Durch die Pyrenäen, Teil zwei
Dies ist die Fortsetzung der Pyrenäen-Überquerung, die wir 2018 begonnen haben. Den Bericht zu den ersten Etappen gibt's
hier.
Klicke auf eines der Fotos, um es zu vergrößern und durch alle Fotos blättern zu können (soll ja Leute geben, die nicht gern so viel Text lesen
).
Aufbruch
Erstmal müssen Vincent und ich nach Montpellier fahren, wo Felix
wohnt. Vincent ist schon am Vortag vom ungeliebten Stuttgart nach
Karlsruhe gekommen, um sich wenigstens einen kleinen Teil der langen
Fahrt zu sparen. Und nun ist er als erster wach und geht
Brötchen kaufen, während ich vollständig aufwache, aufstehe und den
letzten Kram in meinen Rucksack stopfe. So ist die Versorgung mit
belegten Broten für die Hinfahrt gesichert. Auf dem Weg zum Bahnhof
machen wir einen Abstecher zur Käsehütte, um auch die Versorgung während der Wandertour
sicherzustellen. 800 g sollte für zwei Personen und vier Tage reichen, oder?
Natürlich echter Schweizer Käse, besseren bekommt man nirgendwo in
Karlsruhe. Überpünktlich sind wir am Bahnhof und können noch Snacks
und Cola zum Mitnehmen kaufen, wer weiß, wie in dieser Zeit die
Versorgung im Zugrestaurant funktioniert. Der ICE ist ziemlich voll,
von Abstandsregelung keine Spur. Nach einer knappen Stunde Fahrt haben
wir in Strasbourg sehr viel Zeit, um draußen vor dem
Bahnhof nochmal die Masken abzusetzen und tief Luft zu holen, bevor
der Anschlußzug abfährt. Jetzt
nur noch sechs Stunden TGV überstehen, natürlich mit Maske, und ebenso
natürlich mit vielen Ess- und Trinkpausen, in denen man die Maske ganz
offiziell abnehmen darf. Lia holt uns vom nagelneuen Bahnhof Sud de
France in der Pampa südlich von Montpellier ab. Der Bahnhof hat, abgesehen
vom TGV, nämlich keinen Anschluss an die öffentlichen Verkehrsmittel.
Zum Abendessen soll gegrillt werden, das hören wir gern. Anja hat sehr
leckere Hühnchen-Zitronen-Spieße und den besten Salat der Welt für uns
vorbereitet. Da es morgen früh losgehen soll und die Tigermücken wie
jeden Abend sehr aktiv sind, gibt es besseres zu tun als lange für ein
Schwätzchen auf der Terasse zu sitzen.
Endlich wieder wandern!
Seit wann schnarcht Vincent eigentlich? Zum Glück hört er nach ein
paar Stupsern wieder auf, und in der Höhenluft wird es hoffentlich
besser sein! Um 6:15 Uhr klingelt der Wecker. Schnell Tee kochen,
duschen, ein Stück Baguette oder ein Müsli mampfen, und dann geht's
los. Die ganze Familie bringt uns zum Bahnhof Saint Roch im Zentrum,
damit wir nicht wie beim letzten Mal auf eine nicht-vorhandene
Straßenbahn warten und dann den Zug verpassen. Dort noch schnell ein
Pain au chocolat für unterwegs einsammeln, dann geht's in den
Zug nach Narbonne, und von dort weiter nach Perpignan. Hier wird
darauf geachtet: bitte eine richtige Maske aufsetzen, nicht nur ein
Halstuch! Mit dem Bus fahren wir weiter nach Amélie-les-Bains. Die
Strecke kennen wir schon von vor zwei Jahren, da sind wir sie
allerdings rückwärts und im Dunkeln gefahren. Jetzt präsentiert sich
ein schöner Blick auf die Gipfel und Kämme, die wir schon erwandert haben und die wir diesmal
besteigen wollen, allen voran das Canigou-Massiv, auch wenn der
Canigou selbst nicht unser Ziel ist.
Wir starten an der Bushaltestelle von Amélie-les-Bains, an der wir die letzte Etappe beendet haben. Foto (c) Felix Brümmer.
In Amélie-les-Bains suchen wir einen Brunnen, um
unsere Wasservorräte aufzufüllen, weil das Quellwasser hier weniger
nach Chlor schmeckt als das Hahnewasser in Montpellier. Es findet sich
ein Wasserhahn am Marktplatz. Weil wir und sie gerade da sind, kaufe
ich drei frische Nektarinen, die uns über die ersten Höhenmeter
hinweghelfen sollen. Handverlesen, gerade reif zum Sofort-Essen! Wir
starten bei 234 Meter über Normal-Null, was immer das hier in Frankreich
sein mag. Der Weg führt fast sofort steil bergauf. Es ist ein
Trampelpfad quer durch's Gebüsch, der uns davor bewahrt, in der
prallen Mittagssonne auf der Landstraße gehen zu müssen. Erstes
Zwischenziel ist das Dorf Montbolo. Kurz vorher kommen wir an einer
eingezäunten Ziegenweide vorbei, und da hat sich tatsächlich eine
Ziege mit ihrem Bein im Elektrozaun verfangen! Zum Glück kommt gerade
jemand vorbei, der sich hier auskennt. Sie kommentiert sie Situation
passend "Merde!" und beeilt sich, die Ziegenbesitzer zu
benachrichtigen, damit dem armen Tier geholfen werden kann. Montbolo,
auf 590 m, hat einen schönen Brunnen, in dem wir uns erfrischen. Bald
plätschert Sonnencreme von einem Becken ins nächste. Ob das wohl
frisches Wasser ist oder ob nur im Kreis gepumpt wird? Vincent hält den
Ablauf zu, und es kommt trotzdem noch frisches Wasser nach. Beruhigend.
Nächstes Zwischenziel ist der Coll de la Reducta (873 m) – hört sich gut an
für eine Mittagspause! Leider ist der Platz schon besetzt, von zwei
riesigen Bullen. Hm. Also weitersuchen nach einem Rastplatz, schöne
Aussicht soll er haben, Schatten, und keine Touristen oder andere
Rindviecher, natürlich! Letztendlich setzen wir uns mitten im Wald
mitten auf den Weg, "schattig" und "nah" sind die übrig
gebliebenen Kriterien. Würziger Käse mit würzigem Brot, dazu Möhren
und zum Nachtisch Kekse und Schokolade, was will man mehr? Mehr Wasser...
Im Buchenwald Bosc de la Fajosa.
Weiter bergan geht's, wir haben etwa die Hälfte geschafft. Wir
kommen an einem ehemaligem Bahnhof einer ehemaligen
Eisenmine vorbei, und ab hier geht der Weg zum Glück erst mal sehr flach weiter,
nämlich auf dem alten Bahndamm. Es ist unheimlich heiß hier,
hab ich das schon erwähnt? Am Coll de Formentera biegt der Weg vom Bahndamm ab und wir
durchqueren einen idyllischen Buchenwald voller knorriger
Bäume. Immerhin ist es hier schattig und ein kleines bisschen kühler! Fast
ein Deja-vu vom letzten Mal, nur dass es diesmal noch hell ist, und
weil es Sommer ist, ist der Waldboden voller blühender Blumen, und die
Luft summt vor Bienen (die sich komischerweise nicht für die Blumen
interessieren).
Blumen im Bosc de la Fajosa.
Am Torre de Batera, dem nächsten ausgeschilderten Wegpunkt, wollen wir
Goûter (sprich: Gutee) oder Teepause machen. Nein, dort gibt es
kein Café! Goûter bezeichnet eine Nachmittags-Süßigkeiten-Pause
für Kinder. Der alte Turm aus roh behauenen Steinen steht auf einem
Hügel neben dem Weg, in der prallen Sonne. Der Weg ist hier inzwischen
wieder eine Fahrstraße, und es herrscht erstaunlich viel Verkehr
dafür, dass es mitten im Nirgendwo ist. Von hier aus liegt laut Felix "gleich
hinter dem nächsten Bergrücken" der Coll de la
Cirera, wo wir zelten wollen. Welcher der vielen Bergrücken gemeint ist,
bleibt abzuwarten: "Der grüne da, mit dem Gras und den Bäumen".
Aha. Kann sein, dass ich ein bisschen zu viel Sonne abgekriegt
habe heute.
Hinter einem dieser grünen Bergrücken liegt unser Tagesziel.
Bald erreichen wir die bewirtschaftete Batera-Hütte (1.474 m), die in einem
ehemaligen Bergwerksgebäude untergebracht ist. Es herrscht reger
Betrieb. Hier verläuft auch der GR10, ein beliebter
Fernwanderweg. Direkt am Eingang gibt es einen Wasserhahn, wo wir
auftanken können (oder, wenn wir hinein wollten, die
Hände waschen). Nun sind es nur noch 250 Höhenmeter bis zum Coll de la
Cirera auf 1.731 m, und die sind schnell geschafft. Ein wunderschöner
Zeltplatz mit Panoramablick bis zum Mittelmeer! Einziger Nachteil: es
gibt kein Wasser. Ein Stück
weiter und 50 Höhenmeter tiefer am GR10 soll eine Quelle liegen.
Vincent und Felix gehen kundschaften. Sie kommen schnaufend zurück: Es
sind wohl eher 130 Höhenmeter. Aber besser als gar kein Wasser.
Zum Abendessen gibt es Couscous mit Gemüse. Paprika, Möhren, Zwiebeln,
Zucchini und Chorizo sind schnell geschnippelt und füllen den einen
Topf, der Couscous den anderen. Das Abschätzen der richtigen Menge
üben wir noch. Das Zelt ist schnell aufgebaut, und da es, nachdem die
Sonne hinter den Bergen verschwunden ist, schnell kühl wird, sind wir
auch bald im Schlafsack. Der Sternenhimmel nachts ist großartig,
einzigartig! Es ist Neumond, und die Sterne leuchten so hell, dass man
trotzdem die Umgebung erkennen kann. Die Milchstraße zieht sich
deutlich sichtbar quer über den Himmel, und Jupiter leuchtet hell.
Zeltplatz und Sternenhimmel am Coll de Cirera.
Ins Hochgebirge
Felix meldet sich freiwillig, noch vor dem Frühstück zur Quelle hinunterzulaufen und
alle verfügbaren Wassergefäße aufzufüllen. Währenddessen bauen Vincent
und ich schon mal den Kocher auf und das Zelt ab. Zum Frühstück ziehen
wir ein paar Meter um, weil die Sonne unseren Zeltplatz noch nicht
erreicht hat. Es gibt Earl Grey Tee, Couscous mit Gemüse und
Müsli. Die ersten Wanderer, die wohl in der Hütte übernachtet haben,
passieren uns. Erstaunlicherweise folgen viele gar nicht dem GR10,
sondern gehen, wie wir es auch vorhaben, über den Grat Richtung Roc Negre.
Punkt neun Uhr brechen wir auf. Es erwarten uns "nur" 1.000 Höhenmeter,
deutlich weniger als
gestern, nur mit dem kleinen Untersschied, dass diese 1.000 bei 1.700
losgehen. Jeder Schritt bergan ist also schon jetzt anstrengend, und
entsprechend langsam komme ich voran. Vincent bleibt
immer hinter mir und redet mir gut zu, während Felix vorne den Weg ausspäht.
Ich bin erleichtert, als sich nach ein paar Stunden herausstellt, dass zwei junge
Franzosen, die uns morgens überholt hatten, auch nicht viel
schneller sind als ich. Dass Felix und Vincent viel schneller sein
könnten, ist sowieso klar.
Ein kurzes Drama, als sich herausstellt, dass sich einer meiner
ausziehbaren Wanderstöcke verklemmt hat und sich nicht mehr ausziehen
läßt. Felix löst das Problem mit Einfallsreichtum, jeder Menge Tape
und ein bisschen Gewalt. Ich finde es hilfreich, das Gewicht des
Rucksacks (und mein eigenes) nicht nur mit den Beinen bergan hieven zu
müssen, sondern mit den Armen unterstützen zu können.
Noch am Vormittag erreichen wir die Baumgrenze, und eine faszinierende
Hochgebirgslandschaft empfängt uns. Der Boden ist voll mit kleinen und
kleinsten Blümchen in allen möglichen Formen und Farben. Sogar Enzian
ist dabei. Der Weg als
solcher ist kaum noch zu erkennen, wir orientieren uns an
Steinmännchen. Der Gipfel da,... ah, das ist erst einer der
Vorgipfel, der Cinreus. Und der nächste Gipfel? Der Pic Gallinàs
(2.461 m), ein
weiterer Vorgipfel. Den erreichen wir um 12 Uhr, als wir laut Planung schon auf dem Roc Negre sein
sollten. Und der nächste Gipfel da? Das ist auch noch ein
Vorgipfel. Und der da? Felix spart sich die Antwort.
Da kommen wir her, und da wollen wir hin.
An einem Sattel knapp unterhalb des richtigen Gipfels machen wir
Mittagspause, damit wir die Energie für den letzten Anstieg
haben. Gut, dass Vincent Ovomaltine-Schokolade dabei hat: damit kann
man's nicht besser, aber länger, und Ausdauer ist hier sehr wichtig.
Von hier aus sehen wir endlich den Puig del Roc Negre, 2.714 Meter
hoch. Wir können mehrere Wanderer dabei beobachten, wie sie den
Gipfelgrat überqueren. Einer von denen macht sich extra die Mühe, zu
uns hinunterzusteigen, um uns vor dem weiteren Weg zu warnen; dass der
nächste Grat hinter dem Gipfel sehr schwierig sei und es besser wäre,
ein Stück abzusteigen und das Geröllfeld zu queren. Sehr aufmerksam und nett
von ihm, und ein guter Rat, denn schon das letzte Stück
bis zum Gipfel ist eine ziemliche Kletterpartie mit Händen und
Füßen. Felix wartet geduldig und passt auf, das ich nicht die Fassung
und den Weg verliere. Ausgesetzte Grate sind nicht so meins. Auf dem
letzten Stück geht er sogar zweimal, um mir meinen Rucksack
abzunehmen. So fürsorglich bin ich schon lange nicht mehr im
Hochgebirge betreut worden, danke schön! Endlich oben, bietet sich ein toller
Rundumblick. Sehnsüchtig schaut Felix zum Canigou hinüber. Es ist
jetzt etwa 16 Uhr, wir haben also nur vier Stunden Verspätung und
machen deswegen nur eine ganz kurze Pause. Aus dem Wolken, die von
Westen her aufziehen, wird doch kein Gewitter werden?
Auf dem Gifpel des Roc Negre. Foto (c) Felix Brümmer. Blick vom Roc Negre auf den Canigou. Komisch, als ich da oben saß, war mir nicht bewußt, dass da so viele Felsen zwischen mir und dem Abgrund waren und ich gar nicht hätte runterfallen können.
So schnell es geht, steigen wir ab. Puh, geht das hier überall steil
nach unten! Als ich mich an einer steilen Stelle an einem stacheligen Strauch
festhalte, bleibt mir ein Spreisel in der Hand stecken – man muss halt
Prioritäten setzen. Vincent kommt jetzt auch
nicht mehr so schnell voran wie vorher. Man weiß nie, ob der Stein,
auf den man seinen Fuß gerne setzen würde, auch wirklich
hält. Manchmal wackeln die Felsbrocken nur, manchmal rutschen
sie – nächster Stop 150 Meter weiter unten? Nein, danke!
Jemand braucht am Portella de Leca ganz dringend eine Pause. Felix, unerschütterlich, überprüft den Höhenmesser. Foto (c) Vincent Spallek.
Am Sattel Portella de Leca (2.594 m) zwischen dem Roc Negre und dem Puig Roja, wo wir eigentlich
noch drüber wollen, machen wir Strategiebesprechung. Das geplante
Tagesziel werden wir auf keinen Fall mehr erreichen, das wären noch
weitere vier Stunden Grat-Kletterei (mit oder ohne Umgehung durch das
Geröllfeld), und das Fernziel erst recht nicht, das wären nochmal
zehn Kilometer mehr. Also steigen
wir hinab in das unter uns liegende Tal, Gorgs de Cady, das mit mehreren kleinen Seen
und grünen Kräutern sehr einladend aussieht. Der Weg führt über
Schrofen, eine Mischung aus Kies, Geröll und Gras, mit vielen losen
Steinen, und ist nach wie vor schwierig, aber die Aussicht auf einen
tollen Zeltplatz am See macht das wett. Wir passieren sogar ein
kleines Schneefeld, das in dieser Höhe und aufgrund der nördlichen
Ausrichtung des Talkessels überlebt hat. Gerade genug, dass jeder
einen Schneeball werfen kann!
Abstieg in die idyllischen Gorgs de Cady.
Am Talboden angekommen, stellt sich heraus, dass die Vorhersage
bezüglich der Mücken zutreffend ist – auch die mögen flache Seen und
ein windstilles Eckchen. Nichts, was eine Regenhose und etwas DEET
nicht lösen könnte! Erst mal die Füße im Wasser abkühlen und dabei
aufpassen, wo man sich am Ufer hinsetzt, denn das Gras sieht zwar
überall trocken aus, aber wenn man sich draufsetzt, gibt es nach und
man sitzt mit dem Hintern in einer Pfütze! Auch die verschwitzen
T-Shirts freuen sich über ein Bad, erst im See und dann in der
Sonne.
Zeltplatz am See mit Blick auf den Canigou. Als der verantwortungsbewußte Bergführer, der er ist, hat Felix die Karte nicht nur im Kopf, sondern auch immer griffbereit.
Zum Abendessen gibt es Beutel à la carte: Boef Stroganov, Chicken
Tikka und Kartoffeltopf mit Röstzwiebeln. Zum Nachtisch
Karamell-Brownie-Schogetten, dazu ein Pfefferminztee, verfeinert mit
Orangen-Magnesium-Tablette. Kann man sich was besseres vorstellen? Wir
haben einen tollen Blick auf den Canigou im Südosten, und an der
Westwand unseres Tales können wir Gemsen beobachten, die scheinbar
ungestört durch uns dort herumhüpfen. Das Zelt passt genau auf die
ebene Fläche zwischen den einzelnen großen Steinen auf der Wiese am
See. Bei einem Gute-Nacht-Snack aus Käse und Gänsewein genießen wir
das Licht der goldene Stunde, das den blühenden wilden Rhododendron
besonders schön zur Geltung bringt. Es ist noch lange warm, auch weil
die von der Sonne aufgeheizten Felsen noch Wärme abstrahlen. In den
kurzen Momenten, in denen die Sonne hinter einer Wolke verschwindet, und
nachdem sie hinter den Bergen untergegangen ist, wird es etwas kühler,
wir sind eben doch 2.400 m hoch! Dennoch habe ich in keiner Nacht so
geschwitzt wie in dieser.
Ob wir aber über den Grat, oder unter dem Grat, oder überhaupt
nicht Grat geh'n?
Es war eine ruhige Nacht, im Zelt auch gut geschützt vor den
Mücken. Wir wachen erst um halb acht auf und sind trotzt der Höhe gut
erholt. Die Mücken sind noch nicht wach, zum Glück, so können wir
ungestört und ausgiebig frühstücken: Tee, Müsli, und Nutella aus der
Tube auf den sonst sehr trockenen
Trekking-Keksen. Mjam! Dazu der Bergblick – nicht eine Wolke am Himmel! Und
die Gemsen! Wir lassen uns so viel Zeit, dass die Sonne bis über
den Canigou steigt und auf unseren Zeltplatz scheint. Puh, ist das
warm hier!
Gehen wir jetzt da wieder hoch, wo wir gestern runtergekommen sind,
um unseren Weg wie geplant mit der Kraxelei über den Grat Richtung
Puig Rojà fortzusetzen? Oder lieber von hier aus runter zur
Mariailles-Hütte (sprich: Marijei), und dann von da aus wieder rauf, um den Grat zu
umgehen? Nach einigem Überlegen entscheiden wir uns für die sicherste
Route, die am wenigsten Ansprüche an meine Schwindelfreiheit, Vincents
Trittsicherheit und Felix' Geduld mit seinen Mitwanderern stellt: den
Abstieg zur Mariailles-Hütte. Zunächst geht's weglos weiter das Tal
des Cady hinab, über Steine und Gras, Sumpflöcher und Bäche, durch
Ginster und Rhododendrongestrüpp. Schrilles Preifen von der Seite: Murmeltiere! Tatsächlich
bekommen wir ein paar dieser niedlichen Viecher zu sehen. Eines stützt
sich direkt vor Felix kopfüber in seinen Bau, dessen Eingang mitten auf dem "Weg"
liegt.
Das Tal des Cady, inclusive Murmeltier.
Das sumpfige Gelände und die vielen kleinen Bäche sortieren sich zu
einem einzigen Bach, dem Cady, und die Steinmännchen reihen sich jetzt
aneinander, statt verstreut in der Gegend herumzustehen. Wir haben den
Zustiegsweg zum Canigou erreicht, wo wir uns talwärts halten. Sofort
nimmt die Dichte an anderen Menschen stark zu; einige haben in den
unbewirtschafteten Hütten übernachtet oder biwakiert, und die wollen
jetzt wahrscheinlich alle auf den Canigou.
Der Weg quert den Cady, der hier schon etwas mehr Wasser gesammelt
hat. Man braucht eigentlich nur über die großen Steine zu hüpfen, doch das
ist komplizierter, als es aussieht, Vincent muss danach erst mal trockene
Socken anziehen. Glücklicherweise ist der nächste größere Bach mit
einer Brücke ausgestattet. Auf diesem Wegabschnitt durchqueren wir das
erste Mal auf dieser Tour Viehzäune – theoretisch hätten uns die
Stiere vom Coll de la Reducta hier noch erwischen können.
Gegen 12 Uhr erreichen wir die Hütte Mariailles auf 1.718 m. Es stellt
sich heraus, das der Teil des Plans "und dann von da aus wieder
rauf" bedeuten würde, dass wir heute noch weitere 25 km Strecke
und 1.000 Höhenmeter machen müssten. Das große Problem beim Wandern
in den Pyrenäen im Sommer ist nämlich das Wasser: das gibt es nicht
überall, man braucht es aber in großen Mengen. Habe ich erwähnt, dass
sich ein wolkenloser Sonnenhimmel über uns aufspannt und die
Temperatur im Schatten sicher über 25°C liegt? Hier an der Hütte
können wir unsere Vorräte auffüllen, wenn wir dann aber aufsteigen,
gibt's die nächste Quelle eben erst in 25 km, nachdem wir hinauf bis
zum Grat, dann unterhalb des Grates den mehr oder weniger guten Weg
entlang, und dann wieder runter bis zum nächsten Biwak gelatscht
sind. Hm. Naja, Felix als Bergexperte hat natürlich noch einen Plan B
(oder eher E, weil wir B, C und D schon vereitelt haben), und der
heißt: ganz hinunter heute, und dann morgen einen Ausflug
in die Carança-Schlucht machen. Dann können wir auf der
Rückfahrt wie geplant mit dem Petit Train Jaune fahren. Vincent, der mit dem
Sixpack, jammert, dass er gegen seinen während der Kurzarbeit
angesammelten Bauchspeck noch ein paar
Höhenmeter gebrauchen könnte, wird aber überstimmt. Nicht zuletzt
deshalb, weil es nach der längeren Pause, während der wir die möglichen
Busverbindungen für die Aktivitäten morgen gecheckt haben, nun
wirklich eindeutig zu spät ist.
Gesagt, getan. Wir haben das Hochgebirge verlassen und der Pfad führt
durch Wald, und lange Zeit wird er flankiert von einem kleinen Kanal,
der zwischen dem Pfad und dem Hang verläuft. Wozu der wohl gut ist? Keine
Ahnung, aber das Wasser darin plätschert lustig und
erfrischend. Ab und an verschwindet der Kanal, indem sich das Wasser
zusammen mit einem querenden Gebirgsbach, der von oben kommt, talwärts
stürzt, nur um einige hundert Meter weiter unvermittelt wieder
aufzutauchen. Am Ufer suchen wir uns dann auch einen schönen Rastplatz
für die Mittagspause. Der Schweizer Käse übertönt noch immer
das Aroma der Füße, die wir praktischerweise im Sitzen zum
Kneipp-Fußbad in den Bach hängen können. Nur dass es im Wald so schattig ist, dass die verschwitzten
T-Shirts nicht zum Trocknen in die Sonne gelegt werden können, ist
eine kleine Unbequemlichkeit.
Der kleine Kanal am Wegrand.
Wir kommen am Col du Cheval Mort (Pass des toten Pferdes) vorbei und erreichen nach ein paar
Stunden den Coll de Jou (1.125 m). Hier gibt es
einen Parkplatz und entsprechend auch Menschen. Wolken sind
aufgezogen, im Westen grollt es schon, man sieht in der Ferne Regen
fallen und die schwüle Luft
steht. Trotzdem können wir uns natürlich den kleinen Gipfel mit dem
Torre de Goà (1.288 m) nicht entgehen lassen. Unser Vorwärtskommen sieht jetzt
eher so aus:
schnell durch die sonnigen Passagen, dann an einem schattigen Platz,
an dem auch ein Lüftchen geht, stehen bleiben, Zunge raushängen und
Arme für bessere Belüftung ausstrecken. Repeat until Torre. Als wir
am Turm ankommen, ist das Gewitter schon so nah, dass wir uns nicht
lange aufhalten. Irgendwie doch gut, dass wir jetzt nicht auf dem Grat
sind!
Jetzt müssen wir nur noch nach Vernet-les-Bains (691 m) runter, und das
möglichst nicht über den Bergrücken, sondern schön weiter unten am
Hang. Die Wegbeschriftung ist uneindeutig — da sind wir nun in
hochalpinem weglosen Gelände herumgeklettert, nur um uns kurz vor dem
Ziel, quasi schon mitten in der Zivilisation, zu verlaufen! Als wir
gerade zwischen den mannshohen Ginsterbüschen nach dem richtigen Weg
suchen, kündigt sich der Platzregen an, mit einzelnen dicken
Tropfen. Wir haben gerade noch Zeit, die Regenhüllen über die
Rucksäche zu stülpen, da gießt es schon wie aus Kübeln. Wir selber
sparen uns das Regenzeug, denn es ist immer noch viel zu warm und die
Abkühlung kommt gerade recht. Sobald es regnet, beginnt es intensiv zu
duften, nach Kräutern, Blüten und feuchtem Holz. Hmmm!
Dann gehen wir zurück bis zur letzten Markierung und finden dann auch
den richtigen Weg, der ab hier als Mountainbike-Trail markiert
ist. Die Mountainbikefahrer, die hier runter wollen, tun mir Leid!
Felsblöcke, dorniges Gestrüpp, Wurzeln und mehr Felsblöcke...
Die Beschilderung bleibt irreführend, wir werden zu den Thermen von
Vernet-les-Bains geleitet, obwohl wir da gar nicht hin wollen – und
kommen dann plötzlich aus dem Wald heraus und stehen direkt vor
unserem Ziel, dem Campingplatz. Felix maskiert sich und bucht uns für
24 Euro einen Platz. Der liegt unter einer großen Eiche, die
uns erst mal vor dem Nieselregen schützt. Als der Pause macht, hängen
wir die Wäscheleine und unsere nassen Sachen daran auf – hilft nicht
viel, denn kurz darauf fängt es wieder an zu regnen. Wir bauen das Zelt auf,
denn auch eine alte Eiche schützt nicht ewig. Und da es hier warme
Duschen gibt und da wir ja schließlich dafür
bezahlt haben, nutzen Felix und ich die auch. Vincent geht derweile
ins Dorf, um Vin rouge zu kaufen, damit wir den Rest des Käses
heute abend gebührend würdigen können, bzw. damit wir eine Motivation
haben, ihn aufzuessen, bevor er anfängt, von selber davonzulaufen.
Rechtzeitig zum Abendessen hört es endlich ganz auf zu
regnen. Trotzdem sitzen Felix und ich in der Regenhose da; alle
anderen Klamotten hängen ja auf der Leine.
Es gibt 2x Boef Stroganov und 1x Kichererbsen-Eintopf, den Vincent
schon nicht haben wollte ("Ih, vegetarisch") bevor er wußte, dass der
komisch schmecken und die Bestandteile auch nach extra-langem
Ziehen in heissem Wasser nicht richtig weich werden würden. Alle helfen mit,
das Zeug aufzufuttern.
Dafür ist der Käse, je nach Geschmack mit oder ohne Rotwein, um so
leckerer. Da wir aufgrund der Abfahrtzeiten der Busse morgen sehr
früh raus müssen, geht's bald in die Heia – nicht ohne dass Felix
vorher das Zelt nochmal halb abbaut, um die ca. 10.000 Fliegen, die sich
zwischen Innen- und Aussenzelt gesammelt haben, freizulassen. Bei dem
Gesumme und Gesurre hätten wir wahrscheinlich nicht gut geschlafen.
Schluchtgummibärchen
Der Wecker klingelt um 6 Uhr. Brr. Frühstück gibt's
keins. Überraschenderweise sind unsere Klamotten auf der Leine alle
trocken. Nun schnell das
Zelt abbauen, alles in die Rucksäcke stopfen — Nein, die Zeit reicht
nicht mehr, um den Kocher nochmal rauszuholen und doch noch Tee zu
kochen! — und dann ab zur
Bushaltestelle. Dort sind wir dann so viel zu früh, dass wir in aller
Ruhe durchs Dorf schlendern und in einer Brasserie noch
Pain au
chocolat und Apfeltaschen kaufen können. Die Altstadt von
Vernet-les-Bains ist eigentlich recht nett, es ist ein (ehemaliger)
Kurort. Die Bushaltestelle ist mit Abstand der hässlichste Teil, auch
wenn sie nach Eukalyptus duftet. Ob das damit zusammenhängt, dass
direkt nebenan gerade die Müllcontainer geleert und evtl. parfümiert
wurden?
Der Bus kommt pünktlich, und wir kaufen drei Fahrkarten à ein Euro, in die die
Fahrerin liebevoll von Hand Datum und Uhrzeit einträgt. In
Villefrance-de-Conflent müssen wir in einen anderen Bus umsteigen, um das Tal des
Têt, das auch Conflent genannt wird, weiter hoch zu
fahren. Villefranche hat nichts außer einer Bushaltestelle, einem
Bahnhof und einer
Vauban Festung.
Um ein Haar hätten wir die Haltestelle verpasst, an der wir
aussteigen mussten, weil der erste von den beiden auf der Karte
eingezeichneten Orten namens Thuès kein richtiger Ort, sondern nur ein
großes Hotel ist (ein Spa wahrscheinlich, es heißt
Thuès-les-Bains) und wir die Haltestelle deswegen nicht erkannt
haben. Das zweite Thuès ist Thuès-Entre-Valls, unser Ziel auf 808 m Höhe; hier
beginnt die Gorges de la Carança.
Als erstes gehen wir Wasser suchen; öffentliche Wasserhähne gibt es
hier überall. Dann statten wir dem Bahnhof des Petit Train Jaune einen
Besuch ab, damit wir wissen, wo wir heute Abend hin müssen. Und dann
suchen wir, das wichtigste eigentlich, einen Platz zum
Frühstücken. Am Eingang der Schlucht gibt es einen großen Parkplatz,
der auch einen Kiosk und vor allem einen Picknickplatz mit Bänken und
Tischen hat. So komfortabel haben wir es bisher noch nicht gehabt!
Tee und Müsli sind schnell zubereitet und verzehrt, und derart gut
vorbereitet brechen wir in die Schlucht auf. Der Weg ist beschriftet
mit Sentier de Vertige, das kann ja heiter werden. Der Weg
verläuft östlich des Flusses, das heißt, der Fluß ist rechts von
uns. Schon kurz nach dem Eingang geht der Weg durch eine
Corniche, einen halboffenen Felstunnel. Wir sind uns nicht
einig, ob das natürliche, durch Erosion entstandene
Strukturen sind oder ob der Mensch nachgeholfen hat. Nach ein paar
hundert Metern teilt sich der Weg, es gibt auch die Möglichkeit, den
Fluß zu überqueren und auf der Westseite der Schlucht
weiterzugehen. Wir bleiben auf der Ostseite, die jetzt am Morgen noch im
Schatten liegt.
Der Eingang der Schlucht, mit einer Brücke für die Bahnstrecke des Petit Train Jaune.
Ab jetzt geht der Weg steil bergan an der Flanke des
Roc de la Madriu. Wir steigen fast 300 m auf, und
Schattenseite hin oder her, es ist echt warm hier! Vom Fluß hört man
nur noch das Rauschen, sehen kann man ihn nicht mehr, so weit ist er unter uns. Dafür haben wir einen
hervorragenden Blick auf die gegenüberliegende Seite der Schlucht und
den Verlauf des dortigen Weges, und ich finde: gut, dass wir auf
dieser Seite sind! Bestimmt 50 Meter oder noch mehr senkrecht über der Talsohle
verläuft der Weg dort auf Felsbändern und in Corniches, ohne
Geländer, und nur teilweise mit einen Festhalteseil auf der
Felsseite. Auf unserer Seite ist der Weg nur ab und an etwas
ausgesetzt und an einzelnen Stellen mit Stahlseilen gesichert (die Definition von
"ab und an" und "etwas" hängt sehr vom Betrachter ab). Ich bin sehr froh, als wir
nach einem ebenso steilen Abstieg endlich wieder die Talsohle erreichen, wo die beiden Wege sich
treffen – und auch die ganzen Touristen, die von beiden Seiten
herbeiströmen. Zum Glück waren wir noch so früh dran, dass wir auf dem
schmalen Pfad keinen Gegenverkehr hatten!
Blick auf den ausgesetzten Weg auf der Westseite der Carança-Schlucht. 2. Foto (c) Felix Brümmer.
Wir haben noch viel Zeit und
gehen flußaufwärts weiter. Gerade als Felix, um mich zu beruhigen,
versichert hat, dass es jetzt ein Ende hätte mit den
Passerelles (den schmalen Stegen), kommt hinter der nächsten Flußbiegung eine
wackelige Leiter in Sicht, und der Weg verläuft dann erst mal auf
einem ebenso wackeligen Steg ohne Geländer meterhoch über dem
Fluß. Naja, man gewöhnt sich an alles,
auch an die Hängebrücke, von der man über eine
nicht am Boden befestigten Leiter, die also mit schwankt, wieder
herunter klettern muß. Wer seinen Fuß zur falschen Zeit unter die
Leiter stellt – Plattfuß!
Keine weiteren Paserelles...
Geländer sind überbewertet. Foto (c) Felix Brümmer.
Als die Schlucht breiter wird, wird auch der Weg besser, es sieht
sogar so aus, als ob es hier mal einen befestigten Bahndamm oder
Fahrweg gegeben hätte. Für die Mittagspause, drei Stunden nach dem
Aufbruch, suchen wir uns eine schöne
Stelle am Fluß, mit etwas Sonne, gut zum Baden, ohne andere Touristen
und ohne Stiere – gar nicht so einfach. Vincent und Felix hüpfen
gleich mal ins Wasser. Der Käse wird und wird nicht alle. Ein
Stündchen später machen wir uns auf den Rückweg. Ich weigere mich, den
ausgesetzten Weg mit den Corniches zu gehen, da wir nicht genug
Zeit haben, um umzukehren, falls ich an einer Stelle nicht
weiterkomme. Und Felix und Vincent wollen den dann auch nicht alleine gehen. Also
gehen wir alle auf derselben Seite zurück, diesmal in der prallen
Sonne. Aus dieser Richtung sind es nicht ganz so viele Höhenmeter, und
komischerweise fühlt sich der Weg auch gar nicht mehr so ausgesetzt
und absturzgefährdet an wie auf dem Hinweg. Einziger Wehmutstropfen: zusätzlich zu all den
Blasen und Blessuren, die Vincent bereits hat, schneidet er sich an
den spitzen Drähten eines Stahlseiles die Hand auf. Eine Amputation ist
aber nicht nötig. Wir kommen flott voran
und sind schon um 15 Uhr wieder in Thuès am Picknickplatz. Reichlich
Zeit für Eis und kaltes Lustigwasser vom Kiosk. Eine Bank
im Schatten ist noch frei!
Ankunft am Ziel – Picknickplatz in Thuès-Entre-Valls. Gewitter im Anzug.
Wie gestern zieht jetzt von Nordwesten her ein Gewitter auf. Gerade
rechtzeitig, bevor der Regen einsetzt, ziehen wir von dem gemütlichen
Plätzchen um in das Wartehäuschen am Bahnhof. Und was passiert?
Vincent wird von einer der Wespen gestochen, die im Dach des Häuschens
wohnen! Er hat diesmal wirklich Pech. Hier warten wir auf den
Petit Train Jaune, der uns wieder nach Villefranche-de-Conflent
bringen soll. Reservierung hin oder her, der Zug ist rappelvoll,
und da die Leute aus dem offenen Aussichtswagen wegen des Regens auch
lieber drinnen sitzen wollen, können wir froh sein, überhaupt noch
einen Sitzplatz zu bekommen. Einer mit Atemluft wäre noch besser
gewesen, aber glücklicherweise kann man zwischendurch mal raus auf die
Plattform am Wagenende. Es ist spektakulär, wie sich die
Schmalspurbahn (Spurweite 1.000 mm) durch die enge Schlucht
schlängelt. Leider blockieren erschöpfte Touristen, die lieber lesen
oder mit ihren Handys spielen statt rauszugucken, die Fensterplätze.
Ab Villefranche-de-Conflent fahren wir mit dem
Schienenersatzverkehr Richtung Perpignan. Der Busfahrer weist
Vincent darauf hin, dass sein Piratentuch im Fall einer Kontrolle
nicht als Maske zählt und das dann 130 Euro Strafe kostet – während
er selber gar keine Maske auf hat. Wir sind lange Zeit die einzigen
Fahrgäste in dem riesigen Bus, können ganz vorne sitzen und nochmal
auf das Canigou-Massiv zurückblicken. In Ille-sur-Têt steigen wir
in einen Zug um, der von außen extrem heruntergekommen und von
innen recht gemütlich aussieht. In Perpignan müssen wir dann
nochmal umsteigen, und da stellt sich raus, dass der Zug, in dem wir
sitzen, nicht nur nach Montpellier fährt, sondern auch in Baillargues
hält, was so verkehrsgünstig liegt, dass Anja und
Lia uns dort abholen können. Dadurch sparen wir uns fast eine Stunde
Straßenbahnfahrt und sind noch vor 22 Uhr zuhause. Noch schnell die
Energiereserven mit den vorbereiteten Nudeln und der leckeren
Hacksauce auffüllen. Das weiche Bett haben wir uns redlich
verdient.
Rückblick auf das Massiv des Canigou.
Tja, und das war's dann auch schon wieder mit dem Wandern! Den
nächsten Tag verbringen wir am Strand und in der Saline des
Aigues-Mortes, und am Tag darauf geht's dann für mich schon wieder
zurück. Schön war's! Auch wenn es sehr anstrengend war mit den
vielen Höhenmetern und vor allem an den ausgesetzten Graten, ich würde
das sofort wieder machen! Und wir werden weitermachen, denn die
Pyrenäen sind schließlich noch lange nicht durchquert.
In den Salines von Aigues-Mortes.