Es gibt zwei Arten Dschungel: den Regenwald und die Großstadt. Welcher wohl gefährlicher ist?
Dschungel pur
Wir haben noch keinen Plan, was wir heute machen wollen. Baden steht bei einigen auf dem Programm; hier in Boucan-Canot gibt es ein schön
abgeschirmtes Badebecken, in dem man auch bei höherem Seegang noch schwimmen kann und sicher vor Haien ist. Ich überlege, nochmal in den
Jardin d'Eden zu gehen und noch ein paar mehr schöne Chamäleon-Fotos zu machen. Dann fällt mir ein, dass ich den letzten Punkt auf meiner
"xxx Dinge, die Ute in Réunion gemacht haben sollte" Liste noch nicht abgehakt habe: eine Wanderung im Dschungel des Forêt Fougères, dem Farnwald. Das
ist von hier aus gar nicht so weit. Wenn ich das Auto nehme und die anderen am Nachmittag wieder hier einsammele, müsste die Zeit für
ein schönes Dschungelerlebnis ausreichen.
Es regnet allerdings gerade in Strömen, und laut Wettervorhersage soll es bestenfalls am Nachmittag aufhören. Dirk hat verständlicherweise
keine Lust, im Regen am Strand zu sitzen. Und Vincent hat keine Lust, bei Sonne am Strand zu sitzen und seinen Sonnenbrand von gestern zu
verschlimmern. Also fahren wir alle zusammen erst mal nach Saint-Denis, wo unsere nächste und letzte Übernachtung ist. Das Hotel hat einen
Pool und bietet Gästen, die zu früh für den Check-In kommen, die Möglichkeit, diesen schon mal zu nutzen.
Tja, zwei mal Abbiegen vom Hotel
entfernt müssen wir eine große unübersichtliche Kreuzung passieren, die ein bisschen wie ein Verkehrskreisel aussieht, aber keiner ist. Es
gibt unheimlich viele Ampeln, die man wegen der kreisförmigen Verkehrsführung schlecht voraussehen kann. Vincent macht eine Vollbremsung
bei rot – und der Wagen hinter uns fährt prompt auf unseren Wagen auf. Nur eine kleine Beule am Auto, uns geht es gut – aber die
Schererei haben wir trotzdem. Erst mal runter von der Kreuzung in die nächstbeste Einfahrt, um den Sachverhalt zu klären. Wegen der
Verständigungsschwierigkeiten fahren wir schließlich alle zusammen zur nächsten Filiale unserer Autovermietung nicht weit von hier. Die
Abbiegeregeln sind wirklich merkwürdig – das Navi sagt rechts abbiegen, und wir müssen quer über die Kreuzung und links neben der Spur für den Gegenverkehr in eine kleine Seitenstraße... Es ist gut, dass das andere Auto vorausfährt, sonst hätten wir den richtigen Weg nie gefunden!
Jedenfalls wird dort alles geregelt und wir können mit einiger Verzögerung zum Hotel fahren.
Wir werden sehr freundlich begrüßt und mit
Handtüchern für den Pool überhäuft. Dabei ist es jetzt 12 Uhr und damit Essenszeit. In der Nähe soll es ein gut bewertetes kreolisches
Restaurant geben. Es stellt sich als kleine Imbissbude heraus, die drinnen auch ein paar Tische hat. An der Fassade zur Straße hin werden
gerade Bauarbeiten durchgeführt. Man fordert uns auf, hereinzukommen, es sei trotzdem geöffnet. Misstrauische Blicke von Vincent und Dirk,
aber ich finde es vielversprechend, und außerdem habe ich Hunger! Die Chefin zeigt uns einen Tisch im hintersten Winkel, damit wir Ruhe vor den
Bauarbeiten haben. Getränke... was mit Zitrone? Gibt es alles! Und Essen? Wir kommen an die Theke und schauen, was es gibt. Rindfleisch mit
grünen Bohnen, Huhn in Soße, Fisch in anderer Soße, und Huhn "roti" vom Bratspieß. Natürlich alles mit Reis. Fisch und Huhn roti, bitte! Und natürlich mit scharf! Das ist lecker. Das ist wohl der gefährlichste Gurkensalat der Welt, dieser mit den grünen Chilis
drin. Lecker!
Das beste Mittagessen der Welt! Nur mit so einer großen Kamera wie meiner war die Inhaberin wenig vertraut.
Gesättigt fahren wir wieder zum Hotel, wo Dirk den Nachmittag am Pool und auf dem Zimmer verbringen wird. Vincent und ich machen uns auf
den Weg in den Foret Fougères, den Farnwald. 1300m die kurvige Straße hinauf – oder fast, denn aus der Asphaltstraße wird eine
Schotterstraße mit extrem tiefen Rinnen für die Entwässerung, und vielen anderen Rinnen, die das Wasser auch so ausgespült hat. Auch ein
Vincent als Fahrer macht aus einem Peugeot 208 kein Allradfahrzeug. Also parken
wir ein Stück weiter unten als geplant. Es regnet in Strömen. Der Weg soll bei Regen nicht begehbar sein. Aber gucken wird man ja mal
dürfen.
Hier unten geht auch ein Wanderweg los, und das soll uns recht sein, denn wir haben sowieso nicht mehr genug Zeit für die geplante Runde. Schon
nach wenigen Schritten stehen wir mitten im Farnwald – und mitten im Matsch. Die Beschreibung aus dem Wanderführer hält, was sie
verspricht! Über Wurzeln und Steine, durch tiefe, matschige Pfützen, unter umgestürzten Bäumen hindurch, zwischen Baumfarnen und Schmetterlingsingwer hindurch geht's. Der Regen verwandelt den Weg in einen kleinen Bach. Alles ist dicht bewachsen mit einer Extra-Schicht aus Moosen und Flechten; letztere hängen auch von überall
herab.
Eine Brücke aus Stahlträgern und Drahtgeflecht überspannt einen Bach; Geländer ist optional, und der Draht sieht nicht sehr stabil aus. Man
kann aber auf die Träger treten, dann geht's. Die nächste Brücke besteht aus drei soliden Holzbalken. Und die nächsten beiden Bäche müssen
wir auf Steinen überqueren. Der Regen wird schwächer und hört für eine Weile ganz auf, wir bekommen sogar ein paar Sonnenstrahlen ab.
Im Forêt Fougères, dem Farnwald.
Wir brauchen etwa 90 Minuten bis dahin, wo dieser Weg auf denjenigen trifft, den wir eigentlich nehmen wollten. Es ist schon halb vier und
damit leider
Zeit, umzukehren. Auf dem Rückweg entdecken wir einen kleinen Wasserfall mitsamt Pool, in dem wir unsere Strümpfe. Schuhe und Füße
sorgfältig waschen. Da kam doch kein matschiges Wegstück mehr, oder? Falsch gedacht! Keine 20 Meter weiter ist doch noch ein Matschloch. Na
egal, Spaß hat es auf alle Fälle gemacht – mit Matsch eher mehr als ohne, wenn Ihr mich fragt!
Nachdem wir die ganzen Kurven wieder runtergekurvt sind und dabei beinahe eine Katze überfahren hätten, die in aller Seelenruhe und in
vollem Bewusstsein des herrannahenden Autos die Straße überquert, sind wir kurz vor halb sechs an der Autovermietung, die wir schon von
heute Morgen kennen. Gerade rechtzeitig, um das Auto hier abzugeben — 10 Minuten später, und wir hätten noch extra zum Flughafen fahren
müssen, um es dort abzugeben. Von hier aus können wir die Strandpromenade entlang zurück zum Hotel laufen. Und wir können morgen ein klitzekleines Bisschen länger schlafen,
weil wir morgen früh die Zeit für die Abgabe sparen.
Strandpromenade trifft es nicht ganz. Dieser Küstenabschnitt im Inneren von Saint-Denis wurde mit vulkanischem Gestein künstlich befestigt.
Von Sandstrand keine Spur. Promenade trifft allerdings zu, denn es sind sehr viele Leute unterwegs, Jogger und Radfahrer vor allem.
Heute Abend wollen wir Pizza essen gehen. Eher landesuntypisch, hatten wir aber schon lange nicht mehr. In Laufentfernung gibt's eine gut
bewertete Pizzeria – und wenn man die Treppe nimmt, statt dem von Google vorgeschlagenen Umweg zu folgen, ist es wirklich nah dran. Wir
sind die ersten und/oder einzigen Gäste. Wirt und Koch sprechen nur ganz wenig Englisch, deswegen zeigt der Koch Vincent alle Zutaten
persönlich und lässt ihn sogar den Schinken probieren, damit er sich die richtige Pizza aussuchen kann. Für mich bitte kreolisch: mit
geräuchertem Speck und grünen Chilis. Hier ist auch die letzte Chance, ein echtes Bourbon Dodo Bier zu kaufen.
Ich habe mal wieder Schwein gehabt: In der Diskussion um das Hotelzimmer hatte ich mich für ein Doppelzimmer mit Schlafsofa ausgesprochen
und angeboten, auf dem Sofa zu schlafen, das möglicherweise schmal, kurz und unbequem ist. Und es stellt sich heraus, dass es ein Zwei-Zimmer-Apartment ist mit einem Bett mit richtigem
Lattenrost anstelle des Schlafsofas. Noch dazu hat nur dieses Zimmer ein Fenster (Balkontür) nach draußen; das andere Zimmer mit dem
richtigen Doppelbett ist das Durchgangszimmer und verbindet Flur, Toilette und "mein" Zimmer und hat kein Fenster. So bekomme ich
unabsichtlich das bessere Zimmer. Ich höre noch nicht mal das Schnarchen durch die dünne Trennwand.
Tschüss, Réunion!
Man hat mir gestern nicht geglaubt, dass ich heute bis um sieben Uhr schlafen würde, und das stimmt natürlich auch: noch vor halb sieben macht
es "pling" in meinem Kopf und ich bin hellwach. Unser Apartment hat einen Herd, also gibt's Tee; Milch haben wir auch noch, und einen Rest
Baguette und Käse. Fertig ist mein Frühstück. Dirk beschränkt sich auf einen Kaffee. Vincent bevorzugt das Hotelfrühstück, dass man fur 10
Euro pro Person dazubuchen kann. Es gibt dort sogar frisch gepressten O-Saft!
Das Taxi ist pünktlich(er) als wir am Eingang. Vincents Rucksack muss wie immer auf die Rückbank, weil im Kofferraum kein Platz mehr ist --
nur dass diesmal Dirk UND ich auch noch dazu müssen. Aber es ist ja nur ein kurzes Stück bis zum Flughafen. Schnell ist das Gepäck
aufgegeben. Vincent hat es eilig; Dirk braucht mit seinem lädierten Bein etwas länger, sich durch die ganzen Schlangenlinien bei der Pass-
und Sicherheitskontrolle zu schlängeln. Dabei gibt es gar keine Schlange! Die Security ist sehr gründlich, sowohl ich als auch meine
Elektronik werden extra nochmal auf Sprengstoff untersucht. War vielleicht doch gut, dass ich das Milchpulver dagelassen habe. Was die
wohl gesagt hätten, wenn ich auch noch eine Dose weißes Pulver dabei gehabt hätte?
Jetzt bleibt noch viel zu viel Zeit bis zum Boarding, das sich zu allem Überfluss auch noch etwas verspätet, weil Crewmitglieder fehlen.
Zeit, noch Papaya-Combava-Gelee, Combava-grüne-Chili-Gewürzmischung und jede Menge Schokolade made in Réunion zu kaufen. Vincent wird kurz
vermisst, weil er ja vorgelaufen war – wir finden ihn natürlich beim Essen sitzend. Allerdings ist der ausgewählte Salat wohl nicht sehr
lecker; satt macht er trotzdem.
Schließlich dürfen wir einsteigen. Und los geht's. 11 Stunden Flug, und dann sind wir fast wieder zuhause!
Blick aus dem Flieger in der Nähe von Djibouti; man sieht die vielen Schiffe, die im Roten Meer unterwegs sind.
Ganz so einfach ist das natürlich nicht. Unser Flieger hat wegen Gegenwind über eine Stunde Verspätung. Dirk muss quer durch den Flughafen rennen, um seinen Anschlussflug noch zu bekommen. Und das mit dem kaputten Bein! Sein Gepäck schafft es nicht mehr rechtzeitig. Das findet er allerdings erst nach stundenlangem Warten heraus, so dass seine letzte S-Bahn auch schon abgefahren ist und er einen Riesenumweg machen und am Ende doch noch ein Taxi bezahlen muss.
Paris, Paris
Für mich gab es gar nicht erst einen Anschlusszug oder -flug, so dass ich noch eine Nacht in Paris verbringen darf. Im Grand Hôtel de Paris. Das liegt direkt an der Gare de l'Est. Das Zimmer ist eher nicht so grand, aber um diese Tageszeit ist mir das total egal.
Dafür ist das Frühstück um so leckerer. Das erste Mal seit fast einem Monat Haselnusscreme!
Mein Zimmer im Grand Hôtel de Paris.
Was macht man jetzt so an einem Tag in Paris? Ich wollte schon immer mal in die Orangerie, um die Seerosenbilder von Monet zu sehen. Pustekuchen! Bitte reservieren Sie vorher ein Ticket! Diese und nächste Woche sind schon komplett ausgebucht. Hmf.
Dann gehe ich eben in den botanischen Garten. Der ist so ein paar Kilometer weg vom Hotel. Ein Leihfahrrad zu benutzen erscheint mir eine gute Idee – es ist schönes Wetter heute, und draußen herumfahren ist sicher besser als in der Metro zu hocken. Und die Leihfahrräder sind sogar E-Bikes, ich muss mich nicht einmal anstrengen. Nur dass ich nicht damit gerechnet habe, wie die Pariser Fahrrad fahren! Es gibt Radwege, die allerdings willkürlich immer wieder die Straßenseite wechseln. Man kann auch auf dem Fußweg fahren und kreuz und quer über die Kreuzungen sowieso. Wenn ich an einer roten Ampel anhalte, werde ich dermaßen zum Verkehrshindernis, dass ich mich ernsthaft frage, ob es in Paris offiziell erlaubt ist, mit dem Rad über rote Ampeln zu fahren? Und das alles ohne Helm!
Im Botanischen Garten angekommen, muss ich mich erst mal von der Fahrt erholen. Als mein Puls wieder normal ist, schaue ich mich um. Ziemlich viele Leute hier, für einen Donnerstag! Der Zoo ist gleich nebenan, und da ist schon eine Schlange am Eingang. Schade um das Tapir, dem ich natürlich gerne Hallo gesagt hätte. Erst mal einen Tee und ein Crêpe mit Haselnusscreme an einem Kiosk.
Dann könnte ich ja ins Tropenhaus gehen.
Die Gewächshäuser im botanischen Garten von Paris.
Man ist sehr stolz auf die blühende Titanenwurz (Amorphophallus titanum). Überhaupt kann sich das Tropenhaus und auch das Kakteenhaus sehen lassen! Wenn ich es nur nicht immer mit dem Forêt Fougères vergleichen würde...
Blüte der Titanenwurz (Amorphophallus titanum) im botanischen Garten in Paris. Richtig dschungelig hier!
Langsam muss ich mich auf den Weg zurück zum Hôtel machen, meinen Rucksack dort abholen und dann zum Bahnhof. Die Radfahrt quer durch die Stadt ist mindestens so halsbrecherisch wie die auf dem Hinweg. Doch ich schaffe es ohne Zwischenfälle. Noch etwas Proviant aufstocken, auch wenn es sich kaum lohnt. Der ICE bringt mich in zwei einhalb Stunden nach Karlsruhe, wo Gerhard mich schon an Bahnhof erwartet. Juhu, wieder zuhause!