. In die Borlinghausener Hütte scheint wenigstens die Sonne hinein, ein schöner Platz für eine Rast, mit Blick auf eine Fläche ohne Fichten. Am Boden wachsen Farne und hellgelbes Gras, tolle Farben sind es, und insgesamt eine bessere Aussicht als mitten in einem Fichtenwald. Ich finde, der Borkenkäfer bringt auch viele Vorteile.
Als nächstes kommen wir ins Schwarzbachtal - wieder eine ganz andere Landschaft, feucht und mit Erlen. Von den auch noch vorhandenen Buchen und Eichen fallen mit jedem Windstoß Blätter und Früchte herab, was eine interessante Geräuschkulisse bildet, jetzt, wo man keinen Autolärm mehr hört. Durch dieses Tal nebst Seitentälern geht's hinauf bis zur Wüstung Blankenrode, die im 14. Jahrhundert verlassen wurde. Man erkennt noch die beeindruckenden Wallanlagen. Solarbetriebene Lautsprecher werden per Bewegungsmelder aktiviert und informieren über das, was man sieht. Leider funktionieren nicht alle einwandfrei, vielleicht, weil sie im Schatten dichter Buchen stehen? Zitat Gerhard: "Was ist eigentlich so falsch an Infotafeln?" Dennoch ist es für Kinder bestimmt spannender so, mit einer Art Hörbuch.
Und dann sind wir auch schon im aktuell noch bewohnten Dorf Blankenrode und in unserer Pension, wo wir uns erst mal ein dickes Stück Apfelkuchen zur Überbrückung der Zeit bis zum Abendessen holen. Der Wirt ist Holländer und entsprechend gibt es holländische Kroketten mit holländischen Pommes.
Der erste Regentag
Augen auf bei der Unterkunftswahl! Frühstück gibt es nur bis 8:30 Uhr. Tatsächlich wachen wir auch ohne Wecker früh genug auf und treffen im Frühstücksraum auf zwei Wanderer, die wir auch gestern tagsüber mehrfach getroffen hatten. So viele Übernachtungsmöglichkeiten hat Blankenrode nicht. Nachts hat es geregnet und es ist auch jetzt noch alles Nass. Sehr feuchte Luft wechselt mit Nieselregen ab; teilweise durchqueren wir die tief hängenden Wolken. Wider Erwarten finden wir im Naturschutzgebiet Bleikuhle noch viele blühende Galmei-Veilchen, die hier endemisch sind. Sie sind besonders angepasst an den schwermetallhaltigen Boden.
Die alte Bleikuhle und das darin endemische Galmei-Veilchen.
Durch tropfnassen Buchenwald geht's nach Oesdorf, das eine schicke alte Kirche, aber keinen Bäcker hat. Merkwürdige Prioritäten! Viele Häuser sind mit dem "Hausnamen" beschriftet, der an die alteingesessenen Familien erinnern soll.
Weiter nach Essentho, über Wiesen und Weiden mit schöner Fernsicht - schlechtes Wetter macht für tolle Wolken. Kurz vor dem Ort gibt's eine Hütte mit Infotafel. Nur dass man die Infos nicht in Ruhe lesen kann, weil ab und an eine Eichel mit lautem Knapp auf die Blechtafel plumpst und einen zu Tode erschreckt.
Blick über die Wiesen zwischen Essentho und Marsberg.
In Essentho hat fast jedes Haus eine Plakette anlässlich des Schützenfestes von 2015, aber keines des Häuser verkauft Essen oder auch nur Brötchen. Hinter Essentho, als wir wieder in den Wald abbiegen, sehen wir noch den Straßenhobel wegfahren. Wir laufen auf dem frisch gehobelten Waldweg weiter bis Marsberg, und dort am Ufer der Diemel weiter bis in die Innenstadt. Das Diemeltal ist sehr naturbelassen, wir sehen sogar eine Wasseramsel. In Marsberg werden gerade die Buden für den Allerheiligenmarkt aufgestellt, aber da wir weder Zuckerwatte noch Lebkuchenherzen zum Mittagessen wollen, entscheiden wir uns doch lieber für das Bistro-Café Magnus, wo es Flammkuchen und Ofenkartoffeln gibt.
Frisch gehobelter Waldweg. So entstehen Waldautobahnen.
Netter Kontrast: das idyllische Tal der Diemel kurz vor Marsberg.
Langsam müsste es auch spät genug am Tage sein, um ins Hotel Zeidler einchecken zu können. Und das lohnt sich! Uns erwartet ein modern eingerichtetes, helles Zimmer mit Blick auf Obermarsberg, Kloster und Bildsteinturm, und mit einer Kapsel-Kaffeemaschine, die auch eine Tee-Kapsel für marokkanischen Minztee dabei hat. Na dann prost! Kann ja nur besser werden als der marokkanische Minztee von Lipton, den ich gestern beim Holländer hatte und der hauptsächlich Zimt und Zichorie enthielt und nur 2% Minze.
Der Badlüfter lüftet sehr gründlich und lässt sich partout nicht abschalten; zum Glück beschließt er rechtzeitig vor der Schlafenszeit, dann doch Ruhe zu geben.
Den Allerheiligenmarkt will ich mir nicht entgehen lassen, den halbstündigen Aufstieg nach Obermarsberg zur Besichtigung von Kloster und Burganlage schon eher. Auf der Krimes fahren wir das Hully Gully Karussell rückwärts – das erste richtige Karussell seit Jahren! Man hat echt Airtime und sitzt nicht wirklich fest, es ist sehr lustig
Zum Abendessen gehen wir wieder ins Hotel, wo genau nur für die Hotelgäste gekocht wird und nur vier Gerichte auf der Karte stehen. Eines davon ist Rinderfilet in Pfeffersauce mit Bratkartoffeln und Salat - prima! Sogar die Bestellung "bitte mehr Salat und weniger Kartoffeln" funktioniert, nur dass der Salatteller alleine schon als Abendessen ausgereicht hätte! Das Brot mit Kräuterbutter zur Vorspeise war auch super lecker, zum Hineinsetzen. Und zum Nachtisch gibt's sogar noch Three Wood Single Malt Scotch Whisky.
Und zurück
Die Betten hier sind unvergleichlich gut, gerade weich genug und kein
bisschen durchgelegen. Sehr schön. Als wir zum Frühstück kommen, ist
die Chefin höchst entsetzt – wird sind zu früh, und der Tisch ist
noch nicht gerichtet! Wir dürfen uns schon setzen, es ist fertig
eingedeckt, und Brötchen und Marmelade stehen auch schon da. Nur die Kerze ist noch
nicht angezündet! Und die Platte mit Wurst und Käse fehlt, und für
jeden gibt's dann noch eine kleine Etagere mit Obstsalat,
Tomate-Mozzarella und einem Stück Pflaumenkuchen. Wer soll denn das
alles essen! Es liegen Papiertüten bereit, damit sich Wanderer und
Radfahrer ein Lunchpaket machen können. Schade, dass wir heute gar
nicht mehr wandern. Für Bahnfahren ohne eigene Muskelkraft ist ein
riesiges Fresspaket gar nicht nötig. Also dieses Hotel ist jedenfalls
unter den Top 2 dieser Reise.
Frühstück im Hotel Zeidler.
Mit reichlich Zeit erreichen wir den Bahnhof – wir müssen ja nur ein
Mal über die Straße (bzw. drei Mal, weil es in unserer
Wunsch-Querungsrichtung keine Ampel gibt), und schon sind wir da. Auf
dem Papierausdruck der Fahrkarte steht was von Gleis 2, und mehr
Gleise gibt's hier auch nicht. Man überquert die Schienen auf einem kleinen
Übergang, der eine eigene kleine Schranke hat. Wenig später kommt eine
Wanderin, die wir die letzten zwei Tage schon gesehen hatten, auch zum
Bahnhof. Auf ihrer Fahrkarte steht Gleis 1, und siehe da, in der Anzeige
scrollt jetzt "Gleisänderung".
Könnte sein, dass der Bahnsteig etwas überdimensioniert ist für so einen kleinen Ort wie Marsberg.
Der Nahverkehrszug kommt pünktlich, und
das Umsteigen in Hagen und Köln klappt problemlos. Der Bahnhof von
Hagen hat vier Gleise an einem Bahnsteig, sehr praktisch für vier
kurze oder zwei lange
Züge. Nur mit der Anzeige, wo ein Zug wirklich hält, müssen sie noch
üben – der Zug vor unserem hält überraschenderweise am anderen
Ende des Bahnsteiges, und alle Reisenden rennen hektisch den ganzen
Bahnsteig entlang. Wir kommen pünktlich in Karlsruhe an und sind sogar
entspannt genug, um noch Essen einzukaufen.
Fazit: In 12 Tagen sind wird 233km gewandert und über 5000 Höhenmeter gestiegen, ganz schön viel für ein Mittelgebirge